Elisabeth Haseloff

Wegbereiterin für das Amt der Pastorin
Wegbereiterin für das Amt der Pastorin Ruth Philippzik
Lebensdaten
von 1914 - bis 1974
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Copyright privat
Beziehungen

Elisabeth Haseloff wurde am 30. Juni 1914 als zweites Kind des Professors für Kunstgeschichte Dr. Arthur Haseloff und seiner Ehefrau, der Kunstmalerin Ada geb. Preyer, in Rom geboren. Getauft wurde sie in der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom. Das preußische historische Institut, an dem der Vater arbeitete, wurde im ersten Weltkrieg geschlossen. Die Familie musste Rom verlassen und lebte in den Kriegsjahren in den Universitätsstädten Halle und Berlin. 1920 erhält Prof. Haseloff einen Ruf an die Kieler Christian-Albrechts-Universität. Hier wirkte er bis zu seiner Emeritierung als ordentlicher Professor der Kunstgeschichte und als Direktor der Kieler Kunsthalle und des Schles­wig-Holsteinischen Kunstvereins. Im Hause ihrer Eltern lernte Elisabeth Haseloff Menschen aus den Kreisen der Wissenschaft und der Kunst kennen. Sie berichtete von einer sehr schönen Kindheit, die besonders ihre Mutter ihnen inmitten des lebendigen, von vielen Gästen bereicherten Hauswesens, bereitet hatte. Ein tiefer Einschnitt in die Jugendjahre bedeutete der Tod des geliebten jüngeren Bruders 1928. Sie schreibt: „ […] die zweimonatige Krankheitszeit, die tiefe Erschütterung der Eltern, die hoffnungslose Ohnmacht des eigenen Herzens im ersten wirklichen Leid, haben mich plötzlich gereift und gewandelt.“ Im gleichen Jahr kam sie in den Konfirmandenunterricht. „Das eigene tiefe Erleben und die Begegnung mit dem Wort Gottes wirkten so tief auf mein Leben, daß ich bereits 1929, noch 14jährig, erklärte, daß ich Theologie studieren wolle“.

1934 legte sie in Kiel ihr Abitur ab und gehörte damit zu dem Jahrgang, von dem ein besonderes „Hochschul-Reifezeugnis“ verlangt wurde. Sie erhielt es nach einer einjährigen Tätigkeit beim „Bund deutscher Mädel“ (BDM). Sie hatte in diesem Jahr nach dem Abitur auch Griechisch und Hebräisch gelernt und studierte ab 1935 in Tübingen, Erlangen und Kiel Theologie. Bereits 1935 tritt Elisabeth Haseloff der Bekennenden Kirche bei. Sie schrieb später: „Nach meinen Erfahrungen, die ich mit der antikirchlichen Einstellung der führenden Kreise im BDM machte, trat Ich 1935 in die Bekennende Kirche ein. In ihr, und vor allem in der Studentengemeinde habe ich zum erstenmal wirklich kirchliche Heimat gefunden“.

Später war sie unter den vor der Prüfung stehenden Studenten der Theologie die einzige Frau. Die Zulassung einer Theologin zum 1. Examen bedurfte der Genehmigung der „Theologischen Konferenz“ im Landeskirchenamt. Ihr Antrag wurde positiv entschieden. Im Oktober 1939 legte sie als erste Frau in der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche die 1. Theologische Prüfung ab.

Danach folgte das Lehrvikariat in Neumünster. Viele Pastoren waren eingezogen, sie beauftragte man mit der Krankenhaus-Seelsorge.

