Annegret Laakmann – Initiative „Kirche von unten“ und „Maria von Magdala-Bewegung“

Düsseldorf, 06.11.2011

Herzlichen Dank für die Einladung, in diesem
wunderschönen Rahmen eine Tischrede zu halten. So bunt wie die Frauen in diesem
Raum ist auch der Strauß der Rednerinnen am heutigen Abend.

Ich bin keine Theologin, ich bin eine Frau, die vor etwa
35 Jahren – also gut 10 Jahre nach dem II. Vat. Konzil – nach vielen Jahren
Abstinenz ihre Kirche neu endeckte. Die anfing, die Bibel und Bücher über
feministische Theologie zu lesen, die Frauen traf, die das mit gleicher
Begeisterung taten und mehr und mehr an die Grenzen ihrer ehrenamtlichen Arbeit
in der röm-kath. Kirche stießen – es gibt da immer einen, der die Macht und das
Recht hat, zuzulassen oder abzulehnen. Denn hier gibt es ein unumstößliches
Gesetz:

„Die Heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter
Mann“

Durch die Bindung von Entscheidungsbefugnissen an das
priesterliche Amt ist also der Handlungsspielraum für Frauen stark
eingeschränkt.

Frauen können durchaus in höhere Positionen aufsteigen –
z.B. als Leiterin von Referaten – selbst in Rom soll es eine Frau in einer
Leitungsposition geben, aber nicht als Präfektin der Glaubenskongregation oder
in einem anderen „Ministerium“ im Vatikan.

Sie können als Ordensfrauen ihren Spielraum der
Unabhängigkeit vom Pfarrer oder Bischof nutzen.

Sie können die Grenzen akzeptieren, in Gremien arbeiten
und sich in ihrer Gemeinde wohlfühlen.

Sie können sich contra legem – gegen das Gesetz – weihen
lassen und sich damit nach außen in die Hierarchie einreihen.

Sie können konvertieren in eine andere Konfession oder
Religion. Aber auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt.

Ich weiß, in abrahamitischen Religionen hat Gott kein
Geschlecht – aber wird er nicht in unseren Religionen männlich definiert, wird
mit ihm nicht vieles gerechtfertigt, was an Menschen und an uns Frauen
geschieht? Sind sie nicht alle hierarchisch patriarchal geprägte
Glaubensinstitutionen?

Römisch-katholische Frauen können ihrer Kirche den Rücken
kehren.

Statistisch gesehen zählen sich die meisten Menschen in
Deutschland und weltweit zum Christentum. Aber immer mehr – vor allem auch in
Deutschland, wo diese Zahlen durch die Kirchenaustritte nachweisbar sind –
verlassen diese kirchliche Heimat. Es ist meistens nicht so, dass sieihren Glauben verloren haben, sie haben kein
Vertrauen mehr in die Institution, sie fühlen sich allein gelassen mit ihren
Fragen und erwarten keine Antworten mehr. Die geistlichen Führer, die Priester
und Pfarrerinnen und Pfarrer, werden weniger, Gemeinden und Pfarreien werden
aufgelöst, Kirchen geschlossen und abgerissen. Es scheint, dass unsere Experten
sich auf eine kleine, elitäre Gemeinschaft einstellen. Der Hirte macht sich
nicht auf, das verlorene Schaf zu suchen.

Diese Kirche wollen wir nicht.

Eine Vision der zukünftigen Kirche

Frauen aus der 1987 gegründeten Initiative Maria von
Magdala – Gleichberechtigung für Frauen in der (röm.-kath.) Kirche – haben vor
ein paar Jahren überlegt, welche Aufgabe Kirchen in unserer Zeit haben, welche
Idee, welche Vision sie von der Zukunft eines gemeinsam gelebten Glaubens
haben. Hilfreich dabei waren und sind das Motto der Initiative „ Es gibt nicht
mehr Mann und Frau, denn ihr seid alle eins in Jesus Christus“, die
„Taufformel“ aus dem Brief an die Gemeinde in Galatien, und das Pfingstereignis
mit der Prophezeihung aus dem Ersten Testament: „die Geistkraft wird
ausgegossen auf alle Welt, Söhne und Töchter werden prophetisch reden, junge
Leute werden Visionen haben und alte werden Träume träumen“.

Das, was wir diskutierten, haben wir niedergeschrieben –
als visionären Vorschlag, Anstoß zum Nachdenken und Handeln.

Die Kirche der Zukunft sehen wir – grob dargestellt – als
dynamische Gemeinschaft Gleichgestellter, die von der Geistkraft Gottes
gestärkt, mit jeweils eigenen Begabungen und Berufungen beschenkt miteinander
auf dem dienenden Weg Jesu unterwegs sind.

Die Glaubenden nehmen gleichberechtigt am Leben der
Gemeinde teil. Je nach Begabung werden sie ungeachtet von Geschlecht, Alter,
Rasse und sexueller Orientierung von der Gemeinschaft für eine bestimmte
Aufgabe gewählt und eingesetzt – gemäß der Aussagen des Zweiten Testaments (Röm
12,4-8; 1 Kor 12,4-11; 1 Petr 2,4-10) über das Priestertum aller Glaubenden.

