Benigna von Solms-Laubach (vgl. grundlegend Jaworski 2010: 79) entstammte einer alten böhmischen Familie, deren Stammreihe bereits um 1400 mit Georg von Podiebrads (1420-1471), König von Böhmen beginnt (vgl. Jaworski 2007: 151), um mit Erdmuthe Dorothea von Zinzendorf (1700-1756) (vgl. Geiger 2009) symbolisch abschließen, die die Ehefrau von Nikolaus Ludwig Zinzendorf war. Unter den Familienzweigen des Stammbaumes lassen sich auch Fragmente wiederherstellen, die die Schlesischen Piasten betreffen, mit denen die Familie von Promnitz aus Sorau verwandt war.
Benigna stammt aus der zweiten Ehe des Grafen Siegmund Seyfried von Promnitz (1595-1654). Ihre Mutter war Katharina Elizabeth von Schönburg (1625-1656). Benigna wurde am 24. März 1648 in Sorau geboren, starb am 2. November 1702 in Laubach.
Ihr Talent und Persönlichkeit erbte sie von ihrem Vater. Sie repräsentierte aber eine andere Generation, die sich stärker dem religiösen Leben hinwendete. Schon in ihrer Jugend zeigte sie Interesse an den Reformationsbewegungen ihrer Zeit. Doch erst zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens wurde die Frage nach der religiösen Ausgestaltung ihres Lebens zu einer existentiellen, als der Pietismus zur leitenden theologischen Strömung an den Höfen der Familie von Promnitz avancierte. Benigna wurde „Magd Jesu Christi“ genannt (Spangenberg 1772: 15).
Die hier überhaupt nicht zufällig erwähnte Benigna war nicht nur eine religiöse Schriftstellerin (vgl. Von einer gräflichen Mutter an ihre Tochter gerichtet, 1694) sondern auch Förderin des Pietismus auf ihren Gütern und im Familienkreis. Ihr Vater, Siegmund Seyfried, der in der für Europa schwierigsten Zeit die höchsten Auszeichnungen im Reich erlangte, machte die Stadt Sorau zur Hauptstadt der Standesherrschaft Sorau-Pleß und der Niederlausitz (vgl. Kurowska 20011: 85). Die Jahre 1697-1726 waren gekennzeichnet von einer großen Machtfülle der Familie. So besaß die Familie während dieser Zeit auch weitere Güterkomplexe in Schlesien (seit 1548) mit Plesse, Nicolai, Myslowitz und Berun und mit 96 Dörfern und 21 Vorwerken (vgl. Polak 1996: 18).
1622 übernahm der Vater die Herrschaft in der Standesherrschaft Sorau-Triebel und zwar in der schwierigen und dramatischen Zeit des Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Die kirchlichen Angelegenheiten bedurften der raschen Regelung, weil in Folge der Gegenreformation großes Chaos auf diesem Gebiet zu herrschen drohte (vgl. Jaworski 2009: 191-208). So wie schon sein Großvater und sein Vater war Siegmund mit der Regelung der kirchlichen Angelegenheiten in seinem Herrschaftsgebiet befasst und modernisierte im Jahr 1634 das Konsistorium (vgl. Magno 1710: 189). Ihm waren nicht nur die Geistlichen aus Dominium Sorau-Triebel, sondern auch aus Naumburg untergeordnet. Auf der Synode, die im Jahr 1652 berufen wurde, schlug er die Einführung der Kirchenordnung nach dem sächsischen Vorbild vor, was zur besseren Integration von Politik und Religion beitragen sollte. Jeder Geistliche hatte die Pflicht einmal im Jahr eine allgemeine Programmpredigt zu halten, deren eifrigster Zuhörer – aus verständlichen Gründen – immer der Graf war. Siegmund sorgte aber auch für angemessene Gehälter der Geistlichen, d. h. dafür, dass sie den ihnen zustehenden Zehnten bekamen, der für den Unterhalt ihrer Ehefrauen und Kinder unentbehrlich war.