Anschließend wurde sie in eine Landgemeinde entsandt zu Pastor Treplin in Hademarschen, der auch zur Bekennenden Kirche gehörte. Sie schrieb: „Im dortigen Pastorat war wirklich ein Stück des 19. Jahrhunderts noch lebendig, gefüllt von einer unbedingten Hingabe an das geistliche Amt. Das Miterleben der Amtsführung meines Vikarsvaters hat mich tief beeinflußt und gefördert“. Die Kriegssituation nötigte auch Pastor Treplin in den Nachbargemeinden zu vertreten. Und so tat er das, was vom Landeskirchenamt nicht vorgesehen war, er ließ sich in seiner eigenen Gemeinde von Elisabeth Haseloff vertreten. Sie durfte predigen, obwohl sie ausdrücklich nur „Bibelstunden“ halten sollte.

Am 12. Mai 1941 legte sie ihr 2. Theologisches Examen ab. Diesmal ohne Sondergenehmigung, denn am 26. April 1941 erließ das Landeskirchenamt eine Prüfungsordnung, die auch den Frauen den Weg öffnete –aber nur in das Amt der Vikarin, nicht der Pastorin. Das Examen bestanden vier Personen. Die drei Männer werden danach sofort vom Bischof ordiniert, die Frau – Elisabeth Haseloff – nicht. Die Studienfreunde wurden nach kurzer Zeit zur Wehrmacht eingezogen.

Elisabeth Haseloff arbeitete inzwischen an ihrer Doktorarbeit. Das Thema: „Die Christologie der neutestamentlichen Abendmahlstexte“. Die Prüfung musste sie am 30. Juni 1943 in Münster ablegen. Die zuständigen Professoren in Kiel wurden zum Kriegsdienst eingezogen.

Wie unsicher die Stellung einer Theologin in der Kirche war, zeigte die Reaktion ihres Vaters. Sie rief ihn nach bestandenem Examen glücklich an und er sagte: „Kind, nun studierst du noch Pädagogik, dann kannst Du später ein staatliches Lehramt übernehmen“. Er rechnete nicht damit, dass Frauen in der Kirche ein volles Amt erhalten würden.

Sie war bereits als Studentin, bedingt durch die Lage der Kirche im 3. Reich, in einem besonderen Beziehungsgeflecht. Sie arbeitete aktiv in der evangelischen Studentengemeinde mit. Als 1937 der christliche Studentenbund verboten wurde, hat man sie beauftragt, mit dem Bruderrat der Bekennenden Kirche Wege zu finden, damit für Studenten der Universität noch Bibelstunden stattfinden können. Sie kam so in engem Kontakt nicht nur mit den Pastoren der Bekennenden Kirche, sondern auch mit der „Ev. Michaelsbruderschaft“, mit Menschen, die ihr von da an auf ihrem Lebensweg beratend und stärkend zur Seite standen.

Wirkungsbereich

Am 1. September 1941 kam Elisabeth Haseloff als Vikarin nach Rendsburg. Sofort nach ihrem Dienstantritt wurde der 3. Pfarrbezirk Büdelsdorf vakant. Sie setzte man dort zur Vertretung ein. Pastor Treplin, ihr Vikarsvater, ordinierte sie am 28. September 1941 im Auftrag des Bruderrates der Bekennenden Kirche, obwohl es dafür keine landeskirchliche Rechtsgrundlage gab. In der Ordinationspredigt sagte P. Treplin: „So ist diese Feier nicht nur für Euch ein bedeutsamer Augenblick, sondern für die ganze Schleswig-Holsteinische Landeskirche, weil heute zum ersten Mal eine Theologin für den kirchlichen Dienst eingesegnet wird“.

Nach einem Jahr war es nicht mehr Vertretung. Vikarin Haseloff wurde kommissarisch mit der Wahrnehmung der Pfarrstelle beauftragt.

