Erdmuthe Sophia Kurprinzessin von Sachsen wurde zeitlich im letzten Viertel des Dreißigjährigen Krieges geboren. Ihr Großvater, Markgraf Christian von Brandenburg-Bayreuth (1581-1655), der zugleich auch der Großvater ihres späteren Ehemannes Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth war, hatte es trotz starker Bemühungen nicht vermocht, seine verhältnismäßig kleine Markgrafschaft aus dem Kriege herauszuhalten. Der Name des Mitbegründers der Protestantischen Union, des Großvaters Markgraf Christian, stand für religiöse Toleranz, zumal Markgraf Christian bereits im Jahre 1629 in Baiersdorf aus der Oberpfalz geflüchtete Reformierte angesiedelt hatte. Markgraf Christians Tochter, Magdalene Sibylle († 1687), die Mutter der Erdmuthe Sophia, hatte November 1638 den sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. geehelicht. Die fränkische Markgrafschaft und Sachsen waren nicht nur dynastisch vielfältig verbunden, sondern auch geistig und kulturell. Auch die theologischen Verbindungen wuchsen „fortwährend“: das zeigt beispielsweise auch länderübergreifend der personelle „Austausch“ im Rahmen der Besetzung der evangelisch-lutherischen Pfarrstellen in den beiden „Staatsterritorien“. Mitunter traten auch bayreuthische Theologen und Superintendenten die Nachfolge der Dresdner „Oberhofprediger“ an. Der Nürnberger Theologe Lorenz Dürnhofer († 1594) tat sich früh als Diakon in Wittenberg hervor, und später wirkte der aus Bayreuth gebürtige Theologe und Philosoph Christoph Friedrich von Ammon als Dresdner Oberhofprediger.
Erdmuthe Sophia wuchs in der von Volksfrömmigkeit geprägten lutherischen Lebenswelt von Dresden auf, wo jedoch auch rauschende Feste, kostspielige Theateraufführungen mit dem „Festsaal als Bühne“ und wilde „Hof-Tierhatzen“ das übrige Europa blendeten. Bei den Dresdner Vermählungsfeierlichkeiten zwischen Erdmuthe Sophia und ihrem Cousin Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth im Oktober 1662 erschien unter anderem auch „eine in 24 Fünferglieder eingeteilte Reiterkompanie mit Kürassieren, welche ein Oberstleutnant und zwei Wachtmeister“ unter Trompetenschall „anführten“. Auch das reichhaltig mit Kupferstichen und schönen Frontispizen ausgestatte „Theatrum Europaeum“ [Bd. 9, 1672, S. 540ff.] ruft die Dresdner Hochzeit in Erinnerung, welche „mit sonderlichem Gepränge“, mit „Einsegnung im Riesensaal“, mit einer großen Tierhatz am 1. November 1662 – „darinnen sechs Bähren“ – und einem „Frauenzimmer-Ballet“ aufwartete.
Erdmuthe Sophia hatte am kursächsischen Hof in Dresden bei ihren akademischen Lehrern, Oberhofprediger Jacob Weller von Molsdorf und Pastor Johann Heinrich Born, eine exzellente Ausbildung in Religion, Philosophie, Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte, Geographie und Mathematik absolviert. Bereits in ihrem elften Lebensjahr widmete sie sich der Dichtkunst und Fragen der Kirchen-Verfassungsgeschichte. Sie schrieb seit Sommer 1655 auch Kirchenlieder, wovon der geistliche Lobgesang „Biß Getrost/O meine Seele/Biß getrost/biß in den Todt/Biß dich Gott aus dieser Höle/Führet aus der Jammer Noth“ die größte Bekanntheit erhalten hat. Seit ihrer Vermählung mit Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth im Oktober 1662 in Dresden, anlässlich deren großer Festlichkeiten der Dichter Sigmund von Birken (1626-1681) das Singspiel „Sophia“ inszenierte und Giovanni Bontempis Oper „Il Paride“ mit ihren bekannten „Argenia-Rezitativen“ – „Ich habe auch ein Hertz in der Brust/Doch fühle ich keine Liebe“ – uraufgeführt wurde, hatte Erdmuthe Sophia ihre Studien in politischer Geschichte, Verfassungsgeschichte und Kirchengeschichte intensiviert. In ihren Bayreuther Schlossgemächern hielt sie täglich nach der kirchlichen Andacht eine Art „Geschichtskolleg“ ab. Die Markgräfin stand auch der bukolischen Dichtung Sigmund von Birkens und dessen „Pegnesischen Blumenorden“ nahe. Der „Blumenorden“ war der unter dem Wahlspruch „Alles Zu Nutzen“ stehenden „Fruchtbringenden Gesellschaft“ verbunden, der schon Erdmuthes Vater Kurfürst Johann Georg II. seit 1658 angehört hat. Anlässlich des künftigen „HochFürstl. Beylager(s)“ Erdmuthe Sophias in Bayreuth hat von Birken der Markgräfin die Verse zugedacht: „Theure Erdmuth/ErdGöttinne/Schönheit-Ausbund/Sachsenpreis/hoch-entstammtes Fürsten Reis/weitgeprisne Princessinne! Seit willkommen diesem Land/das Euch nun wird Mutter nennen. Ihr nur würdig seit erkanndt/ unsres Hauptes Herz zu brennen“ (Sigmund von Birken: Sophia, 3 Akte, Bayreuth 1662).
Seit Beginn ihrer Regentschaft am Bayreuther Hof Ende 1662 intensivierte Erdmuthe Sophia ihre enge Verbundenheit zu dem von Sigmund von Birken präsidierten „Löblichen Hirten- und Blumen-Orden an der Pegnitz“. Förderte Erdmuthe Sophia doch energisch und „avec énormément de Verve et d‘Esprit“ die höfischen wie auch die bürgerlichen „Bildungskreise“ des Markgraftums. Ein loser literarischer Zirkel war im Aufblühen begriffen, dessen „Eingeschworene“ – „frei der Konfessionsbindung“ – sich Schäfernamen aneigneten. Beispielsweise „versteckte“ sich hinter „Dorilis“ die Altdorfer Dichterin Maria Katharina Stockfleth, Barbara Juliane Penzel gab sich den Namen „Daphne“, von Birken griff nach der Maske des „Floridan“ und hinter „Diana“ verbarg sich Sibylla Nicolai (1646). Erdmuthe Sophia wusste auch insgesamt die Barockdichtung am Bayreuther Hof zu einer ungeahnten Blüte zu bringen. Sie hat auch die Poetin Catharina Regina von Greiffenberg geb. Storch von Klaus (1633-1694) aus österreichischer Exulantenfamilie – „Uber Gottes regirende Wunderweise“ und „Spazir- oder Schäfer-Liedlein“ – nachdrücklich unterstützt. Auch für das zur Zeit der Regentschaft ins Leben gerufene „Illustre Gymnasium“ (S. 436) „Christian Ernestinum“ (1664), wie Erdmuthe Sophia etwa posthum (1676) in ihrem großen „Kompendium“ „Sonderbare Kirchen-, Staat- und Weltsachen“ schreibt, suchte die Markgräfin nach literarischen Koryphäen. So bedeutete es einen großen Erfolg, den aus Hof gebürtigen Literaten und Historiker Johann Georg Layritz († 1716) an den markgräflichen Hof gebunden zu haben. Später sollte der Polyhistor zum Historiker und Kirchenhistoriker des Bayreuther Gymnasium aufsteigen (1673). Dem literarischen Umfeld der Erdmuthe Sophia gehörte auch der in fortwährendem Kontakt mit Sigmund von Birken stehende evangelische Theologe und Hofprediger in Bayreuth Caspar von Lilien an, dessen aus Dresden gebürtiger Vater Georg Lilien „ein ausgezeichneter lutherischer Theologe des 17. Jahrhunderts“ war. Dem theologisch-geistlichen Umfeld Erdmuthe Sophias waren noch der Dresdner Theologe Johann Andreas Lucius († 1686) sowie der Jurist, Philosoph und Hofrat Johann Michael Reinel zuzuordnen.
