Katharina von Bora wurde – nach einer Inschrift auf einer verloren gegangenen Silbermünze – am 29. Januar 1499 als Tochter des Hans (Jhan) von Bora und seiner Ehefrau Katharina von Haugwitz (Haubitz?) geboren. Als Geburtsort sind Lippendorf, südlich von Leipzig, und Gut Hirschfeld bei Deutschenbora im Gespräch. Die eindeutige Zuordnung ist deshalb schwierig, weil beide Elternteile aus Landadelsgeschlechtern stammten, die im mitteldeutschen Raum weit verbreitet waren. Sicher ist, dass Katharinas Familie ihren Besitz nicht halten konnte, ein Grund, der gern bemüht wird, um das spätere Streben der Lutherin nach Grund und Boden zu erklären. Tatsächlich wurde sie eine der größten Grundbesitzerinnen Wittenbergs. 1540 kaufte Luther sogar das Gut Zülsdorf, das einst ihrem Vater gehört hatte, für sie zurück.
Katharina wurde vermutlich nach dem frühen Tod der Mutter und vor der zweiten Heirat ihres Vaters 1505 in die Schule des Klosters der Benediktinerinnen zu Brehna gegeben. Auch wenn die Mutter noch gelebt hätte, wäre ein solcher Schritt seinerzeit für adlige Mädchen durchaus üblich gewesen. Viele Adlige und vermögende Bürger sahen ihre Töchter im Kloster nicht nur sicher, sondern auch versorgt; manche wollten wohl auch die mit einer Heirat anfallende Mitgift sparen. Im Falle Katharinas sieht zumindest die Legende die böse Stiefmutter für den Weg ins Kloster verantwortlich. 1508/09 wurde sie den Zisterzienserinnen im Kloster Mariathron zu Nimbschen übergeben, bestimmt für den geistlichen Stand. Hier lernte sie nicht nur gehorsam zu sein und zu schweigen, sie lernte auch weit mehr als ihr außerhalb des Klosters möglich gewesen wäre: Lesen, Schreiben, Singen, etwas Latein, Hauswirtschaft und sicher auch Rechnen. Behütet von „Muhme Lene“, ihrer Tante und zudem Siechenmeisterin des Klosters, wuchs Katharina zu einer gebildeten und in der Heilkunde erfahrenen jungen Frau heran – beides sollte ihr später zugute kommen. Am 8. Oktober 1515 leistete sie das Gelübde als Braut Christi und schwor damit Besitzlosigkeit, Keuschheit und Gehorsam gegenüber ihren Oberen. In der weißen Kutte mit dem schwarzen Schleier der Zisterzienserinnen bekräftigte sie 1518 ihren Entschluss mit dem ewigen Gelübde. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie mit ihrem Schicksal haderte, auch wenn es uns heute schwer fällt zu glauben, dass die energische und redegewandte Lutherin einmal als stille, zurückgezogene Nonne lebte. Allerdings kennen wir kaum mehr als die Eckdaten aus jener Zeit, wie wir überhaupt nur weniges über Katharina sicher wissen, was vor ihrer Ankunft in Wittenberg liegt.
1517 aber trat Martin Luther (1483-1546) in die Öffentlichkeit und er verkündete Dinge, die Katharina wohl nie auch nur zu denken gewagt hätte. Als eine Folge seiner Argumentation gegen das Klosterleben wurden 1522 die „Wittenberger Beschlüsse“ gefasst, die es jedermann freistellten, ein Kloster zu verlassen. Diese Vorgänge stießen auch in Nimbschen auf fruchtbaren Boden, obgleich die Wege der Nachrichtenverbreitung weitgehend im Dunkeln liegen. Ostern 1523 flohen zwölf Nonnen aus dem Kloster Mariathron, unter ihnen Katharina von Bora, die damit ihr Schicksal in die eigene Hand nahm, ohne zu wissen, wohin es sie führen würde.
