Beata Sturm wurde am 17. Dezember 1682 geboren und stammte aus der Oberschicht: Ihr Vater Johann Heinrich Sturm war Oberjustizrat und „Konsulent“, d.h. Rechtsberater, der württembergischen Landstände. Ihre Mutter Brigitta Beata Sturm geb. Zeller stammte aus einem prominenten württembergischen Pfarrhaus. Der Großvater von Beata Sturm mütterlicherseits, Christoph Zeller, war Oberhofprediger und Konsistorialrat. Gute Voraussetzungen, auch als Frau voran zu kommen, waren Beata Sturm sozusagen in die Wiege gelegt.
Doch 1693 starb Beata Sturms Mutter und der Vater geriet im gleichen Jahr in eine mehrjährige französische Gefangenschaft. Vorübergehend lebte Beata Sturm deshalb bei ihrem jüngeren Bruder, später ebenfalls vorübergehend bei einem Freund ihres Vaters in Blaubeuren.
Vom 9. Lebensjahr an hatte Beata Sturm ein Augenleiden und wurde mehrfach operiert. Ihre Sehkraft war begrenzt, ihr Gesichtsausdruck entstellt. Anfechtungen und Selbsttötungsabsichten stellten sich ein. Der christliche Glaube half ihr dabei, ihre schwierige Lebenssituation zu bewältigen.
Beata Sturm hat nicht geheiratet und die Ehe auch gar nicht angestrebt. Mehrfach hat sie sich, wie Frauen (und Männer) der christlichen Mystik, mit Jesus „verlobt“, ihm schriftlich (!) ihre Treue versichert. Dieser religiöse Beziehungskontext war der für ihr Leben entscheidende.
Von 1713 bis zu ihrem Tod am 11. Januar 1730 lebte sie bei ihrem älteren Bruder, dem Expeditionsrat Johann Heinrich Sturm, einem Juristen, der wie ihr Vater für die Landstände arbeitete. Ihr Milieu war also weiterhin die Oberschicht. Aber immer wichtiger wurden für sie die Beziehungen zu Pietisten aller sozialer Milieus, mit denen sie Umgang pflegte.
Es gibt nur ein einziges Bild von Beata Sturm, geschaffen erst nach ihrem Tod von einem Stuttgarter Maler. Das Bild von Beata Sturm wurde entnommen aus: Georg Konrad Rieger: Die Würtembergische TABEA, Oder Das Merckwürdige äussere und innere Leben und seelige Sterben Der Weyland Gottseeligen Jungfrauen, BEATA Sturmin. 3. Aufl., Stuttgart : Metzler u. Erhardt, 1737, Titelkupfer. – Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, W. G. oct. 2386. Reprovorlage: Privatarchiv Martin H. Jung.
Beata Sturm war in einem pietistischen Milieu groß geworden und hatte in ihrem Elternhaus, durch einen Privatlehrer, der eigentlich für die Söhne angestellt worden war, eine gewisse Bildung genossen.
Mit ihrem von ihren Eltern ererbten Vermögen unterstützte Beata Sturm Witwen, Waisen, Arme und Kranke in Stuttgart und betreute sie auch seelsorgerlich. Dafür setzte sie ihr ganzes Vermögen ein und lebte, kleidete und ernährte sich selbst ärmlich. Einladungen zu Gastmählern schlug sie immer aus. Das erinnerte an die Jüngerin Jesu aus Joppe, Tabea/Tabita (Apg 9,36). Deshalb wurde Beata Sturm schon zu Lebzeiten von württembergischen Pietisten die „württembergische Tabea“ gerufen.
Beata Sturm war eine unermüdliche Beterin. Sie betete privat und öffentlich, laut und leise, tags und nachts. Sie vertraute ganz auf die Kraft des Gebets und war sich sicher, Gott durch ihr Beten bewegen zu können. Sie konnte aus Gott etwas „herausbetteln“, so sahen es ihre Freunde. Zahlreiche Gebetserhörungen wurden ihr zugeschrieben. Beata Sturm betete mit Gedanken und Worten und setzte dabei auch Hände und Füße ein.
Persönlichen und brieflichen Kontakt pflegte Beata Sturm mit zahlreichen württembergischen Theologen, mit Pfarrern wie Universitätsprofessoren. Auch sie schätzten sie als Gesprächspartnerin und Seelsorgerin.
In ihren letzten Lebensmonaten versuchte sich Beata Sturm als Bibelauslegerin. Sie hatte sich die Auslegung des Matthäusevangeliums vorgenommen. Sie gelangte aber nur noch bis Mt 12.
Beata Sturm war eine intensive Bibelleserin. Etwa dreißig Mal hat sie in ihrem Leben die Bibel ganz durchgelesen. Diese Bibelbegeisterung verdankte sie den Impulsen aus der Reformation, die ihr durch den Pietismus vermittelt worden waren. Ferner hat sie Schriften Luthers gelesen. Mit Luther sagte sie jedoch, die Christinnen und Christen sollten nicht zu viele Bücher, sondern vor allem die Bibel lesen.
Aufmerksam nahm sie an Gottesdiensten teil und konnte sich die Predigten merken, sie anschließend nacherzählen. Diese Wertschätzung der Predigt als aktualisiertes Gotteswort war ebenfalls typisch evangelisch, typisch reformatorisch. Auch dies war Beata Sturm durch den Pietismus vermittelt worden.
Beata Sturms Lebensweg kann man ferner als ein Beispiel dafür ansehen, wie das von Luther propagierte allgemeine Priestertum in einer Frau konkret werden konnte. Auf der Grundlage der Bibel und im Bewusstsein einer ihr schon durch die Taufe geschenkten Gottunmittelbarkeit konnte sich Beata Sturm religiös profilieren und engagieren in einer Weise, die Standesgrenzen und Bildungsschranken überwandt.
Durch ihr Lebensbeispiel gab Beata Sturm die reformatorischen Impulse, die an und in ihr selbst Gestalt gewonnen hatten, an ihre Mitchristen und Mitchristinnen sowie ihre Nachwelt weiter. Bis ins 19. Jahrhundert hinein kannte und schätzte man sie und las ihre Lebensbeschreibung, die nach ihrem Tod von einem mit ihr befreundeten Pfarrer, Georg Konrad Rieger, verfasst worden war und mehrere Auflagen erlebte.
Beata Sturm ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass im 18. Jahrhundert eine einfache, zudem körperlich behinderte Frau im Kontext der pietistischen Bewegung eine große Wirkung erzielen konnte. Sie wurde im 18. Jahrhundert von den württembergischen Pietisten beinahe wie eine Heilige verehrt. Sie illustriert das Jesus-Wort: Selig sind, die da geistlich arm sind (Mt 5,3). Trotz zahlreich erhaltener Quellen haben sich die Kirchengeschichts- und die Frauenforschung mit dieser hoch interessanten Gestalt erstaunlicherweise bislang nicht näher beschäftigt. Es existiert keine moderne Biografie.