Büdelsdorf ist ein Industrieort, geprägt durch die Carlshütte. Das kleine Bauerdorf Rickert gehört dazu. Es gab keine Kirche, nur ein Gemeindehaus, das später im Krieg Lazarett wurde. Erschwert wurde diese neue Aufgabe durch den Druck der Partei, die nicht nur sie, sondern auch die Konfirmanden-Eltern zum Verhör bestellte. Sie predigte, taufte, traute und beerdigte. Durch die regelmäßigen Gottesdienste, die Konfirmandenarbeit (zeitweise 200 Haupt- und 200 Vorkonfirmanden), die Verbindung mit den in vielen Häusern trauernden Angehörigen gefallener Soldaten, den Besuchen in Lazaretten und Krankenhäusern, wuchs der Aufgabenbereich, aber auch der Zusammenhalt in der immer größer werdenden Gemeinde. Ausgebombte und Flüchtlinge kamen. Die Einwohnerzahl erhöhte sich von 6000 auf 10000. Es gab keinen festen Raum mehr für die Gottesdienste. 1945 ist es der ehemalige Schießstand der SA und die Rasenfläche davor. Zum Weihnachtsgottesdienst räumte das Lazarett die Turnhalle für die Gemeinde.

Nach dem Krieg mussten fast alle Vikarinnen das Gemeindepfarramt wieder abgeben. Am 19.Januar  1945 erließ das Landeskirchenamt eine „Verordnung zur vorläufigen Regelung der Anstellung im Amt der Vikarin“. Darin stand: „Trauungen und Beerdigungen sind tunlichst nicht von den Vikarinnen vorzunehmen“ und „Die Vikarin hat das Recht, an den Sitzungen der kirchlichen Körperschaften mit beratender Stimme teilzunehmen, zur Leitung der Gemeinde ist sie nicht befugt“.

Die Schleswig-Holsteinischen Theologinnen beauftragten im September 1945 Elisabeth Haseloff sich mit einer „Stellungnahme der Vikarinnen zu dieser Verordnung“ an die Kirchenleitung zu wenden. Sie machten deutlich: ihre Arbeit und Verkündigung meint immer die Gesamtgemeinde. Sie reichten Arbeitsberichte von 4 Vikarinnen ein und baten um Visitation ihrer Gemeinden.

Der Büdelsdorfer Kirchenvorstand wehrte sich gegen die Ablösung ihrer Vikarin und fuhr zum Einspruch direkt zur Kirchenleitung. Elisabeth Haseloff konnte in der Gemeinde bleiben. Im Dezember 1945 wurde Büdelsdorf als selbständige Kirchengemeinde bestätigt. Der Kirchenvorstand übertrug ihr den Vorsitz des Kirchenvorstandes. Sie übernahm so die Leitung der Gemeinde, trotz der Verordnung vom 19. Januar 1945. Prof. Rendtorff hielt 1946 als Mitglied der Kirchenleitung die erste Visitation. Die für den Visitationsbericht erstellte Statistik illustrierte die schier uferlose Arbeit und machte das starke Wachsen der Gemeinde deutlich.

Elisabeth Haseloff hatte die große Gabe auf Menschen zuzugehen, ihnen die Übernahme von Auf-gaben in der Gemeinde zuzutrauen, sie zuzurüsten und sie in ihrem Selbstvertrauen zu stärken.

Sie selbst greift tatkräftig die Aufgaben der wachsenden, selbständig gewordenen Gemeinde an: Aufbau der Verwaltung mit Kirchenbüro, Einstellung einer Gemeindepädagogin für die wachsende Jugendarbeit, eigene Friedhofsverwaltung. Ab 1953 ist auch die 2. Pfarrstelle genehmigt und danach Bau eines 2. Pfarrhauses.

Viel Energie steckte dahinter, zumal ihr, als sie zum ersten Mal wegen der wachsenden Arbeit eine 2. Pfarrstelle beantragte, gesagt wird, sie müsse die schwere Arbeit in der Gemeinde als Frau ja nicht machen. Sie könne eine leichtere Aufgabe übernehmen.

Neben aller Predigt-, Verwaltungs-und Organisationsarbeit ging das Ringen um die Bewältigung der Notlagen der Nachkriegszeit weiter: Aufbau des „Ev. Hilfswerksdienstes“, Errichtung einer eigenen kirchlichen Fürsorgestelle, Rüstzeiten für alle Mitarbeiter.