Ihr Glück war es, dass sie ihr Fluchthelfer, der Kaufmann und Lutherfreund Leonhard Koppe aus Torgau, in das aufgeklärte Wittenberg brachte, das Zentrum der Reformation. In der Universitäts- und kurfürstlichen Residenzstadt herrschte ein aufgeschlossenes und anregendes Klima, das berühmte Männer, wie Georg Spalatin (1484-1545) und Philipp Melanchthon (1497-1560), angezogen hatte. Auch Martin Luther selbst, der theologische Kopf der Reformation, lebte und lehrte hier. Zu ihm ins Schwarze Kloster kam Katharina am 7. April, zusammen mit den acht Nonnen aus Nimbschen, die, wie sie selbst, nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten, stand doch im albertinischen Sachsen auf Klosterflucht die Todesstrafe.
Spätestens seit Oktober 1523 lebte Katharina im Haus Lukas Cranachs d. Ä. (1472/75-1553), einem weltoffenen Haus, geführt von der selbstbewussten und umsichtig agierenden Barbara (1477/85-1540), der Ehefrau des Malers. Sie wurde ihre Lehrmeisterin, Beraterin und Freundin (über Barbara Cranach siehe S. Weigelt: Der Männer Lust, 46-53). Der kurfürstliche Hofmaler führte nicht nur eine große Künstlerwerkstatt, in seinem Haus gingen auch bedeutende Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft ein und aus. Für Katharina eröffnete sich ein völlig neuer Lebensraum. Offensichtlich lernte sie manche der Gäste persönlich kennen. Einer von ihnen war König Christian II. von Dänemark (1481-1559), der in Sachsen Zuflucht und Verbündete gesucht hatte. Öfter scheint sich Katharina auch unter die Gesellschaft der Studenten um Luther und Melanchthon gemischt zu haben. Dabei lernte sie den Nürnberger Patriziersohn Hieronymus Baumgärtner (1498-1565), ihre erste Liebe, kennen. Seine Eltern aber waren gegen die Heirat, standen doch entflohene Nonnen in keinem guten Ruf. Sie hatten ihr Gelübde gebrochen, waren arm und ohne männlichen Schutz mancherlei Gefahren ausgesetzt. In Wittenberg scheint dies jedoch anders gewesen zu sein. Katharina soll in den Kreisen um Luther sogar wegen ihrer Klugheit – in Anlehnung an die Heilige gleichen Namens – „Katharina von Siena“ genannt worden sein, ehe sie als Lutherin, die Frau an Luthers Seite, selbst zu den bekannten Persönlichkeiten der Stadt gehörte.
Als Luthers Ehefrau nahm sie zumeist an den berühmten Tischgesellschaften teil, bei denen Studenten und Gäste, Kollegen und Freunde Luthers anwesend waren. Von den Frauen aus Wittenberg wurde diese Ehre sonst nur noch Elisabeth Cruciger (um 1500-1535) und Katharina Jonas (+1542) zuteil (siehe S. Weigelt, Der Männer Lust, 97-104 u. 54-61). Private Kontakte bestanden jedoch auch zu Kurfürst Johann Friedrich I. und seiner Gemahlin Sibylle von Kleve (siehe S. Weigelt: Sibylle von Kleve – Cranachs schönes Modell, Weimar 2012). Die Lutherin stand also mit allen maßgeblichen Kreisen Wittenbergs in Kontakt, was sie bei Bedarf auch zu nutzen wusste. Dass sie darüber mitunter Neid und Kritik erntete, blieb nicht aus. Insbesondere der kurfürstliche Kanzler Brück (1484-1557) und der Theologe Amsdorf (1483-1565) begleiteten Katharinas Tun mit Argwohn. Aber auch Philipp Melanchthon billigte längst nicht alles, was sie unternahm, obgleich er Luther in freundschaftlicher Kollegialität verbunden und ihre Kinder Spielgefährten waren. So ist es verständlich, dass zwischen Philipps Frau Katharina (siehe S. Weigelt, Der Männer Lust, 34-45) und der Lutherin ein recht distanziertes Verhältnis bestand, das von mancher Rivalität zeugte. Dagegen verband Käthe nicht nur mit Barbara Cranach, sondern auch mit Katharina Jonas, der Frau des Luthermitarbeiters Justus Jonas, ein uneingeschränkt freundschaftliches und herzliches Verhältnis. Sie war ihre engste Vertraute. Luther nennt die warmherzige Frau, die – mit ihrem 13. Kind schwanger – schon 1542 starb, „die größte und nächste Trösterin“ seiner Familie.