Auch in das Amt des Priesters/der Priesterin, des
Verwalters/der Verwalterin der Sakramente, wählt eine Gemeinde einen Menschen –
Mann oder Frau – mit den entsprechenden Charismen, auf eine bestimmte Zeit. Das
aus der Gemeinschaft gewählte Leitungs- und Pastoralteam ist der Gemeindebasis
verpflichtet und verantwortlich für den lebendigen Erhalt der Gemeinde und die
Einbindung neuer Erfahrungen.

Die Gemeinde als Ort des sichtbaren Glaubens hat
Antworten auf vier Frage zu geben, die sich aus den vier konstituierenden
Elementen – Koinonia (Aufbau von Gemeinschaft), Liturgia (Feier und
Verkündigung des Glaubens), Diakonia (caritativer und politischer Einsatz für
Menschen und Schöpfung) und Martyria (Reflektion und Zeugnis des Glaubens) –
ergeben. Dabei ist die Gemeinde in der Gestaltung ihrer pastoralen Arbeit
weitgehend autonom und in der Entscheidung über die Verwaltung und
Verwendung/Verteilung ihrer finanziellen Mittel selbständig.

Die Gemeinden vernetzen sich regional, national und
international in demokratisch gewählten, synodalen Gremien, um die Einheit der
Kirche weltweit sichtbar zu machen und auch in der großen Vielfalt der
Unterschiedlichkeiten nationaler, regionaler, ethischer Ausprägungen als
Einheit bestehen zu bleiben.

Aus der Verantwortung vor Gott ist es für alle Glaubenden
selbstverständlich, sich aktiv für Benachteiligte in der Gesellschaft, für
Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen (auch auf politischer Ebene),
sich weiterzuentwickeln und weiterzubilden im Glauben, in ihrer Spiritualität
und Verantwortung für die eigene Gemeinschaft und die Gesellschaft.

Mit diesem Traum stellt die Kirche der Zukunft die
gegenwärtige hierarchische Struktur auf den Kopf – entsprechend der Rede Jesu
in Mt 20,25 – 28: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und
die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es
nicht so sein …“

Das ist kurz gefasst unsere Idee. (Ausführlich in der
Broschüre „Kirchenblüte“ der Initiative Maria von Magdala)

Es gibt diese Gemeinden ansatzweise schon, und das macht
Mut. Es gibt diese Gemeinden, die ihren Glauben leben, verkünden und
weitergeben – ohne Priester oder Pfarrerin und Pfarrer. Wir kennen sie als
Basisgemeinden, z.B. in Südamerika – in den Anden auf 4000m Höhe, dem Himmel
näher als wir, oder in den Urwäldern am Amazonas, der Erde näher als wir.

Rückeroberung

Wir müssen uns diese Nähe zurückerobern. Die Theologie –
das Nachdenken und Sprechen über Gott – müssen wir uns wieder aneignen. Wir
dürfen es nicht den Expertinnen und Experten überlassen. Die Bibel zeigt uns,
Menschen, die Jesus nachfolgten, waren in der Regel einfache Menschen – z.B.
Fischerinnen und Fischer. Theologie war nicht ihre Profession. Auch die Leiter
und Leiterinnen früher Gemeinden der Christenheit waren Purpurhändlerinnen,
Netzemacherinnen, Menschen mit ganz unterschiedlichen Berufen. Erst später
entwickelten sich Ämter nach dem Vorbild der herrschenden Völker der damaligen
Zeit. Auch Abraham und Moses waren Hirten – Menschen, die auf den Ruf Gottes
hörten, glaubten, folgten.

Die Gretchenfrage:

Mensch, wie hälst du’s mit der Religion?

Überrascht es nicht, dass ausgerechnet eine Frau im
faustischen Drama um den Wunsch des Menschen nach Allmacht, nach
Gottesgleichheit die Seinsfrage, die Frage nach der Rückbindung, nach der Mitte
stellt? Ist es überraschend, dass diese Frau am Ende im Diesseits scheitert?

Die Religion verliert nicht nur im Christentum ihre
allumfassende Macht über die Menschen – und das ist gut so. Ihre Bedeutung für
das Leben des Menschen nimmt rapide ab. Das kann bedrohlich wirken und sein. Es
kann auch befreiend sein.

Menschen suchen immer nach Sinn, nach dem, was das Mehr
als das Menschsein ausmacht.

Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass Menschen sich nicht
faustisch verlieren, dass sie im Diesseits nicht zu sozialen und emotionalen
Verliererinnen und Verlierern werden.

Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass Menschen sich in
Toleranz, Solidarität, Verantwortlichkeit in Freiheit öffnen, sich für einander
einsetzen, aufeinander hören, sich austauschen, gemeinschaftlich ihre Mitte –
das Mehr – suchen

Machen wir uns auf den Weg.

Annegret Laakmann

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