Der Abschluß der Baumaßnahmen ist 1958 der Umbau des Gemeindehauses zur „Kreuzkirche“. In dem Visitationsbericht des Propstes nach dieser Aufbauphase heißt es:

„Es kann ohne Übertreibung gesagt werden, dass das vorhandene kirchliche Leben im wesentlichen der langjährigen Tätigkeit von Frau Haseloff zu verdanken ist. Frau Vikarin Dr. Haseloff ist eine über den Durchschnitt herausragende Persönlichkeit. Sie nimmt ihre Aufgabe außerordentlich ernst und arbeitet mehr, als sie sich eigentlich zumuten kann. Ich habe ihr nahe legen müssen, die eine oder andere Nebentätigkeit aufzugeben und auch innerhalb der Gemeinde einzelne Aufgaben (..) abzutreten. Ob die betreffenden Gebiete dann mit gleicher Geschicklichkeit und Treue bearbeitet werden, ist freilich nicht gesichert“.

Die Frage des Amtes der Frau in der Kirche war noch nicht geklärt. Sie bleibt „Frau Vikarin“. In ihrem Haus trafen sich die Vikarinnen zu Gesprächen, Beratungen, Fortbildung. Sie wollten nicht auf die seelsorgerliche Arbeit nur mit Frauen eingeengt und festgelegt werden. Elisabeth Haseloff plädierte klar für das gleichberechtigte Amt der Frau. Sie sagt: „Die wirkliche Anerkennung des Amtes nimmt unserem Tun die belastende Pflicht, stets in unserer Arbeit auch noch für das Amt der Frau werben zu müssen“. Für sie kommt eine Veränderung in der Amtsfrage in Sicht. Sie folgt der Anfrage der Lübecker Kirche.

Nach Umbau und Einweihung der „Kreuzkirche“ im Oktober 1958, hatte Bischof Halfmann den Mitarbeitern der Büdelsdorfer Gemeinde den Fortgang der Vikarin angekündigt. In der Büdelsdorfer Chronik steht: „Man kann die Summe der siebzehnjährigen Tätigkeit von Frau Dr. Haseloff in Büdelsdorf nicht treffender ziehen als es Bischof D. Halfmann in einem Brief getan hat: ‚Die Büdelsdorfer Gemeinde ist durch Frau Vikarin Haseloff hochgebracht worden, und die Gemeinde ist durch sie an eine durchgebildete Pfarrerpersönlichkeit gewöhnt‘“. Sie selbst schreibt in den Tagen “Wie schwer es mir wird diese Gemeinde zu verlassen, wissen diejenigen, die mir in diesen Wochen nahe gestanden haben. Ich verschließe mich aber der Notwendigkeit nicht, vor neuen Aufgaben gestellt zu werden und auch das loszulassen, was man von Herzen liebt“.

1956 stellte der „Vorstand des Stadtverbandes der Frauenhilfe in Lübeck“ den Antrag, im neuen Haushaltsplan der Kirche, die Stelle einer hauptamtlichen Leiterin der Frauenarbeit mit einer „Vikarin mit Amtserfahrung“ einzuplanen. Ehrenamtlich waren die Aufgaben nicht mehr zu bewältigen. Der Umfang der Arbeit wird anerkannt und die Lübecker Kirchenleitung beschließt am 1. März 1957: „Die Leitung soll eine Vikarin übernehmen, die mit 80% des Pastorengehaltes zu besolden ist“. „Für diese Stelle wollte man gerne Frau Haseloff haben. Ob die Lübecker Kirche von sich aus anläßlich der ersten Anstellung einer Theologin ein Pastorinnengesetz erlassen wollte. oder ob es Frau Haseloffs Forderung war, ist nicht mehr sicher auszumachen“. Im Protokoll der Sitzung der Kirchenleitung vom 22. November 1957 steht: „Es wird beschlossen, die bereits bewilligte Stelle einer Vikarin für Frauenarbeit in eine Landeskirchliche Pfarrstelle für Frauenarbeit umzuwandeln“.

