Das Deutsche Reich boomt als Wirtschaftsmacht, am kaiserlichen Hof herrscht ein in Preußen nie dagewesener Prunk: Auguste Victoria, Deutschlands dritte und letzte Kaiserin, lebt als erste Frau im Land in einer sehr abgehobenen Welt. Niemals zweifelt sie an der „gottgewollten“ Ordnung der Monarchie und ebenso wenig an der „gottgewollten“ Unterordnung der Frau unter den Mann, an ihrer Bestimmung als Gattin und Mutter.
Allerdings weiß auch sie, dass die arbeitende Bevölkerung der aufstrebenden Industriemacht sich in düsteren Mietskasernen drängt, wo Elend und Verwahrlosung, Krankheiten und Mangelernährung grassieren. Als „Landesmutter“ will sie helfen, vor allem den Frauen und Kindern: Not lindern, für Sauberkeit und geistliche Nahrung sorgen, den verruchten sozialistischen Ideen wehren – das ist für sie eins und das treibt sie an. Politisch bleibt sie unwissend, ihre große Stärke ist die karitative Fürsorglichkeit.
Der Ursprung hierfür mag schon in ihrer frühen Kindheit liegen. Zwei Wochen nach ihrer Geburt am 22. Oktober 1858 stirbt ihr 15 Monate alter, erstgeborener Bruder. Unter diesem Schatten kann ihre ohnehin etwas überspannte Mutter kein gutes Verhältnis zur neu geborenen Tochter entwickeln. Die kleine Prinzessin kompensiert diesen Mangel, indem sie ihrerseits von früh an die Mutterrolle bei ihren jüngeren Geschwistern übernimmt. Diese Rolle wird ihr, die sonst keine ausgeprägten Interessen hat, zur Natur werden.
Glücklos ist das Schicksal der Eltern. Der Vater, Erbprinz Friedrich zu Schleswig-Holstein-Augustenburg-Sonderburg, hat seinen Anspruch auf den dänischen Thron im deutsch-dänischen Krieg eingebüßt und wird ihn auch nicht wieder gewinnen, da Otto von Bismarck 1866 dafür sorgt, dass Schleswig und Holstein dem preußischen Staat eingegliedert werden. Die Mutter Adelheid von Hohenlohe-Langenberg, eine Nichte der englischen Königin, ist in der von der Familie bestimmten Ehe ohnehin nicht glücklich.
Auguste Victoria und ihre Geschwister wachsen unter verhältnismäßig bescheidenen, freien Umständen auf, erst auf dem Rittergut Dolzig, später in der Herrschaft Primkenau in Schlesien. Eine besondere Nähe entwickelt sie zum ernsten und bedächtigen Vater, dessen pietistische Frömmigkeit sie teilt. Zeit ihres Lebens wird sie den Tag mit den Herrnhuter Losungen beginnen und immer besonderen Respekt vor den Pfarrern in ihrer Umgebung haben. Wie eine Gutsherrentochter lernt die Prinzessin auch früh, Krankenbesuche bei den armen Familien in den Dörfern zu machen – eine Gewohnheit, die sie als Kaiserin beibehalten wird, hier nie verlegen um das rechte Wort, das ihr im Gespräch bei Hof oft schwer fällt.
In Berlin gilt sie Vielen als zu unbedeutend, um als Gattin eines künftigen Thronfolgers in Frage zu kommen. Aber die Schwiegertochter des Kaisers, Kronprinzessin Victoria, ist eine leidenschaftliche Gegnerin Bismarcks und sucht für ihren Erstgeborenen eine fügsame Frau, die mit ihr im Bündnis gegen den Reichskanzler steht. Dafür scheint ihr die Tochter des um seine Ansprüche betrogenen Augustenburgers die Richtige zu sein. Sie betreibt die Verbindung, die schließlich auch zustande kommt, weil der künftige Wilhelm II. Gefallen an der sanftmütigen Prinzessin findet und sie ihrerseits den nur äußerlich forschen Kaiserenkel fest in ihr mütterliches Herz schließt. Treu ergeben wird sie nur ihrem Gatten sein und dessen distanziertes Verhältnis zu seiner Mutter Victoria teilen, was diese sehr enttäuscht.