Während ihrer Klosterzeit in Nimbschen hatte Katharina die Fähigkeiten in der Heilkunde erworben, die, nachdem sie im Juni 1525 Luthers Ehefrau geworden war, das Schwarze Kloster zu Wittenberg, ihr Heim, zu einem viel besuchten Ort werden ließen. Neben hochrangigen Patienten, wie die Herzogin Elisabeth von Brandenburg (1485-1555, Mutter der Herzogin Elisabeth von Calenberg-Göttingen), kamen oft hoffnungslos Kranke aus der Stadt, denen sie zumeist mit kundiger Hand helfen konnte. Auch für ihren Mann, der an Nieren- und Blasensteinen, Gicht und schweren Kreislaufstörungen litt, waren Käthes Heilkünste unentbehrlich. Sie kümmerte sich nicht nur um die Gesundheit des Reformators. Sie hielt ihm auch „den Rücken frei“ von all den Dingen, die in einem so großen Haushalt anfielen. Auf Käthes Schultern lastete die gesamte Hauswirtschaft, und Luther verließ sich auf ihr Können, ihre Umsicht und ihren Fleiß. „Herr Käthe“ beaufsichtigte den Umbau des Klosters, ließ Ställe errichten und legte Gärten an, war Gärtnerin, Imkerin, Bäuerin und Wirtschafterin, sogar Bierbrauerin. Der Bedarf an Nahrung war groß, denn neben den eigenen waren sechs weitere Kinder von Luthers verstorbenen Verwandten zu versorgen. Dazu kamen zahlreiche Kostgänger und Gäste, so dass die Tischgesellschaft täglich etwa 50 Personen umfasste. In Wittenberg hieß es, im Hause der Lutherin wohne eine „gar wunderlich gemischte Schar aus Studenten, verlaufene Nonnen, Witwen, alten Leuten und Kindern.“ Luther sah das Treiben gelassen, meinte er doch, das bewahre ihn, der oft schwere Depressionen hatte, vor schwarzen Gedanken.
Neben der anspruchsvollen Hauswirtschaft blieb Katharina aber Zeit genug, um das zu lesen, was ihr offenbar ein Bedürfnis war: die Bibel, deren Text sie jetzt nach Luthers Übertragung kennenlernte. Das tat sie offenbar so gründlich, dass Luther meinte, seine Käthe verstehe die Psalmen besser als einst alle Papisten. Ihrer beider Briefe bezeugen, dass selbst theologische Fragen zwischen den Eheleuten besprochen wurden. Luther bezog seinen “lieben Herrn Katharina Lutherin, Doktorin, Predigerin zu Wittenberg“ mitunter in gerade anstehende Diskussionen ein, ob es der Abendmahlsstreit mit Zwingli war oder die Augsburger Religionsgespräche. Gelegentlich übermittelte Käthe selbst Sachinformationen an Kollegen und Freunde ihres Mannes. Und die Lutherin verstand nicht nur, um was es dabei ging, sie wusste auch ihren eigenen Standpunkt zu beziehen und mitzuteilen. Schließlich oblag es ihr, während der Abwesenheit des Hausherrn die Kinder und das Gesinde im Katechismus zu unterrichten.