Es entsteht ein „Kirchengesetz zur Rechtsstellung der Pastorin“. Damit wagte die kleine Lübecker Landeskirche in der Frage des Amtes für Frauen einen ganz großen Schritt. Sie musste nun die Gliedkirchen der VELD von der Richtigkeit der beabsichtigten Regelung überzeugen. Bischof Meyer fuhr deshalb zur Bischofskonferenz der VELD. Gegenargumente sind z.B.:

 -Eine Übertragung des vollen Pfarramtes würde einen irreparablen Schritt bedeuten, deren Folgen für Kirchen mit einer großen Zahl von Vikarinnen noch nicht abzusehen sind.

 -Mit einer Veränderung der Struktur des Pfarramtes wäre zu rechnen, deren Folgen sich nicht leicht absehen lassen.

 -Auch in ökumenischer Hinsicht wäre dies ein ungewöhnlicher Schritt.

In Lübeck wurde das Kirchengesetz am 2. Juli 1958 einstimmig verabschiedet und am Pfingstfest 1959 wurde Elisabeth Haseloff in St. Matthäi von Bischof Meyer feierlich in ihr Amt eingeführt. Die „Lübecker Nachrichten“ schreiben: „Nach Mitteilung der Pressestelle der Lübecker Kirchenkanzlei ist Frau Pastorin Dr. Haseloff nicht nur die erste Pastorin auf einer Lübecker Kanzel, sondern die erste ordinierte Pastorin in der ganzen lutherischen Kirche überhaupt“. Die Zeitschrift „Quick“ titelt: „Der Herr Pastor ist – eine Frau. Ein Ereignis von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“.

(Zum Foto: Elisabeth Haseloff auf der Kanzel in St. Matthäi in Lübeck – 1960; copyright: privat)

Zwei Aufgabengebiete erwarten sie:

  1. Verwaltung des 3. Pfarrbezirkes St. Matthäi mit Predigtdienst, Konfirmandenunterricht und allen seelsorgerlichen Aufgaben des Pfarrbezirkes
  2. Leitung der Pfarrstelle für Landeskirchliche Frauenarbeit.

Der übergemeindliche Dienst der Frauenarbeit brachte sie in Kontakt mit der ganzen Landeskirche. Ihr Anliegen war, „dass Menschen der Gegenwart, insbesondere Frauen, von der Kirche neu erreicht werden. Darum gelte es, die Augen offen zu halten, welche besonderen Nöte und Fragen des heutigen Menschen eine Antwort durch die Kirche erwarten“. Und offene Augen für ihre Umwelt hatte sie. Noch sind die Folgen des Krieges in Lübeck sichtbar. Die hinuntergestürzten Kirchtürme wurden wieder aufgerichtet. Neue Stadtteile entstanden.

Ihr geht es um die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit in der Frauenarbeit der Kirche.

1.         Strebte sie die Fortbildung der Leiterinnen der Mütter- und Frauenkreise in den Gemeinden an. „Christsein heute“ war das Thema. Als Referentinnen zu den Tagungen kamen Frauen aus der Politik, Gewerkschaft, Medizin, Schule u.a.m., die halfen, die Zusammenhänge zwischen Kirche und Gesellschaft deutlich zu machen. Sie suchte Wege zu Menschen, mit denen sie sich beraten, neue Ideen entwickeln und in die Tat umsetzen konnte. Oft waren an den Abenden in ihrer Wohnung Frauen mit ganz unterschiedlichen Interessen zusammen gekommen, die als Mitgestalterin für das nächste Seminar o.ä. nach Hause gingen .