Sorglose Jahre erlebt das junge Paar von 1881-1888 in Potsdam, wo die ersten drei Söhne geboren werden, ein Umstand, der das Ansehen Auguste Victorias bei Hof festigt.
Schließlich wird sie sieben Kinder zur Welt bringen, sechs Söhne und eine Tochter. Auch als Kaiserin lässt sie es sich nicht nehmen, den Kindern Gute-Nacht-Geschichten vorzulesen und sie bei ihren Schulsorgen zu begleiten.
Schon in den Potsdamer Jahren beginnt Auguste Victoria, sich mit der „sozialen Frage“ zu beschäftigen: Das Elend der Arbeiterfamilien entgeht ihr nicht, wenn sie bei ihren Ausfahrten an den Babelsberger Maschinenspinnereien vorbeikommt. Sie lässt sich beraten von Geheimrat Hinzpeter, einem ehemaligen Lehrer ihres Gatten. Der meint, es kommt vor allem darauf an, das religiöse Empfinden unter den entwurzelten, vom Land zugewanderten Arbeitern zu stärken. In ähnliche Richtung, nur praktischer und machtbewusster, gehen die Ratschläge des Hofpredigers Adolf Stoecker. Der Gründer der Berliner Stadtmission führt dem jungen Paar die Dringlichkeit protestantischer Missionsarbeit vor Augen: Thron und Altar sind im preußischen Staat eng verbunden. Mit der Entfremdung der Arbeiterschaft von der Kirche wächst auch ihr Widerstand gegen die Monarchie. Stoecker setzt in seiner Stadtmission auf Sozialarbeit und Sonntagsschulen für die Kinder, um die Bevölkerung für sein „christlich-soziales“ Programm zu gewinnen, er schielt nach der Macht.
Von Stoecker beeinflusst, regt Prinz Wilhelm Ende 1887 auf der sogenannten „Waldersee-Versammlung“ die Gründung eines Vereins an, der „die der Kirche entfremdeten Massen zum Christentum zurückführen“ soll. Bismarck wird dieses Unternehmen zunächst verhindern, er wittert Stoeckers Machtgelüste. Aber der Kreis um die politisch unverdächtige Auguste Victoria lässt nicht locker: Im März 1888 wird – überschattet vom Tod Wilhelm I. – die Gründung des Vereins beschlossen, der die Grundlage für das Wirkungsfeld der künftigen Kaiserin legt. Das Programm trägt er im Namen: „Evangelisch-kirchlicher Hilfsverein zur Bekämpfung der religiös-sittlichen Notstände in Berlin und anderen Städten und in den Industriegebieten.“ Zu den Gründungmitgliedern gehört auch Friedrich von Bodelschwingh. Auguste Victoria übernimmt die Schirmherrschaft, Geschäftsführer wird ihr Oberhofmeister Freiherr von Mirbach. Unterstützt wird sie von ihren gleichgesinnten Hofdamen Gräfin Brockdorff, Gräfin Keller und Claire von Gersdorff, die im Berliner Volksmund als „Halleluja-Tanten“ berühmt werden – ein harmonisches Trio, ohne das Auguste Victoria bei Hof gewiss sehr einsam gewesen wäre.
