Christine Bourbeck wurde am 19.6.1894 in Hage/Ostfriesland geboren. Nach dem Tod des Vaters musste sie die Verantwortung für die beiden jüngeren Geschwister übernehmen. Deshalb hatte die Berufstätigkeit der 19-Jährigen ausgebildeten Volks- und Mittel-schullehrerin Priorität vor dem eigenen Studienwunsch. Sie arbeitete nach dem Erwerb der Lehrbefähigung für Volks- und Mittelschulen als Lehrerin und Leiterin an Realschulen in Westrhauderfehn und Dornum. Erst im Alter von 33 Jahren begann sie ihr Studium der Evangelischen Theologie in Münster, später in Jena. Schon mit der Wahl des Lehrerinnenberufes war der weitere Weg als ledige berufstätige Frau beschritten, da sowohl Lehrerinnen als auch Theologinnen dem Zölibat unterlagen. Sie schloss ihr Studium 1930 mit dem Staatsexamen ab. Damit wählte sie den gesellschaftlich nahe liegenderen Weg und erneut den Lehrerinnenberuf. Von 1930-1938 war sie Direktorin der Dumas’schen Schule in Leipzig, einer Mädchenschule in der Trägerschaft der Inneren Mission. Anschließend leitete sie 1938-1939 die Bibelschule des Burckhardthauses in Bielefeld-Sieker und das Katechetische Seminar der Westfälischen Bekennenden Kirche in Bielefeld (gemeinsam mit Georg Merz).
Ihre Biographie unterscheidet sich deutlich von „Normalbiographien“ der männlichen Theologen, aber auch Biographien anderer Theologinnen. Sie beschritt einen unorthodoxen Ausbildungsweg, wurde sie doch 1940 nach bestandenem Zweiten Theologischen Examen vor dem Konsistorium in Münster als Vikarin anerkannt, ohne das Erste Theologische Examen abgelegt und ohne ein Vikariat abgeleistet zu haben. Beides war nach dem gültigen preußischen Vikarinnengesetz von 1927 auch für die Frauen vorgesehen.
Christine Bourbeck kommentierte das selbst so: „ Es ist ein besonderes Merkmal meines sehr langen Bildungsganges, daß ich immer zuerst eine Aufgabe bekam, für welche ich den Befähigungsnachweis lange nachher erbrachte“ (so in der Darstellung ihres Bildungsganges an das Konsistorium der Kirchenprovinz, Münster).
Ihre Lebensstationen führten sie – nach Zeiten der Berufstätigkeit in Ostfriesland, Bielefeld, Leipzig und Berlin – im Ruhestand nach Bad Pyrmont, wo sie am 20.2.1974 starb.
Im Alter von 45 Jahren vollzog Christine Bourbeck den Schritt von der theologisch arbeitenden Lehrerin zur pädagogisch tätigen Theologin.
Von 1939-1945 war sie als Vikarin bei der Schwesternschaft des Evangelischen Diakonievereins in Berlin-Zehlendorf tätig. Am 25.8.1940 wurde sie dann durch den westfälischen Oberkonsistorialrat Philipps aus Münster in Berlin eingesegnet.
Von 1946-1961 wirkte Christine Bourbeck in Berlin, sowohl als Direktorin der Wohlfahrtsschule der Inneren Mission im Evangelischen Johannesstift als auch als Leiterin der Schwesternhochschule der Diakonie.
1951 übernahm sie den Vorsitz des Konventes Evangelischer Theologinnen in Deutschland, den sie bis 1965 innehatte. Höhepunkt ihrer Arbeit war ihre Beteiligung an der Vorbereitung des Pastorinnengesetzes der Ev. Kirche der Union (Verordnung über das Amt der Pastorin in der Evangelischen Kirche der Union, 3. Juli 1962). Von 1952-1961 leitete sie das Vikarinnenseminar der Evangelischen Kirche der Union (siehe unten).
1957 wurde sie als Leiterin desselben formal zur Studiendirektorin ernannt. Damit wurde dem Vikarinnenseminar die volle Gleichwertigkeit mit den Predigerseminaren verliehen.
Christine Bourbecks Arbeit erreichte öffentlich Wirksamkeit. Die Bibliographie weist 14 selbständige Schriften und 100 Aufsätze aus (vgl. Lipski-Melchior, Christine Bourbeck, 269-275).
Mit der Schrift „Schöpfung und Menschenbild in deutscher Dichtung um 1940. Hausmann, Peters, Bergengruen“ wurde sie 1945 in Leipzig promoviert (Doktorvater Martin Doerne).