2.         Entstand ab 1963 der Evangelische Frauentag, der allen Frauen aus den Gemeindekreisen einen gemeinsamen Arbeitstag anbot. Der erste große Frauentag fand im Kurhaus Travemünde statt. Die bestellten Busse reichten nicht. Ein Sonderzug brachte 1.300 Frauen nach Travemünde. „Mut zum Alltag“ war das Thema des Tages. Das Unternehmen „Frauentag“ ging wegen der großen Beteiligung in Zukunft an verschiedene Orte. 1968 war es ein Frauentag mit einer neuen Pastorinnen-Frage. Für die gewachsene Arbeit im Frauenwerk wurde 1965 eine 2. Theologinnen-Stelle bewilligt. Frau Vikarin Webecke, die diese Stelle erhielt, ist verheiratet und wird nicht ordiniert. Die „Zölibatsklausel“ war noch nicht aufgehoben. Frau Webecke blieb wie früher auch Pastorin Haseloff, trotz aller Eingaben, nur Vikarin. Das Plakat für den Frauentag mit der Ankündigung der Ordination im Gottesdienst war gedruckt, nur – der Bischof hat noch nicht ja gesagt. 25 Jahre später sagt Prof. Thilo: „Mit Wut und Tränen hat Schwester Haseloff in der Kirchenleitungs-Sitzung diesen Schritt zur Ordination durchgekämpft“. Solveig Webecke wurde ordiniert.

3.         Ist ihr die Zusammenarbeit von Männern und Frauen in der Kirche wichtig. In Zusammenarbeit mit dem Jugendpfarramt wurden ab 1960 „Eheseminare“ mit den entsprechenden Referenten angeboten.

4.         „Frau im Beruf“ wurde ein Arbeitszweig, in dem es darum ging „Lebensformen von Frauen“ bewusst zu machen und Rechte für Frauen einzufordern. Zunächst lud sie nach Berufsgruppen ein, später sagt sie: „Am lebendigsten sind die Tagungen, bei denen Frauen sich aus verschiedenen Berufen austauschen“.  Aus dieser Arbeit erwuchs ein Kreis, der sich zu  – Tagen der Stille  – traf, über die Gestaltung christlichen Lebens nachdachte und nach entsprechenden Formen suchte. Die „Lübecker Schwesternschaft“ unter Leitung von Elisabeth Haseloff entstand. Lebhafte Beziehungen zu anderen Bruder- und Schwesterschaften im Norddeutschen Raum wurden aufgenommen.

5.         Den Weltgebetstag lernte Elisabeth Haseloff 1947 bei einem Besuch in England kennen. In Lübeck wuchs, durch die entstandene Gemeinschaft über die Grenzen der eigenen Kirche hinaus, eine intensive ökumenische Arbeit. Seminare für evangelische und katholische Frauen und Kinder wurden angeboten. Mit den Fragen: „Wie betet ihr“ und „Wie glaubt ihr“, ging man aufeinander zu und lernt die andere und auch die eigene Kirche neu kennen. Teilnehmerinnen hatten Partner, die der anderen Kirche angehören, leben in einer sogenannten „Mischehe“. In Zusammenarbeit mit Pastor Weigang von der katholischen Kirche, dem Kloster Nütschau und Pastorin Haseloff entsteht eine „Mischehen-Gruppe“, die sich an Wochenenden traf und nicht nur miteinander diskutierte, sondern auch zusammen Gottesdienste feierte.

6.         Auf Anregung der „Ev. Frauenarbeit in Deutschland“ kam es ab 1962 zu Begegnungstagen mit der Frauenhilfe des Landeskirche in Greifswald. Es ging um den Versuch, sich über die Mauer hinweg zu informieren, zu verstehen und im Glauben zu stärken. Themen – vorher vereinbart – waren z.B. „Was heißt Erziehung in Ost und West“ oder „Christsein im Sozialistischen Staat“. Zweimal im Jahr kamen ca. je 15 Ost-und Westfrauen in Ostberlin zu Studientagen zusammen. Gute Referentinnen und Referenten reisten mit.