„Wenn ich doch mit meinem Mann und den Kindern auf eine einsame Insel entfliehen könnte“, (Feuerstein—Praßer S. 218) stöhnt Auguste Victoria, als sie im Juni 1888 erfährt, dass sie sehr viel schneller als erwartet Kaiserin werden muss. Die Familie zieht in das Berliner Schloss um, wo unter Wilhelm II. „byzantinischer“ Prunk entfaltet wird. Auguste Victoria gewöhnt sich schnell an den Luxus, leidet aber unter den Schlankheitskuren, die ihr Mann von ihr verlangt. Sie bekommt ihn (den „Reisekaiser“) kaum noch zu sehen, auch die Erziehung der Söhne wird ihr zunehmend aus der Hand genommen. Es ist nicht das Leben, das sie sich wünscht. Aber „man muss es halt hinnehmen“ – mit dieser Floskel pflegt sie auf alle Widrigkeiten zu reagieren und widmet sich jetzt mit eisernem Pflichtbewusstsein zahlreichen karitativen Aufgaben. 1890 übernimmt sie die Schirmherrschaft über den „Kirchbauverein“, einen Ableger des „Kirchlichen Hilfsvereins“, 1899 entsteht unter ihrer Schirmherrschaft die „Evangelische Frauenhilfe“ (siehe Wirkungsbereich). Als Vorbild stehen ihr die Kaiserswerther Diakonissen vor Augen, deren segensreiche Arbeit sie insbesondere auf ihrer Palästinareise kennenlernt.
Dank ihres unermüdlichen Einsatzes und tadellosen Lebenswandels erwirbt sich Auguste Victoria auch bei den Verächtern der Monarchie Respekt, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist sie das „geliebteste Kind der Königsfamilie“(Strecker S. 73, vgl. auch Clark S. 324). In dieser Eigenschaft wird sie nun auch für den Gatten wieder wichtig, der sich seinerseits durch unbedachte Reden und mangelnde Tatkraft immer unbeliebter gemacht hat. Auch über ihn wacht sie mit unbedingter Mütterlichkeit und verhindert auf diese Weise im Krisenjahr 1908 seine Abdankung.
Im 1. Weltkrieg wächst sie noch einmal über sich hinaus in der Fürsorge für Lazarette und Suppenküchen, Kriegsblinde und Arbeiterinnen in den Munitionsfabriken. Zugleich wirkt sie politisch unselig, indem sie die Generäle Ludendorff und Hindenburg sowie den „uneingeschränkten U-Bootkrieg“ des Admiral Tirpitz unterstützt. Sie hält sich an die „starken Männer“, um ihren „schwachen“ Gatten zu schützen.
Im Januar 1918 erleidet die seit langem herzkranke Kaiserin einen leichten Schlaganfall, das Kriegsende bekommt sie nicht mit und ist fassungslos, als an ihrem 60. Geburtstag die Abdankung des Kaisers unmittelbar bevorsteht. Sie sorgt dafür, dass er Berlin verlässt, er flieht nach Holland. Sie folgt ihm und leidet, nun schon schwer krank, sehr unter dem Zerfall ihrer Familie. Am 11. April 1921 stirbt sie im Exil. Auf eigenen Wunsch wird sie in der Stadt bestattet, in der sie sich am wohlsten gefühlt hat, in Potsdam, im Park Sanssouci. 200 000 Menschen begleiten den Trauerzug mit dem Gefühl: Solch eine „Landesmutter“ wird es nie mehr geben.
Auguste Victoria hat auch als Kaiserin noch oft an Krankenbetten gesessen, Kindertränen getrocknet und in den Suppenküchen des 1. Weltkriegs die Suppe selbst ausgeteilt. Es ist anzunehmen, dass sie sich dort am wohlsten fühlte, wo sie, wie die von ihr verehrten Diakonissen selbst fürsorglich tätig sein konnte. Ihre Rolle als Kaiserin setzte ihr da Grenzen. In dieser Rolle musste sie als „Schirmherrin“ wirken, was sie dann auch äußerst verantwortungsbewusst getan hat: Sie begnügte sich keineswegs mit Grußworten, sondern machte all ihren Einfluss geltend, um den Projekten unter ihrer Schirmherrschaft zum Erfolg zu verhelfen.
Die evangelische Kirche im 19. Jahrhundert wusste den Herausforderungen durch das neu entstandene Proletariat nicht zu begegnen. Sie unternahm nichts für die geistliche Versorgung in den neu entstehenden Arbeiterbezirken, sie wurde auch sozial nicht tätig, sondern überließ das der Initiative der großen Pioniere der Diakonie: Johann Hinrich Wichern, Theodor Fliedner, Friedrich von Bodelschwingh und dem Gründer der Stadtmission Adolf Stoecker.
