Florentina von Oberweimar

Das Kloster als Gefängnis
Das Kloster als Gefängnis Dorothee Kommer
Lebensdaten
von um 1506 - bis nach 1523
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Beziehungen

Florentina von Oberweimar stammte väterlicherseits aus dem Adelsgeschlecht von Oberweimar, mütterlicherseits aus dem Geschlecht von Watzdorf. Mit sechs Jahren kam sie in das Kloster Helfta. Auf ihre fünfjährige Erziehungszeit im Kloster folgte eine Einsegnung im Alter von 11 Jahren. Mit 14 Jahren erkannte Florentina von Oberweimar, für das Klosterleben nicht geeignet zu sein. Ihr wurde jedoch mitgeteilt, dass ihr Weg zur Nonne unwiderruflich sei, da sie bereits eingesegnet worden sei. So durchlief sie trotz innerem Widerstand das Noviziat und legte im Alter von etwa 16 Jahren die Klostergelübde ab. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch im Oktober 1523 wurden ihr harte Strafmaßnahmen und Zellenarrest auferlegt. Dennoch gelang ihr zwischen Weihnachten 1523 und März 1524 die Flucht aus dem Kloster. Die leidvollen Erfahrungen, die Florentina von Oberweimar im Kloster machen musste, schrieb sie nieder. Im Frühjahr 1524 wurde diese Schrift gedruckt. Sie erschien unter dem Titel: „Eyn geschicht wie Got eyner Erbarn kloster Jungfrawen ausgeholffen hat“ und fand wegen des von Martin Luther verfassten Vorworts Eingang in Luthers gesammelte Werke (WA 15, 79-94).

Das Kloster Helfta spielte für die Versorgung unverheirateter Frauen in der Familie Florentinas von Oberweimar eine wichtige Rolle. Außer ihr waren noch mehrere andere weibliche Angehörige ihrer Familie dort im Kloster. Verwandt mit ihr waren die Äbtissin Katharina von Watzdorf (gest. 1534), die Novizenmeisterin Katharina von Oberweimar und die Schulmeisterin Margaretha von Watzdorf. Diese Verwandten gestatteten ihr jedoch keine Rückkehr ins weltliche Leben, sondern bemühten sich, Florentinas Fluchtpläne zu vereiteln. Nach Florentinas Klosterflucht verbreitete die Äbtissin Katharina von Watzdorf Verleumdungen über sie. So habe Florentina bei ihrer Flucht das Kloster bestohlen. Um diese Verleumdungen zu entkräften, verfasste Florentina von Oberweimar ihre Flugschrift. Katharina von Watzdorf war es auch, die ihrer Verwandten Florentina von Oberweimar nach dem gescheiterten Fluchtversuch Klosterstrafen wie Schläge und Gefängnishaft mit Fußeisen auferlegte und ab Weihnachten 1523 lebenslangen Zellenarrest über sie verhängte.

Andererseits erfuhr Florentina von Oberweimar seitens ihrer Verwandtschaft auch Unterstützung für ihr Anliegen, das Kloster zu verlassen. Ihren ersten, gescheiterten Fluchtversuch im Oktober 1523 hatte sie mit Hilfe von Verwandten unternommen. Ihren Vetter Kaspar von Watzdorf (1482-1538), den Florentina von Oberweimar als „liebhaber Euangelischer warheyt“ (WA 15, 92, Z. 24) bezeichnet, ersuchte sie im Dezember 1523 schriftlich um Hilfe. Der Brief wurde jedoch abgefangen. Den Entschluss zur Klosterflucht fasste Florentina von Oberweimar aufgrund der Lektüre von Schriften Martin Luthers. Sie bemühte sich auch um direkten Kontakt mit Luther. Ein Hilfsgesuch an Luther wurde jedoch ebenfalls von der Äbtissin entdeckt. Trotz des lebenslang verhängten Zellenarrests konnte Florentina von Oberweimar aus dem Kloster fliehen, als die Wächterin die Zellentür offen gelassen hatte. Nach ihrer Klosterflucht verliert sich die Spur von Florentina von Oberweimar. Wenn man der polemischen Darstellung von Johannes Cochläus (Cochläus: 100) Glauben schenken darf, hielt sie sich bei Luther in Wittenberg auf. Möglicherweise fand sie auch bei Kaspar von Watzdorf Zuflucht.

Wirkungsbereich

(Zum Bild: Titelholzschnitt mit Darstellung der Klosterflucht Florentinas von Oberweimar  zu ihrer Flugschrift: Eynn geschicht wye Got eyner erbarn kloster Jungfrawen […], Erfurt: Wolfgang Stürmer [Copyright: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart; Signatur: Theol. qt. K. 542].)

