Elisabeths Geburtsort Mosbach (eine Benediktinerarbei Mosabach ist 826 bezeugt) war seit 1410, dem Tod König Ruprechts (III.) Pfalzgraf bey Rhein und dessen testamentarisch verfügter Landesteilung Residenz der Kleinen Pfalz des jüngsten Sohnes Otto I. 1430 hatte er Johanna, Tochter Heinrichs des Reichen von Bayern-Landshut geehelicht; seit 1436 war er Regent der Kurpfalz und Verweser für Süddeutschland bis zur Wahl des neuen Königs. Den Klöstern seines Herrschaftsbereiches hatte er den Anschluß an die benediktinische Bursfelder Convention empfohlen. Dem Rat war im gleichen Jahr auch der Zisterzienserinnenkonvent in Lobenfeld gefolgt, der seine Rechte am Mosbacher Markzoll zwar vierzig Jahre zuvor an de Stadt verkauft, dort aber immer noch Besitz hatte. 1448 fiel Otto noch die Pfalzgrafschaft Neumarkt zu. Bedeutung.
Otto I. starb im Sommer 1461. Sein gleichnamiger kinderloser Sohn hat sich in Mosbach kaum aufgehalten. Die herrschaftlichen Belange vertraten Vögte in Kooperation mit der Stadt. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts waren dies Hans und Anselm von Eicholzheim. Der Tod Ottos II. 1499 markiert den Heimfall der Pfalz Mosbach an die Kurpfalz. In diesen Zeiten des Umbruchs hatte die Eigenverwaltung der Stadt und ihres Besitzes im Umland zunehmend an Ausstrahlung gewonnen.
Angehörige der Familie Ballas/Pallas befanden sich längst in hohen städtischen Ämtern. Die Stadtrechnungen lassen auf größeren Handel schließen. Bekundet sind Reisen zur Frankfurter Messe, Übernachtung auf dem Weg im Haus des Wormser Bürgermeisters. Die Bedezahlungen (Vermögenssteuern) der Familie blieben für die feststellbaren Generationen an der Spitze der städtischen Listen. Das steinerne Wohnhaus befand sich in der Schwanengasse, direkt östlich der Juliana-Kirche, am Rand des Stiftsbezirks. Für den Schultheiß Peter Ballas (erw.1439-1463) ist ein eigenes Wappen überliefert.
Enkeltochter Anna dieses Peter Ballas heiratete den offenbar zugewanderten Schmiedemeister Jakob Silbereisen. Die erhaltenen Archivalien nennen ihn gar nicht. Hatte er Aufnahme gefunden im Unternehmen der Familie seiner Frau? Das Paar starb 1511. Der Name erlosch mit ihren Kindern Anna, Elisabeth und Andreas (Endris). Die Familie vertrat fortan Jakob Schmid, Tochter Annas Ehemann. Er verwaltete auch das Vermögen der Geschwister. Unter seinem Namen gezahlte Bede überstieg schließlich selbst die höchsten Zahlungen der Vorfahren Ballas.
Elisabeths Geburtsjahr (~1495) kann einzig aus den Lebensumständen abgeleitet werden. Die Daten ihrer Geschwister sind so wenig zu finden wie die Stellung des Bruders in der Geschwisterreihe. Erst nach Jakob und Anna Schmids Tod wird aus den städtischen Vormundschaftsrechnungen für 1556-1559 das Unglück der Familie sichtbar: Bruder Endris war minderen Geistes, ungezügelt und stellte hohe Ansprüche. Die Ausgaben für seine Ausstattung geben aber auch ein Bild der Stadtstruktur, der Handwerker, Händler, Kaufleute. Es gab eine Lateinschule, eine Apotheke, Brot- und Fleischbänke. Gelegentlich haben die Vormünder aus Endris’ Vermögen größere verzinsliche Darlehen ausgegeben. Als die Stadt Mosbach nach der Reformation die Cäcilienkirche zum Rathaus umbaute, kamen zur genehmigten Darlehensaufnahme von 3000 Gulden allein 380 Gulden von Endris Silbereisen.