Benigna heiratete am 20. Januar 1667 in Altenburg Johann Friedrich Solms-Wildenfels. Er stammte aus dem Geschlecht von Solms-Laubach (1625-1696). Diese Ehe gab Benigna die Möglichkeit, in die Salons der wichtigsten deutschen Adelshäuser Eingang zu finden (vgl. Jaworski 2009: 442). Die sächsische Ortschaft Wildenfels war ärmlich und schwer gebeutelt durch den Dreißigjährigen Krieg. In dieser Region nicht weit von Zwickau waren die Schäden des Krieges noch deutlich zu spüren, so dem Ehepaar nur ein bescheidenes monatliches Auskommen zur Verfügung stand. Trotz der Armut und der Furcht, die der langjährige Krieg auslöste, brachte Benigna in Wildenfels in der Zeit 1668 bis 1675 sieben Kinder zur Welt:
Ihre Rolle als Mutter und später als Großmutter füllte Benigna liebevoll aus. Die Selbstverwirklichung in der Rolle der Mutter und Großmutter war nur ein Teil der Aufgabe, die sich Benigna gestellt hat. Für sie war ebenso wichtig, dass diese Aufgaben auf entsprechendem Niveau durchgeführt werden. Aus diesem Grund sollte den Kindern die bestmögliche Ausbildung ermöglicht werden. Deshalb arbeitete das Ehepaar seit 1607 in Sachen der Verwaltung und der Erziehung eng mit dem bekannten Theologen Philip Jacob Spener (1635-1705) (vgl. Albrecht-Birkner 2005), der ihnen Privatlehrer, Staatstheoretiker und Verwalter in einer Person war und von Veit Ludwig Seckendorff (1626-1692), auf dessen Gütern in Meuselwitz die Söhne von Benigna ihre Ausbildung bekamen, empfohlen wurde. Diese Kontaktaufnahme bestätigt ein Briefwechsel aus den Jahren 1677-1689 mit Spener und ein anderer mit Seckendorff aus den Jahren 1683-1692, die erhalten geblieben sind. Spener nennt Benigna „eine Zierde der Kirche und eine der vornehmsten Personen, welche ihn mit ihrem Exempel ermuntert haben“ (Spangenberg 1772: 15). Er lobte Benigna für ihre fromme Kindererziehung.
Zu den für Benigna wichtigen Kontakten gehörte die Freundschaft mit Johanna Eleonora Petersen, geborene von Merlau (1644-1724) (vgl. Albrecht 2005: 45-46). Sie war eine theologische Schriftstellerin und eine der Führungsgestalten des radikalen Pietismus. Seit 1680 war sie mit Johann Wilhelm Petersen (1649-1727) verheiratet, der ein deutscher Theologe, Mystiker und Chiliast war. Durch den erwähnten P. J. Spener gewann er Zugang zum Pietismus. Beide waren seit 1675 befreundet. Benigna engagierte sich persönlich in die Durchführung dieser geistigen und wirtschaftlichen Maßnahmen. Es soll nicht vergessen werden, dass sie bereits in Wildenfels eine große Rolle in der Erziehung der Kinder und in dem Unterhalt des Hofes spielte. Ähnlich war in Laubach, gekauft für 8.000 Taler. In Sommer 1680 war in Böhmen ein Pest und deswegen zog die Familie nach Laubach (nach dem Aussterben der Linie Solms-Laubach im Jahr 1677) (Mathias, 1996:88). Laubach wurde ein Mittelpunkt, von dem verschiedene Linien ausgehen, die zur Säkularisation der laubachischen Frömmigkeit führten und von da weiter wirkten. Und Benigna stand am Anfang dieser Veränderung (vgl. Erbe 1975: 503).