(Zum Bild: Namenszug der Markgräfin; Copyright:Staatsarchiv Bamberg, Bestand GAB)
Johann Michael Reinel hat anlässlich des frühen Todes der Markgräfin die Gelegenheitsdichtung „Die aus dieser Zeitligkeit allzuzeitlich entzuckte und nach angenommener Vergöttung schmertzlich bethränete Sophia“ (1670) verfasst. Endlich ist hier noch der aus Uffenheim gebürtige und ebenfalls mit von Birken in Kontakt stehende Universalgelehrte Georg Caspar Kirchmaier hervorzuheben, welcher ebenfalls aus Anlass des Todes Erdmuthes eine Dichtung „Aeternae Memoriae Principis Serenissimae, Divae Erdmuth Sophiae, Ex Electoral. Dom. Saxon. Marchioniss. Brandenburgicae“ (Wittenberg 1670) verfertigte. Wie Erdmuthe Sophias literarisches Wirken als auch ihre literarische und politische Korrespondenz so war auch ihre sehr kostspielige Beerdigungszeremonie am 23. August 1670 von europäischen Dimensionen begleitet. Zu den zahllos geladenen Trauergästen zählten auch gekrönte europäische Häupter – so auch das dänische Königspaar –, als der Leichenzug in Bayreuth seinen Weg zur Stadtpfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit, der Hauptkirche des Fürstentums nahm. In einer Gruft an der Nordseite der Stadtpfarrkirche ist Erdmuthe Sophias reichverzierter Sarkophag als letzter Ruheplatz erhalten geblieben.
Von hervorragender wissenschaftlicher und sprachlicher Unterweisung etwa eines Jacob Weller von Molsdorf († 1664) geprägt, welcher bei Johann Georg II. „das größte Vertrauen“ genoss und die Bibelausgabe des Kurfürsten mit einer Vorrede „von der Herrlichkeit und Lobe des göttlichen Wortes“ versah, hat Erdmuthe Sophia in den Jahren 1663 bis 1665 ihre Kenntnisse in politischer Geschichte, Verfassungsgeschichte und Kirchengeschichte weiterhin vertieft. Schon zu Zeiten ihrer frühen Jugend hatte sie als Zeichen ihrer frommen Religiosität sogenannte „Rechenpfennige“, eingesäumt von ihrer Devise „ALLES MIT GOTT UND DER ZEIT“ und „1654“, auf dem Avers „ERDMUTH SOPHIA, HERZOGIN ZU SACHSEN & C.“ als Umschrift, in der Mitte ein Rautenkranz und auf Hebräisch der Name „Jehova“, prägen lassen. Der Nachwelt ist auch überliefert, dass die Markgräfin „in Politischen Schriften und Historischen Beschreibungen sich delectiret/dieselben fleißig gelesen/und ihr Frauen-Zimmer dahin angehalten/daß sie dergleichen thun/bey Ihr im Gemach bleiben und aufmercken müssen“. Was Erdmuthe Sophia nunmehr der Geschichtsphilosophie „neu“ zueignete, war eine Art vergleichender Wissenschaft im Rahmen einer theologischen Geschichtsbetrachtung. Sie knüpfte auch in ihren Studien an die Hermeneutik einer alttestamentlichen Geschichtsschreibung an. Erdmuthe Sophia korrespondierte deshalb in ihrem 1666 in Bayreuth erschienenen Werk „Handlung von der Welt Alter, Des Heiligen Römischen Reiches Ständen, und derselben Beschaffenheit…“ (online zugänglich unter: http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10920500.html [Ausgabe von 1670]; Zugriff am 28.7.2014) dem