Aus dem anfänglichen Respekt zwischen „Herrn Käthe“ und Luther hatten sich bald eine enge Vertrautheit und eine innige Zuneigung entwickelt. Das „geliebteste Weib“ war sein Halt in den Anfechtungen der Zeit, es war seine Zuflucht, und es war die Mutter seiner Kinder. Mit der Geburt der Kinder hatte Katharina die seinerzeit vornehmste Aufgabe einer Ehefrau erfüllt. Sie brachte sechs Kinder zur Welt: Johannes (1526-1575), Elisabeth (1527-1528), Magdalena (1529-1542), Martin (1531-1565), Paul (1533-1593) und Margarethe (1534-1570). Vor allem als Mutter scheint sie – wenn wohl auch eher unwissentlich – die beste Lehrmeisterin ihres Mannes gewesen zu sein. Denn angesichts eigener Erfahrungen an der Seite seiner Käthe korrigierte er nun einige seiner früheren Ansichten über die Frauen und insbesondere über ihre Aufgabe als Mutter (siehe die Ausführungen unter „Reformatorische Impulse“).
Nach dem Tod Luthers im Februar 1546 war Katharina mit den verbliebenen vier Kindern auf sich allein gestellt. Weil Luther aber – in Überschätzung seiner Autorität – das Testament, das Katharina zu seiner Erbin und zum Vormund ihrer Kinder bestimmte, ohne Notar erstellt hatte, wurde es nicht anerkannt. Das sächsische Recht schloss Frauen vom Erbe an Grund und Boden aus und so wurden Käthe und ihre Kinder unter Vormundschaft gestellt. Doch Katharina konnte und wollte sich dieser Entscheidung nicht fügen. Nach zähen Verhandlungen mit dem Kurfürsten Johann Friedrich I. (1503-1554) und seinem Kanzler Brück überließ man ihr schließlich die Verantwortung für die Kinder, erlaubte ihr die eigenständige Verwaltung des Besitzes und das Wohnen im Schwarzen Kloster. Gegen alle Widerstände mehrte sie sogar den Grundbesitz für die Kinder. Resigniert hatte Melanchthon, einer der Vormunde, zugestimmt. Die Frau ließe sich nicht beraten, „sondern ihr Gutdünken und Meinung müsse alleweg vorangehen.“ Luther kannte da seine Käthe weit besser, steht doch schon in seinem Testament aus dem Jahre 1542: „Ich halte dafür, dass die Mutter werde ihren eigenen Kindern der beste Vormund sein und solch Gütlein und Leibgedinge nicht zu der Kinder Schaden oder Nachteil, sondern zu Nutz und Besserung brauchen.“ Weitsichtig hatte er auch argumentiert, dass es besser sei, die Kinder würden aus den Händen der Mutter ihren Anteil bekommen, als dass die Mutter auf die Gaben der Kinder angewiesen wäre.
Möglicherweise hätte es Katharina auch ohne Luther geschafft, ihr Anwesen zu erhalten und die Familie zu versorgen, wäre nicht der Schmalkaldische Krieg ausgebrochen, der im Herbst 1546 die kaiserlich-katholischen Truppen auch nach Sachsen führte. Die Familie des Reformators floh nach Magdeburg, während in Wittenberg ihre Wiesen und Gärten brannten. Im Frühjahr 1547 kehrte sie zurück. Im Mai, ehe noch Kaiser Karl V. in Wittenberg einmarschierte, floh sie in ein evangelisches Kloster nach Braunschweig. Bei ihrer Rückkehr im Sommer 1547 waren ihre Besitzungen zerstört. Nur mühsam gelang es Käthe, sich wieder einzurichten. Die stolze Lutherin war nun als „D. Martin Luthers nachgelassene Wittfrau“ zu einer Bittstellerin geworden, eine Rolle, die ihr so gar nicht angemessen war. Nicht nur der neue Kurfürst Moritz von Sachsen (1521-1553), auch die Mitstreiter Luthers, wie Melanchthon und Justus Jonas (1493-1555), waren ihr keine Hilfe. Im September 1552, als in Wittenberg wieder einmal die Pest wütete, flüchtete Katharina mit den beiden jüngsten Kindern Paul und Margarethe nach Torgau. Unterwegs hatte sie einen Unfall, bei dem sie sich schwer verletzte. Tochter Margarethe pflegte sie bis zu ihrem Tode am 20. Dezember 1552 in dem Haus in der Katharinenstraße (damals die Straße „Im Sack“) in Torgau, das heute das einzige Katharina-von-Bora-Museum beherbergt.