Das Thema „Theologie und Dichtung“ war für sie ein Lebensthema, dem sie sich in mehreren Veröffentlichungen widmete. Ihre weiteren theologischen Schwerpunkte lagen in der Anthropologie und Seelsorge. Ein Novum in den 60er Jahren war die theologische Reflexion über das Alter. Im Ruhestand veröffentlichte Christine Bourbeck mehrere Schriften auf diesem Gebiet. Sie verstand es als große Gnade, wenn der alte Mensch am Ende seines Lebens „das Zeitliche segnen“ und dabei sein Gottvertrauen zum Ausdruck bringen kann: „Wer das Zeitliche segnen kann und dankbar zurückblickt auf seine vergangenen Jahre, der vermittelt dadurch den Menschen, die nach ihm kommen, Kräfte des Vertrauens und der Zuversicht auf den, der alle unsere verworrenen Wege münden lassen will in seinem Licht.“ (vgl. Bourbeck, Alter, 133).
1964 wurde Christine Bourbeck die Ehrendoktorwürde durch die Theologische Fakultät der Universität Göttingen verliehen.
Das Thema Predigerseminarsausbildung für Frauen war bei den Landeskirchen 1951 auf der Tagesordnung. Christine Bourbeck war selbst der Überzeugung, dass die Theologinnen eine besondere Zurüstung für ihren Dienst brauchen. Sie legte 1952 den Entwurf eines Planes für einen viermonatigen Kursus für Lehrvikarinnen vor und plante einen Kurs für 10 Frauen, die bereits ein Jahr in der Gemeinde ausgebildet wurden. Der Kurs sollte sich in Programm und Zielrichtung von einem Predigerseminarskurs unterscheiden. Der Plan fand Zustimmung in der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union. Im Winter 1952/53 konnte der erste Kurs mit neun Lehrvikarinnen, davon drei aus der DDR, im Evangelischen Johannesstift Berlin-Spandau stattfinden.
Christine Bourbecks Hauptanliegen war die Zurüstung zum geistlichen Dienst innerhalb der „soziologischen Bedingtheit unserer Zeit“. Ein großer Unterrichtsblock des Ausbildungsprogramms stand deshalb unter dem Motto „Soziale Probleme und soziale Praxis unserer Tage“. Als Fächer standen unter anderem auch Rechtskundeunterricht Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege und christliche Gesellschaftswissenschaften (oder in den verschiedenen Jahrgängen unterschiedlich benannt „Grundfragen christlicher Ethik in der Industriezeit“) auf dem Programm. Neben der starken Berücksichtigung der Humanwissenschaften trugen gelegentlich gemeinsame Unterrichtsstunden der Vikarinnen mit den Schülerinnen und Schülern der Kirchenmusikschule, Wohlfahrtsschule und Schwesternschule auf dem Gelände des Johannesstiftes zur Horizonterweiterung bei.
Während in den Predigerseminaren der Männer der Schwerpunkt darauf lag, die ganze Breite des pfarramtlichen Dienstes theologisch zu durchdringen (vgl. Thimme, Aufgaben, 83-98) fokussierte Bourbeck die Aufgaben der Vikarin in Spezialpfarrämtern im Bezug zum Mitmenschen. Mit ihrer Gestaltung der Ausbildung stützte Christine Bourbeck die Auffassung eines eigenen Amtes der Theologin (Amt „sui generis“), zu dem sie ihre Vikarinnen befähigen wollte.
Christine Bourbeck lag daran, durch die Kurse auch die spätere Verbundenheit der berufstätigen Theologinnen untereinander zu stärken. Eine Besonderheit des Vikarinnenseminars gegenüber der Predigerseminarsausbildung der einzelnen Landeskirchen bestand darin, dass die Vikarinnen aus verschiedenen Landeskirchen zusammenkamen und sich auch als West- und Ostvikarinnen mit allen Chancen und Schwierigkeiten im geteilten Deutschland begegneten.
Christine Bourbeck hatte neun Jahre lang die Chance, Einfluss auf die Ausbildung der Frauen im geistlichen Amt zu nehmen und sie mitzugestalten. Da ein großer Teil der Theologinnen in Deutschland zwischen 1952 und 1961 ihr Seminar besuchte, hat sie das Berufsbild einer ganzen Theologinnengeneration geprägt. Zeitzeuginnen bestätigen das. Ihr Beitrag zur Pastoraltheologie bestand darin, die Vikarinnen vor allem für den Blick auf den Menschen der Industriezeit zu sensibilisieren. Ihr Ansatz der Theologinnenausbildung war zeitgemäß und innovativ und sie war sich der besonderen Aufgabe verantwortlicher Frauen in der Kirche bewusst.
Überblickt man heute Christine Bourbecks Lebensweg versetzt die Vielseitigkeit in Erstaunen. Sie war eine sehr wache, lebhafte, geistig interessierte, belesene und kommunikationsfähige Frau mit weitem Denkhorizont. Christine Bourbeck kann bis heute in ihrer Bereitschaft ein Vorbild sein, über den Tellerrand der Theologie hinauszuschauen, sich mit Zeitströmungen auseinanderzusetzen, Literatur und Kunst der Zeit für die theologische Arbeit fruchtbar zu machen und den Dialog mit den Humanwissenschaften zu pflegen, um den Sorgen und Nöten des heutigen Menschen im virtuellen Zeitalter näher zu kommen (vgl. auch Lipski-Melchior, Christine Bourbeck, 211ff.).