hebräischen Geschichtsverständnis mit einer Historiographie, die „Ausdruck des gesamten nationalen und religiösen Lebens“ auf der biblischen Landkarte war. Erdmuthe Sophia spricht von der „Erschaffung der Welt in sechs Tagen“, von Adam, dessen „Rieb zum Weibe wird erbauet“, von Jesus Christus, welcher im Jahre 34 „auch gen Himmel gefahren“, von „Engeland“, das im Jahre „597“ zum „Christlichen Glauben“ gekommen ist, und im Jahre 826 ist Dänemark christianisiert worden, endlich hatte 1517 „D. Martin Luther zu Wittenberg angefangen(,) die Paepstlichen Irrthume der Kirchen abzuschaffen/aus Anlaß deß Ablaß/und ist solche Evangelische Lehr bald darauf in Sachsen/Francken/Thueringen/Hessen/Schwaben/Pommern/auch zu Nuernberg/ und andern Orten angenommen worden“. So stellt das 677seitige „Kompendium“ einen „Historischen Almanach“ und gleichzeitig ein aufklärerisches Frühwerk dar. Erdmuthe Sophia huldigt auch Kaiser Leopold I., anlässlich dessen Kaiserwahl und Krönung (1.8.1658) sie in Frankfurt am Main im Sommer 1658 als „die allerschönste Prinzessin in ganz Deutschland“ zugegen gewesen war: „Der mit seiner Frömmigkeit/Gelinde und unbeschreiblichen Milde die Federn der Gelehrten noch ins künftige aufmuntern und anfüllen wird“. Deshalb hat die Markgräfin ihrem Kaiser auch den Wahlspruch „Consilio et industria“ zugeordnet: „Wird guter Raht und Fleiß beysammen stehen/in meinem Reich/so wird es Glücke sehen“. Aber auch Erdmuthes Vater Johann Georg II. von Sachsen wird gehuldigt: Ihr Vater hat sich „in jetzigen Kriegsläufften rühmlich erwiesen“.
Weitere und nach dem Tode der Markgräfin erschienene Auflagen von 1674, 1676, 1689 und 1696 trugen jetzt den Titel „Sonderbare Kirchen-, Staat- und Weltsachen“ (online zugänglich unter: http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10034766.html [Ausgabe von 1676]; Zugriff am 28.7.2014) und beinhalteten ein Vorwort des evangelischen Geistlichen, Chronisten und Professors am Bayreuther Gymnasium „Christian Ernestinum“ Johann Georg Layritz (1647-1716) sowie einen Abschnitt „allerhand curieuse“ für die studierende Jugend. Auch lässt Erdmuthe Sophia ihre Leserschaft wissen, dass in Deutschland drei Sprachen vorherrschten: die deutsche Sprache, die böhmische und die wendische. Und es gab drei Religionen: die evangelische Religion, die katholische oder „Päbstliche“ und die „Calvinische“ Religion. Die „Calvinisch Reformirten“ nannten sich aber regional unterschiedlich: „Hugenotten“ in Frankreich oder etwa „Waldenser“ in Savoyen. In Polen aber hat angeblich Lasco in dem „Evangelischen Liecht“ sein „Calvinisch Unkraut ausgesäet“ und Flurschaden verursacht. Das „nie genug gepriesene Wercklein“ (Vorwort) Erdmuthe Sophias war auch deswegen neu herausgegeben worden (1676), damit nunmehr „der Hochseeligsten Prinzessin unsterblicher Ehren-Nachruhm in vollkommene Blüthe wiederum gesezzet würde“. In Wirklichkeit hatte sich die Publikation unschwer zu einem „Standardwerk“ fortentwickelt.