Katharina wurde in der Stadtkirche von Torgau, eigentlich die Begräbnisstätte der Hofleute, beigesetzt. Die Umschrift des wohl von den Söhnen initiierten Grabsteins mit dem beeindruckenden Matronenbildnis lautet: „Anno 1552, dem 20. December ist in Gott selig entschlaffen allhier zu Torgau Herrn D. Martini Luthers seligen Hinterlassene wittbe Katharina.“ Obgleich sie in den Jahren nach Luthers Tod von den einstigen Freunden und Bekannten aus Wittenberg kaum unterstützt wurde, gab die Universität, die wegen der Pest ebenfalls nach Torgau ausgewichen war, ihr zu Ehren eine Festveranstaltung, am 21. Dezember folgte sie geschlossenen ihrem Sarg. Diese Geste hatte jedoch wenig mit Katharina von Bora zu tun. Vielmehr erwies man ihr diese letzte Ehre als der Lutherin, der Frau, die als das „geliebteste Weib“ an der Seite des großen Reformators gelebt hatte. Schließlich war auch „Herr Käthe“ nur eine Frau, die vorrangig über ihren Mann und seine Stellung in der Gesellschaft Beachtung gefunden hatte.
Katharina war zwar eine gebildete, kluge und selbstbewusste Frau, hatte aber offensichtlich – anders als etwa Elisabeth Cruciger, die Kirchenlieddichterin – keinerlei Ambitionen, über ihren Tätigkeitsbereich als Hausfrau, Ehefrau und Mutter hinaus aktiv zu werden. In dieser Rolle fand sie Herausforderung und Bestätigung zugleich, und sie füllte den Platz an Luthers Seite souverän aus. Man mag sich zu Recht fragen, wie wäre Luthers Leben verlaufen, hätte er sich nicht jener „übrig gebliebenen Nonne erbarmt“, die sich so selbstsicher für ihn als möglichen Heiratskandidaten entschieden hatte. Es waren die Familie und Katharinas umsichtiges Wirken, die ihm das freie Arbeiten erlaubten und die auch den Freiraum und den Rahmen für die bekannten Tischgespräche im Hause Luther boten. Und es war Katharinas erfülltes Frau-Sein, das dem Reformator zu manch neuer Einsicht verhalf. So hatte er noch 1522 verkündet, schwangere Frauen sollten “ihre höchste Kraft und Macht daran stecken, dass das Kind genese, ob sie gleich darüber sterben“. Doch wie änderte sich sein Sinn, als sein „Herzliebchen“ schwanger wurde. Das war nicht mehr der unbekümmerte Theologe, sondern das war jetzt ein mitfühlender Mann, der um das Leben der Mutter ebenso bangte wie um das des Neugeborenen.
Darüber hinaus kann Katharinas mutige Flucht aus dem Kloster als ein beredter Erfolg für die reformatorische Agitation gegen das Klosterleben gelten. Gleichermaßen steht sie mit ihrem für jedermann offensichtlich ausgefülltem Leben als Hausfrau und Mutter nahezu als Paradebeispiel für die von den Reformatoren eingeforderte Bestimmung der Frau: „Das Weib ist geschaffen dem Mann zu einem geselligen Helfer in allen Dingen, besonders, Kinder zu bringen“, wie es Luther im „Sermon vom ehelichen Stande“ formuliert hatte. Diese Rolle füllte Katharina nicht nur aus tiefster Überzeugung aus; sie war damit auch anderen Frauen wegweisendes Beispiel. Nicht zuletzt aber begründete Katharina mit ihrem offenen Haus die noch heute lebendige Tradition des evangelischen Pfarrhauses. Das Leben im Schwarzen Kloster zu Wittenberg‚ Martins und Käthes Heimstatt, wurde für Generationen protestantischer Pfarrhäuser ein erstrebenswertes Modell. Ein gastfreundliches Haus, in dem Hilfe geleistet wurde, wo sie nötig war, in dem Bildung und Musik, Gebet, Andacht und Bibellektüre groß geschrieben wurden – das waren die Grundpfeiler dieser häuslichen Gemeinschaft.
