Anke Höfle – SEFO femkom Frauenkompetenzzentrum Darmstadt

Tischrede Frauenmahl am 6. November 2014 in Groß-Umstadt

Herausforderungen an Frauen in der Arbeitswelt


Blick zurück – Blick nach vorn
Alle Untersuchungen über die Wünsche von jungen Frauen und Männern an ihre Zukunft, kommen zu dem Ergebnis, dass sie sich ein partnerschaftliches Familien – und Arbeitsleben auf Augenhöhe wünschen. Das bedeutet: 

gleichwertige Arbeitsplätze und partnerschaftlich gelebte Sorgearbeit in der Familie

Wenn wir uns mit der Zukunft der Arbeit befassen, müssen wir einen Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart werfen. In der kurzen Zeit besteht nur die Möglichkeit einige Schlaglichter auf die Thematik zu werfen und einen Impuls für ihre Diskussion zu geben.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Gleichstellung von Frauen und Männern im privaten und öffentlichen Raum ist noch nicht hergestellt, sie ist zwar seit 65 Jahren im Grundgesetz fest verankert, in der Lebenswirklichkeit aber nicht angekommen. Schon gar nicht, ist ihre gleichberechtigte Teilhabe in der Arbeitswelt hergestellt.
Beim Blick auf die Herausforderungen an Frauen in der Arbeitswelt müssen wir speziell die gleichberechtigte Teilhabe von Männern in den Familien in den Blick nehmen. Denn die Lage der Mütter in der Erwerbsarbeit wird sich erst verändern, wenn Väter die Hälfte der Kindererziehung, der Hausarbeit und der Pflegeaufgaben übernehmen.
Grundsätzlich beinhaltet der Begriff Arbeit alle Formen des Arbeitens, deshalb sprechen wir immer von der privaten, unbezahlten Arbeit und der Erwerbsarbeit. Die private Arbeit umfasst die Familienarbeit, Hausarbeit und das ehrenamtliche Engagement. Sie wird in unserer Gesellschaft zwar hoch geschätzt, doch wer diese Arbeit ausschließlich über längere Zeit durchführt, verliert äußerst schnell die Anerkennung der Anderen und verliert auch selbst rapide an Selbstwert. Sie alle kennen die Antwort von Familienfrauen auf die Frage: „Und was arbeiten Sie?“ Die Antwort ist meist:
„Ich arbeite nicht!“

In der Vergangenheit war die private Arbeit fast komplett den Frauen zugeordnet und bis in die 1970er Jahre hinein, nahmen die meisten Frauen diese Rollenaufteilung auch scheinbar klaglos hin. Erwerbsarbeit von verheirateten Frauen war entweder existenziell notwendig oder die Frauen wollten sich nach Meinung der Männer und der Wirtschaft selbst verwirklichen.
Der Pudding von Doktor Oetker stand in der schönen Wohnung duftend auf dem Tisch, wenn Vati nach Hause kam. Die Teilzeit arbeitende zuverdienende Ehefrau erledigte ihre Erwerbsarbeit und Familienarbeit so, dass es niemand bemerkte. Ihre Arbeit blieb unsichtbar und die Frauen damit auch. (Das alles galt für die breite Mittelschicht, … Arbeiterinnen arbeiteten schon immer überwiegend Vollzeit oder Schicht; deren Kinder waren die sogenannten Schlüsselkinder).
Der Arbeitsmarkt mit seinen Zeitstrukturen orientiert sich bis heute an dieser Lebensform; (auch wenn sie so nicht mehr existiert/ ist also am „Arbeitsmann“ orientiert). Immer und allzeit stehen der ideale Arbeitnehmer/ die ideale Arbeitnehmerin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, mit der sorgenden Ehefrau und süßen Kindern im Hintergrund, die den Arbeitsprozess nicht stören. 

Vieles hat sich verändert, aber Grundsätzliches noch nicht.
Wie sieht das Arbeitsleben der Frauen („Familienfrauen“) heute aus? Die Frauen sind sehr gut gebildet und ausgebildet, besser als die jungen Männer, Alle Berufe stehen ihnen offen, Frauen meiden allerdings die die harten Berufsfelder, die sogenannten Mint Berufe. Sie arbeiten immer noch lieber im Dienstleistungsbereich, besonders gern in sozialen Berufen. Da diese Bereiche schlechter bewertet und bezahlt werden und 44 % der Frauen Teilzeit arbeiten, verdienen sie in Deutschland immer noch 22% weniger als die Männer. Direkte Lohndiskriminierung kommt noch hinzu. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist immer noch extrem gering.
Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate liegen in Bezug auf den Anteil von Frauen in Führungspositionen vor Deutschland. Frauen machen seltener beruflich Karriere, weil ihnen Männer immer noch vorgezogen werden und Frauen mit Kindern auf die Anforderungen des Karrieremachens häufig zugunsten ihrer Familie verzichten, freiwillig oder weil die Kinderbetreuung nicht anders organisierbar ist.