Wie groß aber war der politische Wirkungsbereich, welchen die geistig außerordentlich gewandte Erdmuthe Sophia an der Seite ihres Ehemannes Christian Ernst „erkämpfte“? Mit dem Eheleben zwischen Erdmuthe Sophia und ihrem Ehemann Christian Ernst stand es nicht zum Besten. Wie ein „Akt“ des Staatsarchivs Bamberg eingehend dokumentiert, bestand in den Jahren 1664 bis 1669 ein „Mißverständnis“ zwischen Christian Ernst und „dero Gemahlin“. Die Quellen sprechen von zwei „belegten“ Liebschaften der Markgräfin mit fürstlichen Beamten. Sie hat seit dem Jahre 1663 den Bau eines „Jagdschlosses“ auf dem „Sophienberg“ bei Bayreuth durchgesetzt, dessen Reste noch heute zu sehen sind. Ihre Veröffentlichungen wie ihre literarische und politische Korrespondenz unterstreichen die vollkommene Eigenständigkeit der landauf, landab hochgeschätzten „Landesmutter“. Einen Hinweis auf ihre hohe Emanzipation mag die Markgräfin parabolisch in einer Art Epilog ihres Werks „Handlung von der Welt Alter“ selbst an das Tageslicht geholt haben. Offensichtlich hat sich Erdmuthe Sophia die antike Herrscherin Zenobia zu ihrem Vorbild erkoren. Denn ein „Fürstenspiegel“ „Historia von der Königin Zenopia“ ist etwa der Ausgabe „Handlung von der Welt Alter“ aus dem Jahre 1668 hintangestellt (S. 219-260). Zenobia war aus der syrischen Stadt Palmyra gebürtig und seit etwa 255 n.Chr. mit dem römischen Feldobristen Obdenatus vermählt (S. 227). Erdmuthe Sophia glaubte, dass Zenobia eine Tochter „des Königs Ptolomæi in Egypten“ sei und somit eine Verwandte der Königin Kleopatra darstellte. Die gebildete und bei Hofe von Geschichtsschreibern umgebene Zenobia hat sodann ab 270 zunächst mit Billigung Roms ein ägyptisch-arabisches Großreich geschaffen. Später von Kaiser Aurelian († 275) in Rom vorgeführt, blieb das weitere Schicksal der Zenobia, die „in Ritterlichen Thaten von niemand übertroffen“ worden war und welche zum jüdischen Glauben bekehrt worden sein soll, ungewiss. Sie ist „das alleredleste und fürtrefflichste Weib gewesen/so jemals geboren“.
Erdmuthe Sophia stellt in ihren Werken gerne die Tugenden ihrer jeweils handelnden Personen heraus, die sie zu gottgemachten Generaltugenden erklärt: Und „wenn die ganze Welt zusammen käme, und einen frommen Fürsten suchte“: „Hieraus sihet man/daß Frömmigkeit eines Fürsten Ruhm ist“ und tugendsame Fürsten „darnach“ strebten. Und Gottes oberste Strafe ist der Krieg. Daraus resultiert auch Erdmuthe Sophias zeitlose und von kaum politisch dagewesener Aktualität bestimmte Weisheit: „Hierbey ist jetzt zu gedencken/daß je größer man ist/je näher ist man dem Fall: Glückselig ist der jenige/so solches zu Herzen nimmet/aber wehe dem jenigen/der groß wird nicht von Geburt/sondern durch Menschen-Hülffe/Das Glück ist kugel-runde“. Mit ihrem geistig verwandten lutherischen Umfeld stand die Markgräfin in fortgesetztem regenGedankenaustausch. Wie ihre Korrespondenz beweist, hatten ihr Vater und sie auch in konfessionellen Belangen einen gar leidenschaftlichen „Meinungsaustausch“. Ihre letzte große Mildtätigkeit bestand darin, zu Pfingsten 1670 der Stadtpfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit in Bayreuth ein großes silbernes Altarkreuz geschenkt zu haben. Die wunderschöne Silberarbeit mit barockem Corpus ist uns erhalten geblieben und wird an großen Festtagen wie Weihnachten auf dem Altar der Stadtpfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit in Bayreuth präsentiert.
