Ave von Schönfeld

Dem Kloster entflohen
Dem Kloster entflohen Sylvia Weigelt
Lebensdaten
von um 1500 - bis 1541
Beziehungen

Ave (Eva, Eve) von Schönfeld gehörte, gemeinsam mit Katharina von Bora, zu den zwölf Nonnen, die in der Nacht vom Ostersamstag auf Ostersonntag 1523 aus dem Kloster Mariathron in Nimbschen flohen. Diese Flucht war eine unmittelbare, konsequente Folge der lutherischen Kritik am Klosterleben. Den Fluchtplan befördert haben sicher auch die 1522 veröffentlichten „Wittenberger Beschlüsse“, die es jedermann freistellten, ein Kloster zu verlassen.

Wir wissen nicht, auf welche Weise die Nonnen in Nimbschen von Luthers Schriften bzw. Argumenten erfuhren. Doch nachdem sie einmal davon Kenntnis hatten, wollten sie ihren Glauben nicht mehr hinter verschlossenen Mauern leben, sondern, wie es Luther gelehrt hatte, ein selbst bestimmtes und tätiges Leben in der Welt führen. Eine Option ihres Frauseins hatte ihnen Luther eröffnet, als er schrieb: „Wäre es nicht besser, wenn sie (die Nonne) schon etwas ungern und mit Unlust tun soll, sie wäre ehelich und täte solche Mühe und Unlust im ehelichen Stand äußerlich gegenüber den Menschen, wie ihrem Mann, Kind, Gesinde, Nachbarn usw.?“ (Ursache und Verantwortung, dass Jungfrauen Klöster mit göttlichem Willen verlassen dürfen, 1523) Nachdem die Reformation in weiten Landesteilen, vorrangig Mitteldeutschland, Fuß gefasst hatte, waren die Nonnen in Nimbschen, die das Klosterleben hinter sich lassen wollten, mutig geworden. Doch weil sie von Seiten ihrer Familien keine Hilfe erwarten konnten, wandten sie sich persönlich an Luther in Wittenberg, der ihre Flucht durch den Torgauer Händler Leonhard Koppe organisierte.

„Ich habe gestern neun Nonnen bei mir aufgenommen, die ihrer Gefangenschaft entlaufen sind“, schrieb Luther am 8. April 1523 an Wenzeslaus Linck. Drei der zwölf Geflüchteten, Gertraud von Schellenberg, Else von Gaud(el)itz und eine unbekannten Namens, waren bei ihren Verwandten untergekommen, die übrigen neun hatte Koppe nach einer Rast in Torgau zu Luther ins Schwarze Kloster nach Wittenberg gebracht, unter ihnen Ave von Schönfeld und ihre Schwester Margarethe.

Die Schwestern waren spätestens 1515 ins Kloster Nimbschen eingetreten, wie die Spende von 3 Schock und 20 Groschen am 7. Mai durch die Eltern an das Kloster nahelegt. Die Schönfelds (auch Schönfeldt) gehörten zu den alteingesessenen sächsisch-meißnischen Adelsgeschlechtern. Ihr Vater Georg war ein Freund Luthers, der ihn als solchen 1504 und 1520 namentlich erwähnt. Dennoch konnten die Schwestern nach geglückter Flucht nicht zu ihrer Familie zurückkehren, wollten sie ihr Leben und das ihrer Angehörigen nicht gefährden. Denn die Schönfelds waren Ministerialen Georgs von Sachsen, ihr gleichnamiges Schloss mit den Gütern Löbnitz und Kleinwölkau bei Delitzsch lag also im katholischen Gebiet, wo Klosterflucht und Beihilfe zur Flucht mit dem Tode bestraft wurden. Herzog Georg hatte in ähnlichen Fällen schon entsprechende Urteile vollstrecken lassen.