Als Friedrich Ernst Solms-Laubach 1696 nach dem Tod seines Vaters die Verwaltung über das Gut übernahm, war Benigna, damals schon eine 48-jährige Witwe, diejenige, die ihm das gräfliche Haus führte und die Interessenten stellvertretend während seiner Abwesenheit wahrte. Es war auch aus diesem Grund notwendig, weil der damals 25-jährige Anwalt und seit 1697 einer der zwei protestantischen Präsidenten des Berufungsgericht ledig war. In dieser Zeit erlebt der radikale Pietismus seine Blütezeit, was die Oberhäupter der Fürstentümer und Staaten vor schwierigen Aufgaben stellte, weil diese Situation zum offenen Streit mit der lutherischen Orthodoxie führte. Die Mutter und ihr Sohn überstanden diese Zeit dank der ihnen gegebenen Toleranz, Offenheit und Konsequenz in der Erhaltung der öffentlichen Ordnung und der aktiven, gesellschaftlich-wirtschaftlichen Tätigkeit. Ernst heiratete erst nach 1709, also nach dem Tod von Benigna. Seine neue Frau wurde Gräfin Frederika Charlotte von Stolberg-Gedern.
Persönlich war Benigna keine religiös-radikale Person, obwohl sie in ihrer Kindheit die Folgen der konfessionellen Kämpfe zu spüren bekam. Dies ist deutlich in der Haltung ihres älteren Bruders zu sehen, der einige Zeit in das katholische Polen emigrieren musste. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1643 begann er in der calvinistisch geprägten Schweiz zu studieren. Auf die gleiche Art und Weise konnten die Geschehnisse Benigna und ihre Geschwister beeinflussen. Ihr älterer Bruder studierte lange Zeit in Genf, wo er sich mit Mathematik auseinandersetzte und gleichzeitig seinen musikalischen Interessen nachging. Später begab er sich, was eine Tradition im Kreis der Magnaten war, auf eine Bildungsreise durch Italien, Frankreich und Niederlanden. In dieser Zeit bekannte sich (waren die den katholisch?? Ansonsten würde man nicht von einer Konversion sprechen) ein Teil seiner Familie zum radikalen Luthertum, zum Pietismus, wobei zu vermuten ist, dass dies nicht in allen Fällen aus freien Stücken geschah, Dies lässt sich aus der Reaktion des Grafen von Schönburg aus Lichtenstein schließen. Er ließ nach dem Erscheinen der Jesuiten in Sorau seine Enkelkinder zu sich holen und nach eigenem Wunsch und unter eigener Aufsicht erziehen. Von diesem Zeitpunkt ab gehörte Benigna – wie viele Forscher es betonen – zum Pietismus, jener innerkirchlichen Gemeinschaft innerhalb des Luthertums, die sich im 17. Jahrhundert herausbildete (vgl. Hoffmann 2009:101). Es ist aber herzuheben, dass die allgemeinen Voraussetzungen des Pietismus nicht nur deutsche Wurzeln hatten, was sehr oft in der Gegenstandsliteratur geschrieben wird, sondern ähnliche Ideen auch in Frankreich und England (Puritanismus) und Niederlanden (Labadisten) zu beobachten waren. Zugleich ist ebenfalls festzuhalten, dass die Religiosität Benignas auch bestimmte Tendenzen zum Ausdruck brachte, die sich besonders im schlesisch-lausitzischen Grenzgebieten finden lassen, wo die Traditionen der Hussiten und der Böhmischen Brüder zusammentrafen. Sie artikulierten sich in dem fromm organisierten Haushalt und in der sog. „Kirche in der Kirche“ (lat. ecclesiola in ecclesia), was durch die Wahl des Hofpredigers Johann Philipp Marquard (vgl. Jöcher 1754: 776) beschleunigt werden sollte. Er als Seelsorger kümmerte sich um die Erziehung und Ausbildung der Töchter Erdmuthe und Wilhelmine. Dieses Modell setzte auch Friedrich Ernst fort, der während seiner 52-jährgien Verwaltung über die Grafschaft in Solms alle ihm von seiner Mütter eingeprägten Werte und Denkweise ins Leben des Gutes einzuführen bestrebt war. Im Mittelpunkt stand das Prinzip des guten Herrschens und die Erziehung der Untertanen, was durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, Schulung der Beamten, Schulreform und die Organisierung der Anstalten für Arme erreicht werden sollte.