In später Korrespondenz des Lobenfelder Convents wird Elisabeth als so kränklich beschrieben, dass man sie – „so wir es gewißt“ – nicht angenommen hätte. Vielleicht wird so verständlich, dass der Schwager sie schon 1511 oder 1512 ins Kloster Lobenfeld brachte? Er hatte eigene Kinder und führte offensichtlich das Familienunternehmen weiter. Endris muss im Haushalt geblieben sein. Die enorme Belastung erweisen die Vormundschaftsrechnungen. Offensichtlich wurde der Sohn einer angesehenen alten Familie zu großen Familienfesten im weiten Umkreis eingeladen und verursachte immer wieder Anlaß zu Wiedergutmachung
Für Elisabeth weisen die Mosbacher Bederegister 1513 und 1514 jeweils mehr als 4 Gulden Steuerzahlung aus – im Vergleich mit den Zahlungen der männlichen Vorfahren eine gute Summe. Die Verrechnung ist auf ihren Namen verbucht. Wohl Zeichen für Großjährigkeit, die für 16 Jahre angenommen werden dürfte. Die „Umsiedlung“ wäre ohne ihr Einverständnis nicht möglich gewesen? (Martin Bucer schrieb später von Beredung, die sie ins Kloster brachte.) Die Bürgermeisterrechnung 1514/15 vermerkt die Nachsteuer für abgeführtes Vermögen dagegen für „Jakob Schmidts geswei [Schwägerin] Else Ballassin“.
Die Informationen: Der Name Ballas ist in der Verwaltung noch präsent; Jakob Schmid ist Repräsentant der Familie; Elisabeth ist nicht mehr in der Stadt. Spätere Papiere benennen ihre Mitgift für das Kloster mit 200 fl barem Geld plus Hausrat und Wertgegenständen im Wert von mindestens 100 Gulden (zum Geldwert: ein Ochse kostete etwa 6, ein Eber 1½ Gulden). Mitgift der Klosterfrauen waren sonst eher Wiesen oder Äcker, die je nach Vertrag bis zum Tod der Konventualin oder für immer beim Kloster blieben, deren Verpachtung jedoch regelmäßige Einkünfte versprach.
Vogt Anselm von Eicholzheim hat 1496 für die Gutleutkapelle in Mosbach eine große Ausmalung gestiftet, darunter – außer dem Christusleben und einer Memoria für seine Familie – mehrere Darstellungen zum Thema Tod. Hat jemand der jungen Conventualin die zwar zweihundert Jahre älteren, aber den gleichen Themen gewidmeten Wandmalereien in der Klosterkirche erklärt? Nicht auszuschließen, dass sie dort eine Eicholzheim-Tochter getroffen hat.
Beide Kirchen waren auch Stationen auf dem Jakobsweg von Würzburg oder Rotenburg nach Speyer.
Elisabeth hat im Kloster „alweg etliche arbeitsame und fürneme empter getragen, damit sie Jre narung wol verdienet hat. Vber das hat Jr Jr schwager […] Järlich von dem vberigen Jres vetterllichen vnd müterlichen erbs […] auch etlicher gulden zu täglicher notdurfft gereichet“, schrieb Bucer 1546. Ein Teil des Erbes war in Mosbach geblieben. Mit dem hinterlassenen Vermögen hat Jakob Schmid solche Kosten offenbar verrechnet. Mehrmals hat er sie „auf ihre eigenen Kosten“ zum Wormser Stadtarzt geführt.
Die Bedeutung der Metropole Worms hatte auch die soziale Struktur gefördert. Seit den Pestepidemien des 14. Jahrhunderts waren die Reichsstädte verpflichtet, besoldete Stadtärzte einzustellen, die die Apotheker beaufsichtigten.