Ave und ihrer Schwester blieb also nur der Weg ins ernestinische Sachsen des Kurfürsten Friedrich III., der auf die Beschwerde der Äbtissin aus Nimbschen souverän geantwortet hatte: „Nachdem Wir nicht wissen, wie es um die Sache steht und was die Klosterjungfrauen zu solchem Vorhaben veranlasst hat … so lassen Wir es bei der Verantwortung dafür bei den Jungfrauen selbst bleiben.“ (zitiert nach Martin Treu: Katharina von Bora, 1996, S. 19). Welche Perspektiven aber hatten entlaufene Nonnen? Weil sie zumeist eine solide Bildung besaßen, fand manche eine Anstellung in einem privaten Haushalt oder als Schulmeisterin an einer der seit den 1520er Jahren gegründeten städtischen Mädchenschulen. Für die meisten von ihnen aber bot allein eine Heirat die Sicherheit lebenslanger Versorgung. Doch so einfach war es nicht, die Frauen unter die Haube zu bringen, auch wenn sie, wie Amsdorf an Spalatin schrieb, „schön, fein und alle vom Adel“ waren.

Ave und Margarete Schönfeld fanden wohl zuerst im Hause des Malers Lukas Cranach d. Ä. eine Bleibe, in dem Luther ständiger Gast war. Auch wenn über seine Kontakte zu Ave von Schönfeld nichts Genaueres überliefert ist, verbreitete sich in dem provinziellen Wittenberg das Gerücht, Luther werde demnächst heiraten. Luther reagierte prompt: „Bei der Gesinnung, die ich gehabt habe und noch habe, wird es nicht geschehen, dass ich heirate. Nicht dass ich mein Fleisch und Geschlecht nicht spüre – ich bin weder Holz noch Stein – aber mein Sinn steht der Ehe fern, da ich täglich den Tod und die verdiente Strafe für einen Ketzer erwarte“ (am 1. November 1523 an Spalatin). In einem späteren Brief (16. April 1525) bekennt er, er habe „drei Frauen zugleich gehabt und so sehr geliebt“, dass er bereits zwei verloren habe. Die „drei Frauen“ werden bisweilen als Allegorie auf die drei Mönchsgelübde Armut, Gehorsam und Keuschheit interpretiert: Die mönchische Armut und den Gehorsam hatte Luther schon verloren, die Keuschheit drohte er offenbar zu verlieren. Sehen wir jedoch in den drei Frauen reale Personen, dann könnte sich hinter der ersten Ave Alemann aus einer bekannten Magdeburger Ratsherrenfamilie verbergen, die Luther einmal scherzhaft die ihm „früher versprochene Braut“ nennt. Die zweite Frau könnte Ave von Schönfeld sein, die dritte Katharina von Bora. Dass er in Ave sogar verliebt war, lässt seine Äußerung während eines Tischgesprächs 1537 vermuten: „Wenn ich vor 14 Jahren hätte heiraten wollen, hätte ich Ave von Schönfeld genommen. Meine Käthe hatte ich damals nicht lieb“. Doch als er Ave 1523 kennenlernte, war er noch nicht bereit für eine Ehe. So heiratete sie nach einem Jahr vergeblichen Wartens auf Luther Ende 1524 Basilius Axt, einen Mann aus dessen engerem Umfeld. Ihre Schwester Margarethe heiratete einen Edelmann von Garssenbüttel aus dem Braunschweigischen. Doch Luther, obgleich er seine spätere Ehe mit Katharina als „herrlich geglückt“ sah, verlor Ave von Schönfeld, solange sie lebte, nicht aus den Augen.

Aves Ehemann, Basilius Axt (1486-1558), hatte in Frankfurt/Oder und an der Universität Wittenberg Medizin studiert, wo er 1521 als Baccalaureus der Medizin aufgenommen wurde. Weil er kein Vermögen besaß, arbeitete er zunächst als Apotheker bei Lucas Cranach d. Ä., wo er und Ave sich wahrscheinlich kennenlernten. Nach Abschluss seines Studiums bemühten sich sowohl Melanchthon als auch Luther mehrfach um eine Anstellung für ihn. In einem seiner Bittbriefe an Kurfürst Johann begründet Luther, weshalb Axt noch immer keine Anstellung als Arzt fand: „Denn er hat der Nonnen eine, deshalb darf er sich nicht für Adel und Tyrannen in fremde Fürstentümer begeben, und (ist) doch zumal fromm, treu, gelehrt und wohlgehalten bei unseren Ärzten, dass er wohl würdig wäre,“ dass „ihn Gott mit einem Dienst bewirte“ (am 3. Januar 1526 an Kurfürst Johann). Erst 1525 fand Axt auf Luthers Empfehlung eine Anstellung als Arztapotheker beim Torgauer Rat. 1527 zum Doktor der Medizin promoviert, überwarf er sich mit dem Rat und musste 1528 aus dem Amt scheiden. Auch Luthers Intervention für seinen Schützling half da nicht.