Benignas wichtigster reformatorischer Impuls erwächst aus ihrer Lebenspraxis: als fromme Mutter, Regentin und Kindererzieherin war sie nicht nur ihrem Sohn, sondern auch ihren Töchtern Vorbild. Der Stil Benignas fand nicht nur Anerkennung in den Augen ihrer eigenen Kinder, sonder auch Philip Jacob Speners, der die christliche Ausbildung der gräflichen Jugend rühmte. Dabei kam Benigna nicht nur ihre eigene gute Ausbildung zugute, sondern auch ihre eigenen hohen methodischen Kompetenzen. Alle Empfehlungen und Pflichten für ihre Kinder stützte sie auf den Text der Bibel. Dadurch unterstrich sie, dass das keine subjektiven gedachten Aufgaben sind, sondern eine obere geistige Pflicht. Es gelang ihr ein gutes Verhältnis zu Friedrich Ernst aufzubauen, mit dem sie nicht konkurrierte, sondern in ihm das dynastische Selbstbewusstsein der Macht festigte, die nur den Anordnungen von Gott unterlag. Es ging in diesem Verhältnis nicht nur um ein schlichtes Mutter-Sohn-Verhältnis, sondern um ein Mann-Frau-Verhältnis, was zum Ausdruck in der Verwendung der Anreden „Herr” und „Frau” kam. Sie war überzeugt, dass das ein freiwilliges Unterordnungsverhältnis war, das auf formale Absprachen basierte und gleichzeitig an die Gebote Gottes anknüpfte. Das entstandene Modell funktionierte nicht nur auf den Gütern von Benignas, sondern auf allen Gütern der Familie von Promnitz. Erst in der zweiten Hälfte des 17. J.ahrhunderts gab es Veränderungen, die die Rolle des Pietismus in der Familie von Promnitz und in der Stadt Sorau geschwächt haben. Aber bevor es dazu da gekommen ist, wurde der Pietismus zur dominierenden Strömung im schlesisch-lausitzischen Grenzgebiet. Wie bereits erwähnt, war unter den Töchtern von Benigna die Erdmuthe (1670-1732), die den Grafen Heinrich X. von Reuß-Plauen aus Ebersdorf (1662-1732) heiratete. Beide gestalteten ihre Residenz Ebersdorf in Thüringen zu einem pietistischen Hof um. Auch sie hatten viele Kinder. Sie brachte elf Kinder zur Welt, darunter war die Gräfin Erdmuthe Dorothea (1700-1750), die spätere Ehegattin von Nikolaus Ludwig Zinzendorf (1700-1760), der der pietistische Gründer von Herrnhut war. Eine Schlüsselfrage war die Inbesitznahme des Gutes Ebersdorf, welches wegen seiner Lage eine bedeutende Rolle in der Entwicklung des Pietismus in Oberlausitz erfüllte.
Gräfin zu Solms-Laubach Benigna war eine ehrwürdige Matrone des älteren Pietismus. Sie war die Großmutter der Ehefrau Zinzendorfs, Erdmuthe Benigna, die die Spenerschen Traditionen aus dem elterlichen Haus nach Ebersdorf verpflanzte. Der Pietismus hat seine Rolle erfüllt, obwohl er eine kurzzeitige Erscheinung war. Dank dieser Religiosität gelang es die Krise nach dem Dreißigjährigen Krieg zu bewältigen und aus der Familie von Promnitz eine der wichtigsten Adelsfamilien in Schlesien und in der Lausitz zu machen.