In Worms war das von 1511 bis 1517 Eucharius Rößlin (Rhodion), eine europäische Berühmtheit durch sein Hebammenbuch ‚Rosengarten der Frauen’. Nachfolger Dr. Theobald Fettich vereinte medizinische Sorgfalt (heftiges Plädoyer für trockene Räume, gute Durchlüftung) mit ausgeprägter Fürsorge für das soziale und seelische Wohl seiner Patienten. Ihm ist ehestens die Mahnung zuzuschreiben, „sie werd im Closter nimmerme gesundt“. Und er machte durch seine Hinwendung zur Reformation von sich reden.
1521, anlässlich des ersten Reichstags Karls V. in Worms, weilten bei Fettich Ulrich von Hutten, angriffslustiger Poeta laureatus, Martin Bucer und der westfälische Humanist Hermann von dem Busche. Auch Franz von Sickingen gehörte zu dieser Gruppe. Martin Bucer hatte die Mission übernommen, Luther entgegen zu gehen, ihn vor dem Besuch in Worms zu warnen. Vergebens – wie aus dem berühmten Auftritt bekannt ist.
Am 19. April hatte der Kaiser aber auch eine Helena dispensiert, sie in ehrenhaften Stand gesetzt, die „außerhalb der Heiligen Ehe geboren und demütig im Kloster Lobenfeld angelangt ist“. Eine hat die andere getröstet?
Anfang Mai 1521 ging Bucer als Kaplan Pfalzgraf Friedrichs nach Nürnberg, dem Sitz des Reichsregiments, wohl in der Hoffnung, die Reformation damit zu fördern. Das lockere Hofleben veranlasste ihn bald zur Rückkehr – doch mit der Versicherung Friedrichs, ihm allezeit gewogen zu bleiben.
Bisher stellt Fettichs Haus die einzige Möglichkeit einer Begegnung dar – ein engagierter temperamentvoller Arzt, ein gewesener Mönch, der das Klosterleben ertragen hatte, um überhaupt lernen zu können, der auch später jedem zu helfen suchte, und eine kränkliche Klosterfrau, die ihrem Konvent entkommen wollte.
Im Sommer 1522 heirateten Martin Bucer und Elisabeth Silbereisen bei Franz von Sickingen in Landstuhl. Dem Kloster hatte Elisabeth „einfach“ den Rücken gekehrt. Der Schwager kommt als direkter Unterstützer nicht in Betracht. Er hätte seine Reputation zerstört, die spätere Position eines Ratsbürgermeisters wäre ihm verwehrt gewesen. Doch hatte der Lobenfelder Konvent immer noch Besitz in Mosbach. Und gewiss waren da noch alte Freunde der Ballas und Kontakte nach Worms. Hat irgendein Bürger, der über seine Wege niemandem Rechenschaft schuldete, Elisabeth nach Worms geleitet? Sie soll im Kloster etliche Jahre die „custereien mit getrewem fleiß versehen“ haben. Custor, Besorger der Kirche und der Geräte? Mit diesem Amt war oft auch das des Ostiarius verbunden, des Türhüters. Hatte Elisabeth deshalb das Kloster ungesehen (aber unbedingt mit verlässlicher Verabredung) verlassen können? Hatten Dr. Fettichs Verbindungen geholfen?
Politische Ereignisse bestimmten die nächsten Wege: Sickingens schwierige Situation empfahl den Abschied von der Ebernburg, der „Herberge der Gerechtigkeit“ – nach Straßburg, der freien Reichsstadt, wo Bucers Vater Bürger war. In Weißenburg entsprach Bucer den dringenden Bitten des reformierten Pfarrers Heinrich Motherer, ihm für ein halbes Jahr gegen die großen Klöster beizustehen – schließlich auf Bitten der Stadtoberen Auszug der beiden Reformatoren vor den heranrückenden pfälzischen (katholischen) Truppen, mit ihren hochschwangeren Frauen nach Straßburg – zu Fuß.