Der historisch greifbare Wirkungsbereich Florentinas von Oberweimar beschränkt sich auf die eine von ihr überlieferte Flugschrift „Eyn geschicht wie Got eyner Erbarn kloster Jungfrawen ausgeholffen hat“, die im Frühjahr 1524 im Druck erschien. Über ihr Leben ist im Grunde nur bekannt, was sie selbst in dieser Flugschrift beschrieben hat. Dennoch erreichte Florentina von Oberweimar mit dieser einen Flugschrift eine beachtliche Wirkung. Die Schrift, die erstmals im März oder Anfang April 1524 in Wittenberg in den Druck ging, erlebte noch im selben Jahr eine überregionale Verbreitung. Sie wurde je einmal nachgedruckt in Augsburg, Nürnberg und Straßburg; in Erfurt sogar zweimal. Die biografischen Aufzeichnungen einer gegen ihren Willen im Kloster festgehaltenen jungen Frau und ihrer nach langem Leiden doch geglückten Klosterflucht stießen damals auf das Interesse einer größeren Leserschaft. Dazu mag auch beigetragen haben, dass Florentina von Oberweimar ihre Lebens- und Leidensgeschichte in eine literarische Form brachte, die den damals allgemein bekannten Heiligenlegenden ähnelte. Diese literarische Gestaltung zeigt auch, welche Bildung die Autorin im Kloster erworben hat. Selbst ein lateinisches Zitat aus der Benediktsregel begegnet in ihrer Schrift (vgl. WA 15, 90, Z. 17f.). Die Bibel zitiert Florentina von Oberweimar im Vergleich zu anderen reformatorischen Flugschriftautorinnen wie etwa Argula von Grumbach dagegen auffallend selten, was aber auch am biografisch-erzählenden Charakter ihrer Schrift liegen mag. Dass die Schrift überhaupt gedruckt wurde, geschah auf Veranlassung Martin Luthers (vgl. WA 15, 88, Z. 13f.). Er verfasste für die Schrift ein Vorwort, das er an Florentinas Landesherren, die Grafen von Mansfeld richtete. Im Titel der Flugschrift wird dieses Vorwort Luthers bereits werbewirksam angekündigt, während Florentinas Name dort unerwähnt bleibt. So lautet der Titel in voller Länge: „Eyn geschicht wie Got eyner Erbarn kloster Jungfrawen ausgeholffen hat. Mit eynem Sendebrieff M. Luthers an die Graffen zu Manßfelt.“ (WA 15, 86, Z. 1-3). Außer dem Vorwort verfasste Luther für die Schrift auch eine Schlussbemerkung, in der er gegen Nonnen und die zwangsweise Unterbringung in Klöstern polemisierte. Möglicherweise stammen auch die in einigen Druckausgaben überlieferten Randbemerkungen von Luther.

Bemerkenswert ist, dass das Kloster Helfta, in dem Florentina von Oberweimar gegen ihren Willen festgehalten wurde, 1525 im Bauernkrieg völlig zerstört wurde, also im Folgejahr nach dem Erscheinen von Florentinas Flugschrift. Da das Kloster in der Eislebener Vorstadt gelegen war, war diese Zerstörung nur mit der Billigung oder sogar Mitwirkung der mit der Reformation sympathisierenden Eislebener Stadtbevölkerung möglich, der Florentinas Flugschrift sicherlich bekannt war. Möglicherweise gab also Florentinas Flugschrift den Ausschlag für diese völlige Zerstörung des Klosters Helfta.

Als protestantisches Glaubenszeugnis wurde die Flugschrift Florentinas von Oberweimar auch noch im späteren 16. Jahrhundert rezipiert. Sie fand Eingang in die Märtyrerhistorien von Ludwig Rabus (vgl. Rabus Bd. 7, 28v – 35r) und den Jungfrauenspiegel von Conrad Porta (vgl. Porta 16r – 22v).

Reformatorische Impulse

Schon bevor Florentina von Oberweimar mit reformatorischen Gedanken in Kontakt kam, wollte sie das Klosterleben aufgeben, bekam aber im Kloster die Auskunft, dass dies nicht möglich sei. Dieses vorreformatorische Leben als Nonne wider Willen erlebte Florentina von Oberweimar als eine Zeit der Gewissensnot. Das Leben im Kloster beschreibt sie entsprechend ihrer inneren Entwicklung zunächst als ihrer „geschicklickeyt und natur entkegen“ (WA 15, 89, Z. 29f.), dann als tägliche Gewissensbeschwerung (vgl. WA 15, 90, Z. 30), schließlich als „eyn gestrackter weg zu der helle […], denn ich nichts Euangelisch, nichts geystliches, viel weniger Christliches darynnen kan erkennen“ (WA 15, 91, Z. 12-14). Vor diesem Hintergrund verstand Florentina von Oberweimar das Aufkommen der Reformation im Allgemeinen und das Kommen reformatorischer Schriften zu ihr ins Kloster im Besonderen als Anbrechen der göttlichen Heilszeit: „Als nuo die heylsame zeyt Goettliches trostes, ynn wilcher das Euangelion, das ettwa lange verborgen, an tag komen, das wort Gottis klar gehandelt gantzer gemeynen Christenheyt erschynen, sind auch myr als eynem verschmachtem hungrigem schaff, das lange der weyde gedarbet, die schriffte der rechten hirten […] furkomen“ (WA 15, 91, Z. 3-9).

Kommentar

Florentina von Oberweimar betont wie Martin Luther die freie Gewissensentscheidung jedes Einzelnen. Zu einer Lebensform wie dem Klosterleben darf niemand gezwungen werden. Eltern haben nicht das Recht, über das Leben ihrer Kinder zu entscheiden, wie es damals geschah, wenn Kinder zur Erziehung ins Kloster gegeben wurden und ein Austritt später nicht mehr möglich war. Dass eine solche Gewissensentscheidung auch für reformatorisch denkende Frauen zugunsten des Klosterlebens ausfallen könnte, wie es etwa im Konstanzer Kloster St. Peter geschah, ist für Florentina von Oberweimar aufgrund ihres eigenen Leidens am Klosterleben nicht im Blick.