(Zum Foto: Von Markgräfin Erdmuthe Sophia von Brandenburg-Bayreuth gestiftetes Silberkruzifix, Stadtpfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit in Bayreuth/Oberfranken, 1670; Copyright: Dr. Michael Peters)
Erdmuthe Sophia hat in Wort und Schrift unzählige reformatorische Akzente gesetzt. Erst elfjährig hat die sächsische Prinzessin im Sommer 1655 den bald in sächsischen wie fränkischen Kirchenliederbüchern zu findenden Lobgesang gedichtet: „Biß Getrost/O meine Seele/Biß getrost/biß in den Todt/Biß dich Gott aus dieser Höle/Führet aus der Jammer Noth: /So will ich bey Jesu leben/Immer und in Ewigkeit: Ich will bey Ihn bleiben eben/Weil uns auch der Tod nicht scheidt. Aus Trübsal und grosser Noth/Will ich fahren hin zu Gott/Da die Sonn wird ewig scheinen/Und mit Ihm ich mich vereinen“ [Neu-vollständiges Marggräflich-Brandenburgisches Gesang-Buch, Culmbach 1683, Nr. 343]. Sie hat in ihren zahlreichen Schriften vielfältiges lutherisches Ideengut gesammelt und „verzeichnet“, klassifiziert und verbreitet. Erdmuthe Sophia hat hier mit als Erste zudem verfassungsgeschichtliche Zuordnungen konfessioneller Inhalte vorgenommen und in eine Art „Grammatik“ „gegossen“. Ihr voluminöses Werk „Sonderbare Kirchen-, Staat- und Weltsachen“ von 1676 mit 677 Seiten hat in diesem Sinn Bahnbrechendes geleistet. Das Werk hat europaweite Verbreitung gefunden, selbst in schwedischen (Ausgaben von 1678 und 1689) und finnischen (Turku: Auflage von 1668) Bibliotheken ist es vorhanden. Erdmuthe Sophia hat darin nicht nur eine „Chronik“ zur Reformationsgeschichte verfertigt, sondern auch „Der Reichs-Stände Eintheilung/nach den Religionen“ vorgenommen, worin sie bekennen musste, dass auf Reichstagen die katholischen Stände stärker vertreten sind als die evangelischen und reformierten: „Als die Evangelischen und Reformirten/als die nicht viel über 40. jener aber etliche 50. vota zehlen“ (S. 249). Vermutlich hat Erdmuthe Sophia zudem in Bayreuth das kirchliche Patronatsrecht ausgeübt, das heißt, sie hat die Besetzung der Pastorenämter bestimmt. Caspar von Lilien (geb. 1632) war Superintendent und Hofprediger in Bayreuth und der Beichtvater Erdmuthe Sophias. Es steht außer Zweifel, dass sich Erdmuthe Sophia für Lilien, der auch an ihrem Totenbett stand, wiederholt verwendet hat. Ganz außer Zweifel steht zudem, dass Lilien auch von Markgräfin Erdmuthe Sophia reformatorische Impulse erhalten hat. Der Bayreuther Theologe hat 1668 sein Werk „Das Christ-glaubige Mohren-Land Bey Angestelter Tauffe einer Mohrin/In der Pfarr-Kirche der Hochfürstl. Residenz-Stadt Bayreuth/ am 13. Christmonats-Tag/des 1668. Jahrs/in Hochansehnlichster und sehr volkreichen Versammlung“ der Markgräfin und ihrem Gemahl gewidmet, und ein Spätwerk Liliens (1679) behandelt die Friedenswahrung im Heiligen Römischen Reich. Der Bayreuther Theologe mit sächsischen „Wurzeln“ hielt auch die besonders „üppige“ und aufwendige Trauerfeier für Erdmuthe Sophia ab, während ein geistlicher Kollege vor allem in Anspielung auf Erdmuthe Sophias reformatorische Eigenimpulse die Worte fand: „Es kann nicht seyn! Messt Ihrer Tugend-Schein/Es ist zum Grab ganz Franckenland zu klein“.
Erdmuthe Sophia, die Wissenschaft, Kunst und Kultur nachdrücklich förderte und sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg-Bayreuth – dort als „Landesmutter“ – sehr beliebt war, gehörte zu den gebildetsten Frauen ihrer Zeit. Mit besonders großen Geistesgaben ausgestattet, ist sie jenem Typus von Dichterinnen und Denkerinnen mit fulminanter Kraft zuzurechnen, denen nur ein kurzes irdisches Dasein beschieden war. Dem Residenzsitz des Fürstentums hat die „Bayreuthische Pallas“ zu einer geistigen wie literarischen Blüte verholfen. Ihre von tiefer konfessioneller Toleranz geprägten Werke finden europaweite Beachtung und Anerkennung. In Bayreuth ist Erdmuthe Sophia leider nur allzu schnell vergessen worden. Das ist ein Teil ihrer inhärenten Tragik: „Tout avec Dieu & le Temps“.
(Zum Bild: Erdmuthe Sophia zu Pferde, um 1668, Inventar-Nr. C-596332 PAD;
Copyright: LWL-Museum für Kunst und Kultur [Westfälisches Landesmuseum], Münster)