Nach einem Intermezzo in Gotha fand Axt im August 1531 schließlich die Stellung, die seiner Familie den angemessenen Lebensunterhalt sicherte. Er wurde Leibarzt Herzogs Albrecht I. von Preußen in Königsberg. Albrecht war der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen und hatte 1525 unter dem Eindruck der lutherischen Reformation das Ordensland in ein weltliches Herzogtum evangelischer Prägung umgewandelt. Luther, auf dessen Wort der Herzog großes Gewicht legte, war es auch, der ihm Basilius Axt empfohlen hatte: „E.F.G. werden an ihm haben einen feinen, treuen, fleißigen Mann und guten gelehrten, erfahrenen Arzt und sein Weib, ein teuer, frommes Weib …“. Albrecht muss mit Luthers Empfehlung sehr zufrieden gewesen sein. Er unterstützte den Umzug der Familie Axt nach Königsberg und finanzierte Basilius hier die Einrichtung eines chemischen Laboratoriums. Auch auf den zahlreichen Reisen war Axt dem Herzog ein zuverlässiger Begleiter.

Als Gemahlin des Leibarztes gehörte Ave vermutlich zu dem Kreis auserwählter Personen, die in engerem Kontakt zum herzoglichen Haus standen, zumal Albrechts Gemahlin, Dorothea von Dänemark (*1504), und sie etwa gleich alt waren. Die Herzogin galt als besonders wohltätig und förderte insbesondere die Reformation in Preußen. Engen Kontakt pflegte sie zu den führenden Köpfen der evangelischen Kirche.

Aus der Ehe Aves mit Basilius Axt sind drei Söhne, unter ihnen der Mediziner Theobald Axt, der noch in Wittenberg geboren wurde, und eine Tochter bekannt. Sie heiratete 1544 den litauischen Adligen und Theologen Rapagelanus. Nachdem Ave 1541 gestorben war, heiratete Basilius ein zweites Mal. Diese uns unbekannte Frau verstarb jedoch schon 1547, im selben Jahr wie Herzogin Dorothea. Axt lebte noch bis zu seinem Tode 1558 in Königsberg und wurde in der Kirche zu Löbenicht beigesetzt. Wo seine erste Gemahlin Ave Schönfeld ihre letzte Ruhe fand, ist unbekannt.

Der Kontakt Luthers zu Ave von Schönfeld begrenzte sich nicht darauf, ihrem Gemahl zu einer Anstellung und damit auch ihr zu einem entsprechenden Lebensstandard zu verhelfen. Als Aves Bruder Ernst ihr im Frühjahr 1540 den Anteil am elterlichen Erbe mit der Begründung verweigerte, sie als ehemalige Nonne sei nach päpstlichem Recht nicht erbberechtigt, weil die Familie schon für ihre Aufnahme ins Kloster eine hohe Summe gezahlt hatte, konnte sie auf die Unterstützung ihres einstigen Verehrers zählen. Nachdem Herzog Albrecht I. sich per Brief an Luther gewandt hatte und ihn „für die gute Frau Doktor Basilien Axt“ um Hilfe in dieser Angelegenheit bat, schrieb Luther am 26. Mai 1540 an Kurfürst Johann Friedrich I., er möge sich bei dem für Schönfeld zuständigen Landesherrn Heinrich von Sachsen dafür verwenden, dass der Frau des Dr. Basilius Axt ihr Erbe nicht vorenthalten werde. Der Kurfürst solle doch sehen, ob er Herzog Heinrich nicht dahin bringen könne, dem päpstlichen Recht zu widersprechen. Damit könne er „unschuldig zum Nonnendasein verführte Weibsbilder“ rächen. Alles andere sei eine große Schande für das Evangelium und stärke nur das Klosterwesen. Zum Lob Aves fügte er hinzu: „Sie war eine der ersten Nonnen (die aus dem Kloster floh) und ist nun eine ehrliche verheiratete Frau, so dass ich denke, Ernst von Schönfeld ist nicht wert, Bruder einer solchen Schwester zu sein, mit der er sich vor der Welt weiß Gott mit Vernunft nicht schämen muss“ (am 26. Mai 1540 an Johann Friedrich I.).

