Katharina Gerlach

„Gedruckt zu Nürmberg durch Katharinam Gerlachin“
Eine Nürnberger Buchdruckerin Katharina Talkner
Lebensdaten
von ca. 1520 - bis 1591
Unter weiteren Namen bekannt als:
Katharina Gerlatzin, Katharina Gerlachin, Katharina Gerlachia, Katharina Bischoff (auch Bishoff), Katharina Schmid, Katharina von Berg (latinisiert Montanus)
Beziehungen

Katharina Bischoff war dreimal verheiratet: zunächst seit 1536 mit dem Fuhrunternehmer Nicolaus Schmid, der bereits nach vierjähriger Ehe 1540 starb, seit 1541 mit dem Drucker Johann vom Berg (Montanus), der am 7.8.1563 starb, und zuletzt seit 1565 mit Dietrich (Theodor) Gerlach, der am 17.8.1575 starb. In ihrer Zeit als Druckerehefrau sammelte sie Erfahrungen und erlernte Fertigkeiten, die ihr als Witwe die selbstständige Weiterführung der Druckerwerkstatt ermöglichten.

Gute Geschäftsbeziehungen zu anderen Offizinen wie Wolfgang Kirchner in Magdeburg, Andreas Wolcken in Breslau und Johan Beyer in Leipzig hatte die Druckerei Berg-Neuber-Gerlach beispielsweise für Gemeinschaftspublikationen. Einzig mit der Münchner Offizin Berg stand die Gerlachsche Druckerei in ernster Konkurrenz, da sie Titel derselben Autoren bzw. Komponisten verlegten. Ebenfalls zur Konkurrenz wurde Nicholas Knorr, ein Setzer der Werkstatt Gerlach, als er sich mit einer eigenen Druckerei in Altdorf selbstständig machte. Er löste damit vermutlich die Schließung des Gerlachschen Zweigbetriebes in Altdorf aus.

Mit dem Kantor der Nürnberger Egidienkirche, Friedrich Lindner, pflegte Katharina Gerlach geschäftliche Kontakte. Er war einer ihrer Mittelsmänner nach Italien und stellte mehrere Sammlungen italienischer Kompositionen für sie zusammen. Der zweite Mittelsmann war Leonhard Lechner: Er lebte von 1575 bis 1584 in Nürnberg und „veröffentlichte nahezu exklusiv bei Katharina Gerlach, mit mindestens 19 Ausgaben eigener Werke und sechs Ausgaben von vier durch ihn edierten Sammlungen“ (Gustavson: Sp. 784). Auch zu weiteren in Nürnberg lebenden Komponisten wie Franz Joachim Brechtel, Clemens Stephani und Lucas Osiander suchte das Ehepaar Gerlach Kontakt und bewegte sie zur Publikation ihrer Werke in der Druckerei Gerlach, so druckte Katharina 1586 „Fünfftzig Geistliche Lieder vnd Psalmen“ Lucas Osianders.

Ein wichtiges Marketinginstrument für Drucker und Buchführer des 16. Jahrhunderts waren Messkataloge von Buchhändlern, im Falle der Druckerei Gerlach waren es der Augsburger Buchhändler Georg Willer d.Ä. und der Frankfurter Buchhändler und Verleger Nikolaus Stein. 1582 bot Katharina Gerlach 187 Titel in einem eigenen Katalog feil.