Also Straßburg. Küblermeister Claus Butzer hatte jetzt „statt des pfalzgräflichen Hofkaplans, des sickingischen Pfarrers [auf den er stolz gewesen war], einen flüchtigen beweibten Predicanten“, schreibt Martin Greschat. Doch der Vater half. Martin Bucer zeigte dem bischöflichen Vikar seine Ehe an. Predigt und geistliche Handlungen wurden ihm untersagt. Doch Matthäus Zell, der Münsterprediger, gab Bucer Gelegenheit, in seinem Haus Gelehrten lateinisch die Bibel auszulegen. Haben die Eheleute Bucer dort bald gewohnt und Elisabeth hat den einspännigen Hausvater mit versorgt? Über das von Weißenburg nach Straßburg hingetragene Kind gibt es keine Nachricht. Für Motherer und seine Frau bat Bucer in der Schweiz um Asyl, wegen der Vorbehalte in Straßburg bald auch für sich und Elisabeth: „Seine Frau könne kein Hindernis sein, denn sie wisse höchst enthaltsam zu leben, werde vielen zur Erbauung dienen, aber für niemanden ein Ärgernis sein“. Als Sohn eines Straßburger Bürgers hatte die Stadt ihm immerhin „Schutz und Schirm“ [gegen Gewalt] gewährt. Für Ausweisung „des gelübdbrüchigen Priesters“ kämpfte Bischof Wilhelm III. Graf von Hohnstein. Auch er ignorierte Bucers regelrechte Entlassung aus dem Orden.
Eine satirische Flugschrift gegen diese Ehe hat sich erhalten. In dieser Zeit entstanden Bucers heute noch diskutierte Schriften zur Ehe.Von Elisabeth heißt es, sie sei als unverständige junge Frau durch Beredungen ins Kloster gebracht worden und dort sehr unglücklich gewesen. Bucer verfocht jetzt nachdrücklich die Billigung der Priesterehe gegenüber dem geduldeten Konkubinat. Am 9. November 1523 legalisierte Anton Firn, Leutpriester an St. Thomas, sein offenbares Konkubinat, und am 3. Dezember heiratete Matthäus Zell, Leutpriester an St. Lorenz im Münster, die Schreinertochter Katharina Schütz. Wolfgang Capito, Pfarrer an Jung St. Peter, heiratete gar die Tochter eines hohen Ratsverwandten. Insgesamt wurden sieben Straßburger Geistliche wegen ihrer Verheiratung exkommuniziert. Für Elisabeth das Ende der Isolation.Aus unbekanntem Anlass errichteten die Eheleute Bucer 1527 ein Testament auf Gegenseitigkeit, wobei Elisabeth als Bürgschaft pauschal alle eigenen beweglichen und unbeweglichen Güter einsetzte.Bemühungen um eine feste Anstellung, eine sichere Versorgung, erfüllten sich erst im August 1524. Die 120 Familien der Gärtnerzunft vor den Toren der Stadt hatten immer dringender für St. Aurelien einen evangelischen Pfarrer, explizit Martin Bucer, verlangt, den sie selbst bezahlen wollten. Und Bucer erhielt das Bürgerrecht.
Die folgende Zeit war geprägt von Bauernunruhen, das schreckliche Blutbad bei Zabern im Mai 1525, die verstörten Frauen und Kinder, die in der Stadt Zuflucht suchten. 1529 gewährte der Rat eine Wohnung in der Stadt, an St. Thomas. Elisabeth hatte ein richtiges Zuhause in einer lebendigen Stadt. Neben der Versorgung seiner Pfarre hielt Bucer Vorlesungen in der Stadt, thematische Abstimmung also mit den anderen Reformatoren. Martin Bucer, Wolfgang Capito und der Patrizier Jakob Sturm von Sturmeck, oft zitiertes Triumvirat, bemühten sich um die Umwandlung der früheren Klosterschulen zu Elementar- und Lateinschulen. Denn: „Die Hoffnung des allgemeinen Nutzens ruht auf der Jugend“.