Wir wissen nicht, wie der Erbstreit ausging, der möglicherweise mit Aves Tod 1541 endete. Luther aber hielt trotz seiner heftigen Kritik an ihrem Bruder weiter Kontakt zu ihrem Bruder Ernst, bei dem er mehrfach zu Gast war. Dass der ihn nach dieser Zurechtweisung nicht so gut bewirtete, wie andere (Luther am 28. Juli 1544 an Käthe) verwundert bei dem engagierten Einsatz für dessen Schwester Ave nicht.

Wirkungsbereich

Bei den wenigen Nachrichten, die über Aves Leben bekannt sind, kann über ihren Wirkungsbereich kaum etwas mit Bestimmtheit ausgesagt werden.

Sie lebte zunächst gemeinsam mit ihrer Schwester und wohl auch Katharina von Bora im Hause Lucas Cranachs d. Ä. Ob sie, wie Katharina, auch an Veranstaltungen der Studenten Wittenbergs oder im städtischen Umfeld teilnahm, ist nicht bekannt. Ihr Name begegnet vor ihrer Heirat mit Basilius Axt nur im Kontext ihres Aufenthaltes im Hause Cranach und als Favoritin Luthers. Es bleibt zu vermuten, dass sie sich – nachdem sie einmal den mutigen Schritt aus dem Kloster gewagt hatte –  ganz von ihrer traditionell bestimmten Rolle als Frau leiten ließ, die auch im reformatorischen Sinne für sie in einem gottgefälligen Dasein als fürsorgende Ehefrau und Mutter bestand. Dass sie diesem Ideal jederzeit gerecht wurde, bezeugen die erhaltenen Hinweise (siehe oben) aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld.

Reformatorische Impulse

Allein durch Aves mutige Flucht aus dem Kloster konnte sie anderen ein Beispiel geben. Zugleich ist diese Flucht als sichtlicher Erfolg für die reformatorische Agitation gegen das Klosterleben zu werten. Gleichermaßen steht Ave mit ihrem offenbar vorbildlichen Leben als Ehefrau und Mutter als Beispiel für die von den Reformatoren postulierte Bestimmung der Frau: „Das Weib ist geschaffen dem Mann zu einem geselligen Helfer in allen Dingen, besonders, Kinder zu bringen“, wie es Luther u. a. im Sermon vom ehelichen Stande formuliert hatte. Diese Rolle füllte Ave so aus, dass sie dafür Lob und Anerkennung durch ihr öffentliches Umfeld erfuhr.

Kommentar

Aves Lebensweg steht als Beispiel dafür, dass selbst in Zeiten, als das Schicksal eines Mädchens noch ausschließlich von ihren Vätern oder Brüdern bestimmt wurde, eine junge Frau durchaus auch eigene Entscheidungen treffen konnte. Allerdings mussten dafür bestimmte Umstände gegeben sein. In Aves Fall war es der reformatorische Aufbruch, der den Nonnen, die ihr Leben nicht hinter Klostermauern verbringen wollten, eine völlig neue, bisher nicht dagewesene Perspektive eröffnete. Doch ohne den Mut, die sicheren Mauern zu verlassen und sich auf den gefahrvollen Weg in die Welt, in die Freiheit zu begeben, wäre Aves Schicksal nur eines von ungezählten anderen, hinter Klostermauern verwahrten Frauen geblieben. Aber weil sie entschlossen genug war, selbst über ihr Leben zu entscheiden – und dabei offensichtlich auf andere, gleichgesinnte Mädchen und Frauen im Kloster Nimbschen traf – kennen wir heute ihren Namen. Dass sie nicht nur im reformatorischen Umfeld Wittenbergs, sondern sogar in Luthers privaten Erinnerungen begegnet, hebt sie zudem aus der Reihe der Frauen um Luther heraus, auch wenn wir nur Weniges über sie wissen.