Wirkungsbereich

Katharina Gerlachs Wirken war bleibend: Ihr Name taucht in gut 300 Büchern auf, jedoch nicht als Verfasserin, sondern unscheinbarer und leicht zu übersehen als Druckerin. Sogar ihre Nachkommen führten die Offizin noch für drei Jahre unter dem Namen „Katharine Gerlachin Erben“.
Ob Katharina Bischoff eine Schule besuchte, nur von ihrer Mutter unterwiesen wurde oder eine Zeitlang in einem fremden Haushalt als Magd lernte und arbeitete, ist ebenso wenig überliefert wie der Beruf ihres Vaters. Im Buchgewerbe war er nicht tätig, da er nicht im umfassenden Quellenwerk von Diefenbacher & Fischer-Pache zum Nürnberger Buchgewerbe aufgeführt ist.
Wie frei war Katharina in der Wahl ihres zweiten Ehemannes? Auch das wissen wir nicht. Es ist aber anzunehmen, dass sie sich gemeinsam mit Johann vom Berg und dem Geschäftspartner Ulrich Neuber für die Gründung einer Druckerei in dem Haus entschied, welches sie von ihrem ersten Mann geerbt hatte. Handwerksbetriebe in der Frühen Neuzeit konnten nur gewinnbringend wirtschaften, wenn neben dem Meister auch seine Ehefrau mitarbeitete (vgl. Driver: 139 mit Verweis auf Herlihy: 186; Dülmen: 106-107). Da ihr Zutun selbstverständlich war und nicht entlohnt wurde, ist es nicht schriftlich dokumentiert. Mögliche Aufgaben in einer Buchdruckerei waren die Auswahl der zu publizierenden Werke, das Anfeuchten, Einspannen, Aufhängen und Stapeln des Papiers oder (wenn die Frau gut lesen konnte) das Setzen des Textes und das Korrekturlesen (vgl. Driver: 151; Zemon Davies: 50 und 55). Da die Ehefrau aber auch für die Pflege der Kinder, die Versorgung des Haushalts sowie die Verpflegung der Familie und Angestellten verantwortlich war und der Volksglaube in menstruierenden Frauen eine Gefahr für technische Prozesse und Geräte sah, war ihre Mitarbeit in der Werkstatt nicht kontinuierlich (vgl. Zemon Davis: 53). Die Ehefrau war dem Mann als Hausherr untergeordnet, nur als Witwe hatte sie die Möglichkeit, einen Handwerksbetrieb zu leiten, wenngleich ihr auch dann in der Regel ein männlicher Faktor als Geschäftsführer zur Seite stand (vgl. Driver: 140). So muss auch Katharina vom Berg aktiv in das Geschäftsleben eingebunden gewesen sein, sonst wäre sie nach Johanns und später Dietrichs Tod nicht in der Lage gewesen, die Druckerei fortzuführen. Denn 1564 und 1565 taucht Katharina vom Berg im „Ämterbüchlein“ der Stadt Nürnberg als Johann vom Bergs Nachfolgerin auf, wird 1566 durch ihren dritten Mann Dietrich Gerlach und dessen Geschäftspartner Ulrich Neuber ersetzt, um 1576 (im Jahr nach Gerlachs Tod) wieder als Buchdruckerin genannt zu werden. Ulrich Neuber gründete 1567 eine eigene Werkstatt und verließ das gemeinsame Berg-Neuber-Gerlachsche Unternehmen. Bereits im Todesjahr von Dietrich Gerlach (1575) erscheint Katharina gemeinsam mit ihren Kindern im Impressum, so im Druck der „Motectae sacrae“: „Impressae Noribergae, in Officina typographica Katharinae, Theodorici Gerlachij relicatae Viduae, & Haeredum Ioannis Montani. M. D. LXXV“  („Gedruckt in Nürnberg in der Druckerwerkstatt Katharinas, Theodor Gerlachs zurückgelassener Witwe und der Erben des Johannes vom Berg. 1575“). Das „Ämterbüchlein“, in dem der Rat der Stadt Nürnberg Jahr für Jahr die mit Ämtern und Aufgaben betrauten Personen auflistete, führt sie zwischen 1576 und 1591 nicht nur als Buchdruckerin sondern auch als Buchführerin, was in etwa dem heutigen Beruf der Verlegerin entsprach. Dass auch das Buchgewerbe in das „Ämterbüchlein“ Eingang fand, hängt mit der Anfang des 16. Jahrhunderts in Nürnberg eingeführten Zensur zusammen: Jedes Druckerzeugnis wurde von Zensoren dahingehend begutachtet, ob sein Inhalt den Ruf der Reichsstadt schädigte.
1579 eröffnete Katharina Gerlach in Altdorf einen Zweigbetrieb, der bis 1585 bestand. Auslöser war sicherlich die Gründung der Altdorfer Akademie 1578, an der wissenschaftliche Werke entstanden, die fachkundig gedruckt und verbreitet werden wollten. Als jedoch 1585 Nicholas Knorr mit seiner Werkstatt Drucker der Altdorfer Akademie wurde, lohnte sich wohl das Geschäft für Katharina Gerlach nicht mehr.
Die Berg-Gerlachsche Buchdruckerei in Nürnberg war eine von zwei offiziellen Druckereien des Nürnberger Stadtrates, für den sie jährlich Erlasse mit teils für die damalige Zeit hohen Auflagen druckte, beispielsweise 200 Mandate vom Kurfürstentag im Jahr 1580 oder 6000 Mandate „vom sterben“ im Jahr 1583. Ein weiteres wichtiges Standbein, mit dem Gerlachs Werkstatt führend im deutschsprachigen Raum war, stellten Musikdrucke dar. Bereits Berg und Neuber veröffentlichten 61 Musiktraktate und Gesangbücher, die das Ehepaar Gerlach größtenteils nachdruckte. Katharina und Dietrich Gerlach setzten aber auch eigene Akzente, indem sie den Druck von Anthologien nach und nach einstellten und sich stattdessen auf die Werke einzelner Komponisten konzentrierten. Zu Dietrichs Lebzeiten waren es insbesondere lateinische Werke frankoflämischer Komponisten, nach seinem Tod legte Katharina den Schwerpunkt auf italienische Komponisten.

Beispiel für ein von Katharina Gerlach gestaltetes Titelblatt (entnommen aus: J. Beusereuth/K. Rittershausen/P. Leyser, Theses de societate, Noriberga 1586 [copyright: Bayerische Staatsbibliothek]): Titelblatt_gestaltet_von_Druckhaus_Katharina_Gerlach.pdf

Reformatorische Impulse

Die reformatorische Bewegung war in der Reichsstadt Nürnberg bereits seit 1522, als die reformatorischen Prediger Andreas Osiander, Dominikus Schleupner und Thomas Venatorius ihren Dienst an dortigen Kirchen aufnahmen, sehr lebendig und wurde vom Rat kaum bekämpft. Im März 1525 wurden Religionsgespräche geführt, die zum Verbot des katholischen Glaubens führten, 1528/29 eine Visitation zur Durchsetzung der Reformation abgehalten, 1530 die Confessio Augustana unterzeichnet und schließlich 1533 eine evangelisch-lutherische Kirchenordnung erlassen (vgl. Seebaß). Somit ist anzunehmen, dass Katharina Bischoff zwar vermutlich nicht als Säugling evangelisch getauft wurde, ihre Eltern aber den neuen Glauben annahmen und ihre Kinder in ihm erzogen.