Katharina von Bora entsprach sicher nicht dem konservativen Frauenbild ihrer Zeit. Sie war klug und selbstbewusst und trat ebenso in der Öffentlichkeit auf. Hier behauptete sie sich – trotz ständiger Anfeindungen – souverän als die Lutherin, die Frau, die an der Seite des großen Reformators lebte und die hinter ihm stand. Auf ihre Weise – und im Rahmen ihrer Möglichkeiten – war sie ihrem berühmten Mann eine ebenbürdige Partnerin. Mit der Flucht aus dem Kloster hatte sie sich bewusst gegen den ihr vorbestimmten Weg und gegen das Klosterleben gewandt. Mit der bewusst angenommenen Alternative Ehefrau und Mutter zu sein, entschied sie sich für die Bestimmung der Frau im reformatorischen Sinn. Dabei stellte sie jedoch – ganz gegen die Gepflogenheit der Zeit – hohe Ansprüche an ihren künftigen Mann, und diese waren durchaus nicht bescheiden, hatte sie doch Luther selbst als ihren Wunschkandidaten ins Spiel gebracht. Dies war nicht nur ein mutiger Schritt als Frau, es offenbarte auch Katharinas eigenen Anspruch: Sie wollte an der Seite eines Mannes leben, der Mut bewiesen hatte, der unerschrocken für seine Überzeugung eintrat, der die Geschicke der Zeit an vorderster Front mitbestimmte. Dass sie in dieser Ehe nicht nur Erfüllung, sondern zudem auch innige Zuneigung erfuhr, darf als ein besonderer Glücksfall angesehen werden. Denn auch bei den Reformatoren gehörten Ehe und Liebe nicht zwingend zueinander. Aber auch für Luther brachte Katharina schließlich das kaum zu hoffen gewagte, das ganz private Glück. Im Zusammenleben mit dieser ungewöhnlichen Frau erschlossen sich ihm neue Sichten auf die Welt und auf die Leistungen der Frauen, die sein Frauenbild nachhaltig prägten.
Dass „Herr Käthe“ in der Öffentlichkeit nicht unumstritten war, ist die andere Seite dieses Glücks, erwachsen aus Käthes großem Stolz und ihrem Selbstbewusstsein. Luther war sich darüber im Klaren, als er schon 1542 ausdrücklich in seinem Testament vermerkte, die guten Freunde „wollten meiner lieben Käthe Zeuge sein“ und ihr beistehen, „wo etliche unnütze Mäuler sie beschweren oder verunglimpfen wollten“. Als er 1546 starb, zeigte sich, wie Recht er damit gehabt hatte.
Katharina von Bora führte an Luthers Seite ein ganz und gar außergewöhnliches Leben. U. a. wurde ihr als einziger der Gelehrtenfrauen Wittenbergs die Ehre zuteil, von Lukas Cranach d. Ä. gemalt zu werden. Ihre nachhaltigen Spuren aber finden sich vorwiegend in den Zeugnissen ihres Mannes. Bei aller Klugheit, allem Fleiß und allem Engagement wäre Katharina von Boras Schicksal heute vergessen, wäre nicht Martin Luther der Mann an ihrer Seite gewesen. Auch sie selber verstand sich wohl zuallererst als unabdingbar mit dem Leben dieses Mannes verbunden. Ihren letzten überlieferten Brief zeichnete sie mit „Katharina, des Herrn Doktor Martinus Luther hinterlassene Witfrau.“