Da erwuchs Elisabeth eine große Aufgabe. Schüler lebten nun im Haus, meist von weit her gekommen, Studenten als Mentoren (zu einer Zeit vier Franzosen und zwei Italiener). Das Wohn- und Zehrgeld verwendete der leidenschaftliche Lehrer Bucer sehr gern für Lehrbücher. Capito und Zell hatten „Ketzer“ (Michel Servet, Ludwig Heizer und Kaspar Schwenckfeld) in ihre Häuser genommen. Diskussionen und Entfremdung. Dem Vorwurf der Täufer, Kindern mangle es an eigener Bestimmung ihrer religiösen Zugehörigkeit, begegnete Bucer mit dem Institut der Konfirmation. Die Rekatholisierung der Kurpfalz führte zahlreiche Reformatoren in die freie Reichsstadt. Anton Engelbrecht war darunter, ehemals Speyerer Weihbischof in Bruchsal, der Bucer bei der Lösung aus dem Orden unterstützt hatte. Der große Pädagoge Johannes Sturm gehörte dazu. Die erfahrbare Liste berühmter Gäste ist lang. Den langen Speisetisch beherrschten Lehre und Disputation. Früh gehörte Bucers Diakon Konrad Hubert zum Haushalt, nun nicht mehr leibeigen, dessen schwache Frau oft selbst Hilfe brauchte, kein Kind behalten konnte. Eine „halbe Magd“ gab es zum Holz- und Wasserholen. Und Martin Bucer reiste, verhandelte und schrieb und schrieb, um die neue Kirche zu ordnen, vor allem die Spaltung im Abendmahlsstreit zu beheben. Umfangreiche Zusammenarbeit mit dem ausgleichenden Philipp Melanchthon.
Dreizehn Kinder kamen zur Welt. Erwähnung finden sie nur gelegentlich in Bucers Korrespondenz. Deshalb sei hier lediglich eine schlichte Zusammenstellung der bekannten Geburtsjahre gegeben: 1525 Elisabeth, 1527 Sara, 1531 Anastasia, vor 1533 „ein Sohn“, 1533 Irene, 1534 Simeon Gottfried, 1535 Paul Dietlieb, 1536 „vierter Sohn“, 1537 Zwillinge: Felicitas und ein unbenannter Sohn, 1538 Johannes Irenäus, 1539 Martin und zu unbekanntem Datum Nathanael. Fünf Kinder waren bis 1538 verstorben; über den „dritten“ und den „vierten“ Sohn gibt es keine Daten. Sie waren nicht lebensfähig? Von schlimmer Krankheit (Magenkrämpfe, Husten, rote Ruhr) ist in späterer Korrespondenz zu lesen.
Es fällt auf, dass keins der Kinder einen Vornamen aus Elisabeths traditionsbestimmter Familie trug. Für die zweiten Vornamen seiner Söhne scheint Martin Bucer Namenspatrone mit aktiver Rolle in der Kirchengeschichte bevorzugt zu haben, für die Töchter Vorbilder mit besonderer Standhaftigkeit und Stärke. Haben die Eltern gemeinsam gewählt?
Hauswirtschaft wird Elisabeth aus dem Elternhaus vertraut gewesen sein, die Verhältnisse jedoch waren konträr. 1531 beschloss das Thomaskapitel immerhin, der Stadtkasse jährlich 150 Gulden zur Besoldung des Pfarrers und seines Helfers zu überweisen, gewährte beiden freie Wohnung, dem Pfarrer die – nicht bezifferten – Gefälle der Fronmesserei und dem Helfer 40 Pfund (ca. 35-40 Gulden) als jährliches Präsenzgeld.