7.         Müttergenesung: Die Lübecker Frauenarbeit vermittelte Mütter in Heime anderer Landeskirchen. Die Plätze waren nicht ausreichend für die große Zahl der Erholungssuchenden. Als 1963 das Gutshaus Bahrenhof zum Verkauf angeboten wurde, setzte Elisabeth Haseloff ihre große ansteckende Kraft ein, um dieses Haus zu einem Müttergenesungsheim der Lübecker Frauenarbeit werden zu lassen. Mit ihrer Überzeugungskraft schaffte sie es, die Geldmittel für Kauf, Umbau und Einrichtung des Hauses zu erwerben und die benötigte Anzahl von Mitarbeiterinnen einzustellen. Im Juli 1964 konnte zur ersten Kur in Bahrenhof eingeladen werden. Dieses Haus wurde zu einem Schwerpunkt in der Arbeit, in dem sich zwischen den Kuren Menschen zu verschiedenen Tagungen in einer besonderen Atmosphäre treffen konnten.

Zur Unterstützung der Arbeit wurde der „Verein der Freunde und Förderer der Müttergenesungsarbeit“ gegründet, der nicht nur Geld sammelte, sondern auch mit vielen Ideen und ehrenamtlicher Hilfe die Arbeit förderte. Der Verein unterstützt heute noch die Müttergenesungsarbeit.

Durch die Kurarbeit rückten besondere Belastungen der Frauen in den Blick.

a)      Mütter mit behinderten Kindern. Die Werkstätten für Behinderte entstehen erst später. 1966 fand die erste Sonderkur statt .Die Mütter erholten sich in Bahrenhof und erhielten zusätzliche Beratung. Die Kinder wurden in einem anderen Haus betreut. Für diese Sonderkur galt es viele Helfer zu suchen und zu schulen.

b)      Zur Kur kamen oft nicht nur erschöpfte, sondern auch psychisch erkrankte Frauen. In Zusammenarbeit mit den Ärzten der Medizinischen Hochschule in Lübeck und durch die Fortbildung der Kurleiterin wurde es möglich, dass in Bahrenhof als dem einzigen Müttergenesungsheim „Kuren für psychisch erkrankte Frauen“ stattfanden.

c)      Viele Alleinerziehende nahmen die Kuren in Anspruch. In der Kurnacharbeit entsteht die Gruppe „Halbfamilie“. Lebhafte Treffen und Seminare, auch in Zusammenarbeit mit dem ev. Kindergärtnerinnen-Verband, waren die Folge. 1972 entstand aus dieser Arbeit ein eigenes Pfarramt für „Alleinerziehende“.

In Bahrenhof wurde weiter geplant und gebaut. Ein Schwimmbad entstand. Hinter all den Vorhaben steckten viele kräftezehrende Verhandlungen um Geld und Mitarbeiterinnen. 1966 bat Elisabeth Haseloff wegen der anwachsenden Frauenarbeit um Entlassung aus dem Arbeitsbereich Pfarramt St. Mattäi. Das Frauenwerk Lübeck erhielt ein eigenes Haus für die verschiedenen Arbeitsgebiete, das „Elisabeth von Thadden Haus“. Mit immer neuem Mut und Elan schaffte sie es, Menschen und Ämter davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, neue Wege in der Arbeit zu wagen. Oft meint sie am Ende ihrer Kraft zu sein. Sehr wichtig ist es ihr, in St. Jakobi eine Predigtstätte zu haben. Die regelmäßige Arbeit mit dem Bibelwort ist ihr eine Kraftquelle.