Dass endlich auch die Landeskirche vor den neuen sozialen und geistlichen Herausforderungen nicht mehr die Augen verschloss, ist zum guten Teil dem Drängen der Kaiserin zu verdanken. Der Evangelisch-kirchliche Hilfsverein, der 1888 unter ihrer Schirmherrschaft gegründet wird, hat zunächst nur das Ziel, Spenden zu sammeln, um in den Arbeitergemeinden Stellen zu schaffen für Hilfsprediger und Jugendpfleger und den Unterhalt von Gemeindehäusern und Pflegestationen zu finanzieren. Manche Berliner Gemeinden haben zu dieser Zeit an die 70 000 Mitglieder. Die Berater der Kaiserin drängen darauf, mit neuen Kirchbauten und Gemeindegründungen die kirchliche Landschaft in Berlin grundlegend zu verändern. Auguste Victoria bringt das Berliner Consistorium auf Trab, so dass bereits im Mai 1890 der Grundstein für eine neue Kirche in Berlin-Rummelsburg gelegt werden kann. Zugleich wird als Ableger des Hilfsvereins ein Kirchbauverein gegründet, dessen Schirmherrschaft wiederum Auguste Victoria übernimmt. Bald greift das Kirchbaufieber um sich, Geld ist vorhanden. Den Spendern wird manchmal ein Adelstitel in Aussicht gestellt. Bis 1900 entstehen 49 neue Kirchen in Berlin und Umgebung. Auguste Victoria begutachtet die Entwürfe für jeden der meist großräumigen neugotischen Bauten, zu denen nun auch immer ein Gemeindehaus gehört mit Platz für Kindergarten und Diakoniestation. Diese Kirchen prägen bis heute das Stadtbild von Berlin, aber sie haben die Arbeiterschaft nicht zurück in den Schoß der Kirche geführt.
So regt sich schließlich auch Kritik in den eigenen Reihen: Immer nur Geld eintreiben und Kirchen bauen – das allein macht die Kirchengemeinden noch nicht lebendig. Ein engagierter Pfarrer hat schließlich die Idee, endlich auch Frauen ins kirchliche Ehrenamt einzubinden. In seiner Gemeinde St. Petri gibt es eine „Frauenhülfe“, einen freiwilligen Dienst für häusliche Krankenpflege bei mittellosen Familien. Von diesem Beispiel lässt sich der Ev. Hilfsverein anregen: Am 1. Januar 1898 wird die „Frauenhilfe des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins“ gegründet. Schirmherrin ist Auguste Victoria, die mit dem „Kaiserinfonds“ auch großzügig finanzielle Hilfe beisteuert.
Viel mehr muss sie nicht tun, die Frauenhilfe wird ganz von selbst zu einem großen Erfolg. Denn es gibt in der Großstadt sehr viele fähige, bürgerliche Frauen, die nach einer eigenständigen Betätigung außerhalb der Familie suchen. Schon 1903 haben sich 751 Zweigvereine der Frauenhilfe gegründet. Die Frauen organisieren sich selbst und sorgen für die Aus- und Fortbildung der ehrenamtlichen Helferinnen. Sie übernehmen nicht nur Aufgaben in der Pflege, sondern auch im Gemeindeaufbau, leiten Mädchenkreise und Seniorinnennachmittage, bilden ihr eigenes Netzwerk, mit eigener Zeitschrift und eigenem Liederbuch.
Die Kaiserin widmet sich schließlich auch außerkirchlichen Aufgaben. Im Jahr 1904 entsteht auf ihre Initiative in Berlin-Charlottenburg eine Musteranstalt für Säuglingspflege, um die immer noch hohe Kindersterblichkeit zu bekämpfen. Erstmals wird über Babynahrung geforscht.