Erst in Bucers Kontakt mit den Brüdern Blaurer in Konstanz und deren gelehrter Schwester Margarete gewinnt Elisabeth Profil. Es blieb nicht bei gelegentlichen Grüßen. Zwar führte Martin Bucer die Feder, aber Elisabeth „hätte geschrieben, macht aber eben Lichter“ oder „meine Frau wollte schreiben, muß aber nachts bei dem Söhnlein bleiben!, oder „Ich schryb gern, wen mir die hungeren buch und die schmale metzyg weyl lyße [..Segenswünsche und Grüße ..] Ich muß in kuchen“. (Ich schriebe gern, wenn mir die hungrigen Bäuche und die geringen Vorräte Zeit ließen … ich muß in die Küche.) Margaretes großzügige Geschenke, meist für die Kinder, beschämen sie. Sie kann sich ja nicht revanchieren. Sich mit bescheideneren Verhältnissen als im Elternhaus zu arrangieren, ist ihr wohl leichter gefallen, als dies von außen wahrgenommen zu sehen. Um selbst etwas beizusteuern, schickte sie Margarete Flachs zum Spinnen, in Straßburg ließ sie dann Schleier, die leichten Kopfschals, weben. (Nach Elisabeths Tod wird Konrad Hubert für Ambrosius Blaurer eine Abrechnung zusammenstellen, Margarete stirbt einen Tag vor ihrer „Schwester“ Elisabeth Bucer auch an der Pest.)
Ein Licht auf seine eigene Ehe wirft Martin Bucers Glückwunsch an Ambrosius Blaurer zu dessen Vermählung (1534, mit einer früheren Nonne): „Wage dich nicht in den ehelichen Kampf, Weichling, nicht alles ist Spiel, was so scheint“, und dann ernsthaft: „Du weißt, wie wichtig für die Kirchen ist, was für Frauen ihre Vorsteher haben“. In diesem Sinn ist auch Elisabeth Bucer eine Reformatorin?
Und Munterkeit scheint es gegeben zu haben in dieser Ehe. So findet die Sympathie zwischen Margarete Blaurer und Martin Bucer einen fröhlichen Kommentar: „Meine Frau dürft Ihr nicht so viel loben, sie meint ohnehin, ich hätte es [zu oft] versäumt, spricht aber: Ihr sollt keinen Finger zwischen uns legen, Ihr könntet geklemmt werden. Ferner: sie wolle mich abrichten, dass Ihr es besser haben sollet“. Dass Margarete sich „dereinst“ der Kinder ihrer Freundin annehmen könne, war angedeutet worden, für Simeon Gottfried war sie als Patin bereits vor der Geburt angenommen. Die beiden Frauen haben sich nie gesehen, doch eine zeitweise Entfremdung zwischen den Männern hat sie nicht berührt. Von Margaretes Briefen ist nichts geblieben.
1536 ritten Melanchthon, Bucer, Capito und zahlreiche süddeutsche Reformatoren – die Schweizer hatten wegen der sehr kurzfristigen Einladung abgesagt – zu einer von Luther angeregten Konkordienversammlung in Eisenach, die schließlich in Grimma bei Luther stattfand und die unterschiedlichen Auffassungen nicht bewältigen konnte. Nach Greschat und Baum lag das nicht zuletzt an Luthers Verhalten.
1537 Kur in Wildbad: „Meiner Frau ist es zuträglich, mir beschwerlich“. Der rastlose Bucer wollte zurück zu seinen Aufgaben. Zwei Jahre zuvor war Katharina Schütz in Wildbad gewesen mit Hoffnungen, die sich nicht erfüllten; „das […] mir ain frucht verlihen werde zu mährung des richs Christi und zum zeichen seiner genaden und fridens zwischen gott und mir“.
Im Sommer 1540 verlor Martin Bucer seinen Vater. Wann seine Mutter starb, ist unbekannt. Den Aufenthalt mit seiner zweiten Frau im Haus des Sohnes hatte der Vater bald aufgegeben. „Sie wollten lieber für sich sein, schon wegen der unerwarteten Besuche jeden Tag und der Unruhe in meinem Hause“. Dass der Sohn für einen Spitalplatz in einem eigenen Raum (!) und für den Unterhalt gesorgt hatte, ist nur überliefert, weil er sich (wieder einmal) gegen Verleumdung wehrte.