Katharinas zweiter Mann Johannes vom Berg hatte sich sehr bewusst und gegen den Willen seines Vaters dem Protestantismus angeschlossen (vgl. Classen: 183) und druckte in seiner Offizin hauptsächlich reformatorische Literatur (vgl. Röder). Die Verbreitung des reformatorischen Gedankengutes in deutscher, lateinischer und tschechischer Sprache lag ihm offensichtlich sehr am Herzen und er wird, wenn Katharina nicht ohnehin selbst eine überzeugte Protestantin war, seine Frau mit dieser Begeisterung angesteckt haben.

Auch mit ihrem dritten Mann Dietrich Gerlach engagierte sich Katharina weiterhin für die reformatorische Bewegung, indem sie Bekenntnisschriften, Bibelauslegungen und Gesangbücher publizierten. Als Katharina Gerlach 1575 die Offizin übernahm, verlagerte sie jedoch das Gewicht der Buchproduktion deutlich auf Musikalien und passte sogar das Impressum in einigen Drucken an: „In officina Musica Catharinae Gerlachiae“ (z.B. VD16 ZV 26803). So stammten unter den 158 im Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD 16) aufgeführten Drucken aus Dietrich Gerlachs Wirkungszeit 1566–1574 noch 28 Prozent aus der Feder des lutherischen Reformators Johannes Mathesius, mit der Übernahme des Betriebes durch Katharina verringerte sich der Anteil auf 10 Prozent. Das geschah allerdings nicht unbedingt ganz freiwillig. Denn am 9. Mai 1587 verbot der Nürnberger Stadtrat Katharina Gerlachin, eine erweiterte Auflage des „Dilluvio“ von Johann Mathesius zu drucken und zu verkaufen: „wollt ihr hiemit nochmal auferlegt haben, angeregt buch zu hinterhalten und unterzudrucken und kein exemplar von handen kommen zu lassen.“ (Staatsarchiv Nürnberg, Ratsverlass Nr. 1542, fol. 46b, zit. n. Diefenbacher & Fischer-Pache: 339, Nr. 2140 vom 9. Mai 1587). Trotz dieses Ratsverlasses haben sich mindestens zwei Exemplare einer „Diluvio“-Ausgabe „gedruckt zu Nürmberg durch Katharinam Gerlachin. M D LXXXVII.“ erhalten: VD16 M 1467.

Der Anteil an Schriften Martin Luthers lag sowohl unter Dietrichs als auch unter Katharinas Leitung der Druckerei bei 7 Prozent.

Bei Musikdrucken machte das Ehepaar Gerlach wie auch später Katharina Gerlach allein keinen Unterschied zwischen den Glaubensrichtungen und veröffentlichte sowohl lutherische Lieder (z.B. „Geistliche Lieder, Psalmen vnd Lobgesenge D. Martini Lutheri, vnd anderer Gottseligen Lehrrer vnd Männer“), Gesänge der böhmischen Brüder (z.B. VD16 W 1639) als auch Mess- und Magnificatvertonungen sowie geistliche Lieder des Altgläubigen Orlando di Lasso (z.B. seine „Teutschen Lieder mit fuenff Stimmen“).

Kommentar

Auffallend und ungewöhnlich für eine Frau des 16. Jahrhunderts ist Katharina Gerlachs langes Wirken als Buchdruckerin und -führerin: Das Nürnberger „Ämterbüchlein“ verzeichnet sie 16 Jahre lang als Verantwortliche für die Offizin Gerlach. Sie beschränkte sich in dieser Zeit nicht darauf, frühere Drucke neu aufzulegen, sondern akquirierte neue Autoren und gab ihrer Offizin mit der Veröffentlichung italienischer Kompositionen ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Sprachraum. Da keinerlei Selbstzeugnisse, nicht einmal Geschäftsbriefe von Katharina Gerlach erhalten sind, fällt die Beurteilung schwer, ob sie eine Überzeugungstäterin im positiven Sinne war, die dem reformatorischen Gedankengut durch ihre Drucke zu weiter und bleibender Verbreitung verhelfen wollte, oder ob sie lediglich eine geschickte Geschäftsfrau war, die ein Gespür dafür hatte, welche Bücher sich gut verkaufen würden. Selbst wenn sie keine Überzeugungstäterin war, trugen die Drucke ihrer Werkstatt dazu bei, dass die Schriften und Lieder von Martin Luther, Johann Mathesius, Philipp Melanchthon, Veit Dietrich, Sebald Heyden und anderen von vielen Menschen rezipiert werden konnten.