Unter dem Einfluss der Lehrerinnen Marie Luise Lüders und Hedwig Heyl sowie des Pfarrers Johannes Burckhardt setzt sie sich am Ende auch verstärkt für die Mädchenbildung ein. Gerade wegen ihrer konservativen Grundeinstellung vermag sie beim preußischen Schulministerium Einiges durchzusetzen: Ab 1908 können Mädchen das Abitur ablegen und zum Universitätsstudium zugelassen werden.
Im 19. Jahrhundert brauchten Frauen noch sehr viel Mut, um für das Recht auf Bildung und politische Partizipation einzutreten. Bedeutete jede emanzipatorische Bestrebung doch nicht weniger, als die „Schöpfungsordnung“ zu bestreiten, die „weibliche Bestimmung“ zu verraten und damit alle soziale Achtung einzubüßen und den Hohn der Mehrheit auf sich zu ziehen. Die meisten bürgerlichen Frauen hatten diesen Mut ebenso wenig wie Auguste Victoria. Dabei waren sie in den Großstadthaushalten in ihrer Rolle als Gattinnen und Mütter längst nicht mehr ausgefüllt. Für sie wurde die ehrenamtliche Mitarbeit in der Evangelischen Frauenhilfe die Brücke, die ihnen mehr Eigenständigkeit und Welterfahrung ermöglichte, ohne deswegen als „unweiblich“ gelten zu müssen. Schnell zeigten sich ihre Fähigkeiten, sich selbst zu organisieren, Ämter wahrzunehmen, geistliches Leben selbständig zu gestalten. So emanzipierten sie sich im „Dienst am Evangelium“. Mit ihrem beträchtlichen Potential beunruhigten sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Kirchenmänner. Von diesen wurden sie wiederholt ermahnt, sich von der politischen Frauenbewegung fernzuhalten. Zu der blieben sie auch auf Distanz. Trotzdem haben sie der Teilhabe von Frauen in der Kirche den Weg gebahnt. Sie waren die ersten, die in reiner Frauengemeinschaft die Bibel auslegten – sicher noch weit entfernt von feministischer Deutung. Mit ihren Organisationsformen begann der Weg von Frauen in kirchliche Leitungsämter. Kaiserin Auguste Victoria hat diesen emanzipatorischen Schub gewiss nicht beabsichtigt, als sie sich an die Spitze der Ev. Frauenhilfe stellte. Aber als makellose Identifikationsfigur hat sie tatsächlich einen Raum geschaffen, in dem Frauen risikofrei ihre Potentiale entfalten durften. Kein Ehemann und kein Pfarrer konnten Einwände gegen ein Engagement erheben, dem die Kaiserin vorstand.
Kaiserin Auguste Victoria war insbesondere für die kirchlich gebundenen, bürgerlichen Frauen ihrer Zeit eine wahre „Schirmherrin“: Unter ihrem Schirm haben sie in der Ev. Frauenhilfe viele Schritte in mehr Eigenständigkeit und kirchliche Verantwortung getan. Zugleich hat das Vorbild der Kaiserin sie in einem rein dienenden Selbstverständnis festgehalten und damit auch in einem gewissen Selbstbetrug, der die Eigeninteressen der Fürsorglichkeit und die Machtaspekte der Mütterlichkeit unterschätzte. Vor allem Auguste Victoria selbst dürfte diesem Selbstbetrug zeitlebens aufgesessen sein. Im Verzicht auf politische und kulturelle Wissbegier hat sie es sich deutlich leichter gemacht als ihre beiden kaiserlichen Vorgängerinnen. Ihr sehr begrenzter Horizont, gepaart mit „fürsorglicher“ Selbstgewissheit, hat verhängnisvoll gewirkt, als sie sich im Krieg in politische Angelegenheiten einzumischen begann. Für ihre Irrtümer musste sie bitter bezahlen: Sie konnte weder den Kaiser noch das Glück ihrer Kinder schützen. Am Ende ist sie eine tragische Gestalt und ein großes Beispiel dafür, wie problematisch es war, Frauen die freie Entwicklung zu versagen und sie auf die dienende Mutterrolle festzulegen.