1541 kam die Pest in die Stadt. Straßburgs Hohe Schule wurde nach Gengenbach und Weißenburg verlegt, die Zöglinge bei Predigern und in Privathäusern auf dem Land untergebracht. Martin Bucer blieb in der Stadt. Auch Elisabeth blieb. Sie wollte ihrem Mann zur Seite stehen. Sie starb am 16. November 1541. Und es starben ihre Kinder Elisabeth, Sara, Anastasia, Felicitas und Martin. Nach Lienhard-Willer waren drei von ihnen schon begraben, als Martin Bucer Anfang August vom Reichstag zu Regensburg zurückkam. Nach dem Hinscheiden zwei weiterer Töchter um die Jahreswende war da nur noch Nathanael – von geringem Geist wie Endris Silbereisen. Elisabeths letzte Stunden galten der Versorgung von Familie und Freunden. Anrührende Zeugnisse ihres Lebens und Sterbens haben sich von Martin Bucer und Philipp Melanchthon erhalten:
„Als sie dem Tod schon sehr nahe war, hat sie mich mit frommen Worten angehalten, [zu seiner und der Kinder Versorgung Capitos Frau zu ehelichen, wenn dieser gestorben wäre. … Wir hatten] seinen Tod vor ihr verborgen. Etwas später […] kam Katharina Zell, um ihr das glückliche Sterben Capitos mitzuteilen, weil sie dachte, es könnte für sie tröstlich sein. Gleich danach fragte [Elisabeth …], ob die Witwe Capitos wohl noch einmal zu ihr kommen würde. […] Sie kam nach Einbruch der Dunkelheit und Elisabeth fragte sie, die ihren Mann verloren hatte, was sie mich schon gefragt hatte und worauf ich unter Tränen nicht hatte antworten können. Danach hat sie noch kurz, doch sehr innig gebetet“ (Martin Bucer an Ambrosius Blaurer am 18. November 1541).
„In ihrer Ehe lebte sie so, dass ihre Frömmigkeit, ihre Sittsamkeit und ihre bei allem Tun gezeigte Besonnenheit vielen ein gutes Vorbild gab, […] war hilfsbereit gegenüber Frauen, die ihre Unterstützung brauchten“ (Philipp Melanchthon an Martin Bucer, 1543).
„O lieber Sohn, hätte deine fromme, fleißige und wahrlich christliche mutter [doch] nicht so viel und über ihre Kräfte gearbeitet – du und ich hätten es wahrnehmen -müssen“ (Martin Bucer an Nathanael, Calais 1549 auf dem Weg nach Cambridge, nachdem ihn auch die freie Reichsstadt Straßburg nicht mehr schützen konnte).
Schon 1532 hatten die engen Verhältnisse Hoffnung auf „Reste“ aus Elisabeths hinterlassenem Vermögen gerichtet. Anlässlich einer Reise Martin Bucers Ende April zu den Kollegen im Kraichgau war Elisabeth in Mosbach bei Schwager und Schwester gewesen. Diese Kenntnis erhellt erst aus Band VIII (2011) der Bearbeitung von Martin Bucers Briefwechsel der Universität Erlangen. Für 1540 weisen die Mosbacher Stadtrechnungen einen Ehrentrunk für Bucer aus. Ein weiterer Versuch anlässlich eines Besuches bei Kraichgauer Reformatoren?
Von den dreizehn Kindern überlebte einzig Nathanael. Seine Versorgung war sicher zu stellen. Nach Martin Bucers Ausreise nach Cambridge (1549) nutzten die Straßburger Freunde ihre Verbindungen und erreichten 1559, nach zehn Jahren, einen Erlass des Kurfürsten für die Auszahlung von hundert Gulden gegen schriftlichen Verzicht auf weitere Ansprüche. Auf diese Entscheidung hatten Johannes Marbach, der mit Bucer in Fragen der Kirchenzucht eng zusammengearbeitet hatte, und der einflussreiche oft als Reformator bezeichnete Hofrichter Erasmus von Venningen in Heidelberg nachdrücklich hingewirkt. Die Papiere liegen in den Beständen St. Thomas der Archives municipales in Straßburg. Die kurpfälzer Reformation (1556) hatte die Klöster aufgehoben, Lobenfeld wurde 1560/61 als aufgelöst bezeichnet. Vermögen und Rechte unterstanden seitdem der Geistlichen Administration in der kurfürstlichen Verwaltung.