(Zum Foto: Taufe in Berlin – 10.11.1974; copyright: Privat)

1974 feierte sie fröhlich, nach längerer Krankheit gesundet, ihren 60. Geburtstag. Sie möchte noch bis zum 67. Geburtstag arbeiten. Sie sah noch so viele Möglichkeiten vor sich. Sie arbeitete ja nebenher in vielen Gremien mit. Sie ist im Vorstand des Müttergenesungswerkes und der Ev. Frauenarbeit in Deutschland und seit 1970 Vizepräsidentin der „Verfassungsgebenden Synode der Nordelbischen ev.-luth. Kirche“. Am Ewigkeitssonntag hielt sie ihre letzte Predigt in St. Jakobi und fährt dann für einige Urlaubstage nach Hamburg. Hier starb sie am 29. November 1974, als Opfer eines Verkehrsunfalls.

Reformatorische Impulse

2013 feierte die Kirchengemeinde Luther-Melanchthon zu Lübeck 20 Jahre Partnerschaft mit der Gemeinde Igoma in Tansania. Angefangen hatte es am Weltgebetstag 1961. Thema des Tages war „Dein Reich komme“. Dr. Tosca Hesekiel berichtet dazu: Pastorin Haseloff hielt eine zündende Predigt. Wir waren sehr beeindruckt. Frauen sagten: wir haben das gehört, wir müssen etwas tun, wir fangen an zu sammeln für die Ausbildung einer Ärztin. Von Tansania kam dann der Wunsch zwei junge Frauen als Kindergärtnerinnen auszubilden. 1962 kamen Bibiana und Mary nach Lübeck, wohnten teilweise bei Frau Hesekiel und Haseloff und mit Hilfe des Ev. Kindergärtnerinnen Verbandes konnten sie 1965 ihre Ausbildung abschließen und heimkehren. Bibiana hat einen Kindergarten und später auch eine Vorschule eröffnet. Mary Matemba, die eine Schule gegründet hatte, ergriff 1990 die Initiative und fragte im Nordelbischen Missionszentrum an, ob die Möglichkeit bestünde eine Partnerschaft zwischen der neuen Diözese in Mwanza und einer Lübecker Gemeinde ins Leben zu rufen. Mit der Gemeinde, in der sie während ihrer Ausbildung ein Praktikum absolvierte, entstand diese Partnerschaft „im Glauben verbunden“. Viele Projekte entstanden in den Jahren: Hilfe bei Kirch- und Brunnenbau, Geburtshilfe, Solarlampen, Lehmkochstellen und Wasserfilter, auch durch Mithilfe von Studenten der Fachhochschule Lübeck.

(Zum Foto: Elisabeth Haseloff auf dem Weg zum Gottesdienst – mit der Bibel in der Hand – 1973; copyright: privat)

Kommentar

Elisabeth Haseloffs Konfirmationsspruch: „Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade“. Der Vers aus Hebr 13,9 war für Bischof Stoll der Text für die Ansprache beim Trauergottesdienst. Er sagte: „Sie hat mit diesem festen Herzen, solange ich sie kenne, gedacht. Ihr ganzes Denken und Wollen ist durch die Bewegung eines erfüllten und leidenden Herzens hindurch gegangen. Manchmal war sie stürmisch in einer neuen Initiative. Türen für den Fortgang der Arbeit mussten geöffnet werden, und sie war dann betrübt, wenn sie mit ihrer Tüchtigkeit die verlegen machte, die ihr Drängen in Relation zum übrigen Ganzen zu bringen hatten. Manchmal war sie traurig. Ihre Arbeit gelang nicht, und ihr Unwille darüber hatte freien Lauf. Manchmal war sie verwundet: Sie litt unter dem Tatbestand, dass Frauen sich immer noch diskriminiert fühlen, eine Angelegenheit die ihren Weg begleitet, vom ehemalig umstrittenen Studium der Theologie bis zum Kampf um das Recht der Frau im vollen Pastorenamt. Manchmal erfüllte sie ausstrahlende Gewissheit des Glaubens. Sie hat Freundschaft gestiftet und auch gefunden unter den Mitarbeitern, in einem weiten Kreis von Bekannten und Gleichgesinnten Sie hat sich in Anspruch nehmen lassen von Ratsuchenden und Hilflosen und in alledem sich selber eingebracht.“