Diese und viele andere Ungerechtigkeiten sind ein Problem für unsere Gesellschaft; denn die Fähigkeit unserer Gesellschaft, die Fragen der Zukunft zu meistern, hängt entscheidend davon ab, wie gleichberechtigt Frauen und Männer zusammen leben und arbeiten. Die Wirtschaft und die Politik haben aufgrund des demographischen Wandels und der niedrigen Geburtenrate in Deutschland die Potenziale der Frauen entdeckt, denn wir steuern auf einen eklatanten Fachkräftemangel zu. Die sogenannte „Stille Reserve“ (die gut gebildeten Familienfrauen) soll den Fachkräftemangel mildern.
In Zukunft wird die Erwerbswelt noch flexibler und internationaler, die Anforderungen an die Mobilität werden steigen, die Projektorientierung wird zunehmen. Das bedeutet noch mehr Arbeitsverdichtung und noch mehr unregelmäßige Arbeitszeiten.
Apple und Facebook wollen in Zukunft die produktivste Zeit ohne den Zwischenfall Kind organisieren, indem sie Frauen anbieten, ihre Eizellen einzufrieren, damit sie erstmal ihre besten Jahre dem Job widmen.
Alle Untersuchungen zeigen, dass die jungen Frauen und Männer nicht mehr bereit sind, alle Lebenswünsche der Karriere unterzuordnen. Partnerschaft und Familie sind ihnen wichtiger.
Eine partnerschaftliche Aufgabenteilung der Familienarbeit wünschen 60% der Paare, es ist ihnen wichtig ihre Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen, das heißt, beide wollen in gleichem Maße zur Existenzsicherung beitragen und in gleichem Maße für die Kindererziehung und Familienarbeit Verantwortung übernehmen. Heute erreichen dieses Ziel nur 14% der Paare.
Um dieses Ziel zu erreichen müssen sich Frauen und Männer auf allen Ebenen dafür einsetzen und nicht darauf warten, dass die Unternehmen und die Politik von sich aus ihre Arbeitskultur ändert. Die Möglichkeit einer gelungenen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen heute nur 20% der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die Realität ist: Männer arbeiten 40 Stunden plus Überstunden, Frauen bleiben oft mit wenig Stunden in der Teilzeitfalle hängen.
Beide haben nicht die Möglichkeit, der Erziehungsarbeit und der regulären Arbeit auf Augenhöhe nachzugehen. Deshalb ist es wichtig, dass Frauen und Männer über die partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit in den Unternehmen, in der Politik, in den Beziehungen, ja überall diskutieren und noch wichtiger ist: Etwas zu tun!

Denn solange nicht die Hälfte der Menschen, die Hälfte der Familienarbeit übernimmt und ihre Arbeitszeit den Bedürfnissen der Familienarbeit anpasst, wird sich die Arbeitswelt nicht an die Bedürfnisse der Eltern anpassen. An der Diskriminierung von Frauen und an der daran gekoppelten Teilzeitarbeit wird sich dann grundsätzlich auch nichts ändern.
Wir sollten also nicht weitere dreißig Jahre über Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen und kleinste Schritte gehen, (23% der jungen Väter nehmen nur 2,3 Monate Elternzeit), sondern diskutieren, wie wir leben und arbeiten wollen und … für diese Ziele auch kämpfen.
Ein Weg zu diesem Ziel ist sicher die alte Forderung nach einer 30 Stunden Woche für Eltern oder … sich mal wieder ein Beispiel an Schweden zu nehmen, z. B. eine Maßnahme, die in Schweden zu einem Emanzipationsschub geführt hat, nämlich, dass die Hälfte der Elternzeit und des Elterngeldes verfällt, wenn sie vom Vater nicht in Anspruch genommen wird.
Hierzulande zerbrechen viele Beziehungen an der ungleichen Verteilung der Erwerbsarbeit und Familienarbeit, alle Nachteile und Folgen tragen immer noch die Frauen. (Warum?) Es ist eine Verschwendung an persönlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Ressourcen, der etwas entgegengesetzt werden muss.
Die Veränderung muss radikaler und schneller gehen, Modelle hierfür z.B. aus Schweden liegen vor, und lassen sich leicht übernehmen, dazu brauchen wir engagierte und gut vernetzte Frauen und Männer, die sich für gemeinsame Ziele auf allen Ebenen einsetzen.
Ich wünsche eine angeregte Diskussion… Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit
Rede 6. November 2014 Anke Höfle/ Entwurf: Ulla Kurz

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