Im Umkreis der Elisabeth Silbereisen war Katharina Schütz die Frau mit eigenen reformatorischen Impulsen. Die gelehrte Margareta Blaurer hatte sich des sozialen Engagements vor allem für Kinder gewidmet. Die Mehrzahl der Reformatorenfrauen stellte zeittypisch und gewiss auch im Verständnis ihrer Eheherren ihre ganze Kraft für deren Unterstützung, den Erhalt wichtiger Verbindungen, das umfangreiche Hauswesen, die Aufzucht ihrer Kinder zur Verfügung. „Das ym selbs niemãt / sonder anderen leben soll. vnd wie der mensch da hyn kummen mög.“ überschrieb Martin Bucer 1523 ein großes Traktat.
Ganz anders setzte sich Caritas (Barbara) Pirckheimer als Äbtissin des Clara-Klosters in Nürnberg mit der Reformation auseinander. Sie wehrte sich nicht generell gegen reformatorische Einflüsse, sondern gegen das rigorose Verbot bisherigen Kirchenlebens. Sie begehrte Glaubensfreiheit. Vergleichbares Engagement ist für Frauen im Südwesten kaum bekannt. Gerade in der früh fast „flächendeckend“ reformierten Kurpfalz hat die Maxime „cuius regio, eius religio“ häufige Wechsel, besser: deren stillschweigende Nichtbeachtung, nach sich gezogen.
Elisabeth Silbereisens Einsatz für die Reformation kann nur als indirekt bezeichnet werden. Sie war die beispielhafte starke Frau hinter dem bedeutenden Mann, wie die meisten Reformatorenfrauen, vor allem, wenn sie im Sinne ihrer Männer ein großes Hauswesen zu verwalten hatten. Es verblüfft allerdings, dass sich die Liste der Reformatoren auch heute noch auf Luther, Melanchthon, Calvin und Zwingli beschränken kann. Heinrich Bornkamm bezeichnete Martin Bucer schon 1983 als den dritten Reformator. So sei die Beschreibung der Bucer-Forschungsstelle Erlangen zitiert: [Bucer] „besaß für das heutige Frankreich, Deutschland, die Schweiz, Italien und England große Bedeutung. Er wirkte als Theologe, Religionspolitiker, Reformator, Humanist, Vermittler und Ökumeniker. Sein transnationales, überkonfessionelles und auf Integration bedachtes Wahrheitskonzept macht ihn zu einem geistigen Vater des heutigen Europa“.
Martin Bucer und Elisabeth Silbereisen, beide waren durch Klöster geprägt. Martin Bucer, Sohn eines Küblers, damit am unteren Rand der städtischen Gesellschaft, verdankte seinem Großvater die ersehnte Chance zu lernen. Dem Kölner Inquisitor Jakob van Hoogstraten war er schon in seiner Heidelberger Zeit aufgefallen. Freiheit des Denkens? „Die Verzweiflung macht ein Münch“ resümierte er später, erreichte aber die Lösung aus dem Orden.
Elisabeth Silbereisen aus bürgerlicher Familie, zeitgemäß gebildet, wird nach dem frühen Tod der Eltern ins Kloster geschickt, wahrscheinlich um die familiären Probleme zu reduzieren. Sie setzt dem Aufenthalt selbst ein Ende.
Dass sie ihren Mann in allen Fährnissen unterstützt, gegen die wahrlich großen Belastungen offensichtlich niemals aufbegehrt hat, ist Aussage genug. Ist Bucers Einsatz, besonders um die Verhinderung einer Spaltung der fast erreichten Reform vorstellbar ohne den Rückhalt dieser als kränklich bezeichneten und gründlich übersehenen Frau?