Noch als Schülerin verliebte Liselotte, geboren am 22. April 1912, sich in einen Vikar ihres Vaters, Karl August Nold. Nach ihrem Abitur 1931 heirateten die beiden und zogen nach Nördlingen. Damit gab Liselotte Nold ihre Pläne, Ärztin oder Psychotherapeutin zu werden, auf. Da sie keine Kinder bekamen, widmete sich die junge Pfarrfrau ganz den Aufgaben in der Gemeinde ihres Mannes.
Als ihr Mann 1936 Studentenpfarrer in München wurde, unterstützte sie ihn nach Kräften und führte ein offenes, gastliches Haus. In dieser Zeit bekommt für sie das Lebensthema „Zeitgenossenschaft“ eine erste Konturierung:
„Im Zusammenhang der Arbeit meines Mannes als Studentenpfarrer in München habe ich allerdings neue Zeitgenossen entdeckt. Menschen anderer Kontinente. Vielleicht sind mir die Zeitgenossen an meinem Vater und an meinem Mann nicht zuletzt deshalb bewußt geworden, weil beide bestimmte Vorurteile nicht hatten. Für sie hatte die Kirche keine Mauern.“ (Rundfunkgespräch mit Lore Walb, BMD ei II-8).
Als der Zweite Weltkrieg begann, wurde Karl Nold Feldgeistlicher. Auf dem Russlandfeldzug erkrankte er schwer und starb 1942. Damit stand Liselotte Nold mit 30 Jahren als kinderlose Pfarrwitwe allein da und musste ihrem Leben einen neuen Sinn geben. Sie fand ihn in der Arbeit des Bayerischen Mütterdienstes, für den sie bereits 1941 eine Mütter-Freizeit geleitet hatte. Antonie Nopitsch, die Leiterin des Mütterdienstes, berichtet von dieser Freizeit:
„Die neue Freizeitleiterin sprach mit den Müttern. Ich saß im Nebenzimmer und hörte sie, ich erlebte durch die Wand, wie gut es ihr gelang, die Frauen aus ihrer schweren Bedrückung herauszuholen und zu stärken, sie aufzurichten, ja eigentlich neue Menschen aus ihnen zu machen. Eine unendliche Freude überkam mich: es war mir der Mensch geschenkt worden, der – aus eigener leidvoller Erfahrung, den Müttern Antwort auf ihre Lebensfragen geben konnte“ (Nopitsch 1979: 89f).
Nopitsch lud die – in München bald auch ausgebombte – junge Pfarrwitwe nach Stein ein. Damit begann eine lange Partnerschaft im Leben und Arbeiten, die erst durch den Tod von Antonie Nopitsch beendet wurde.
Wichtige Anstöße für ihre Arbeit bekam Liselotte Nold durch die Ökumene, wo sie respektiert und mit ihren Talenten gefordert wurde. Wie bei vielen Frauen ihrer Zeit bot die internationale Arbeit der Kirche Nold die Chance, Zugang zu bekannten Persönlichkeiten, zu Diskussionszusammenhängen und zu Führungspositionen zu bekommen, die ihr als Frau ohne Amt und Titel in ihrer eigenen Landeskirche versperrt waren.
Von 1942 bis zu ihrem Tod 1978 war Liselotte Nold Mitarbeiterin, ab 1965 Gesamtleiterin des Bayerischen Mütterdienstes. Dort konnte sie ihre Talente einbringen: die Lust am Denken und das theologische Interesse, das ihr Vater Julius Sammetreuther, bayerischer Pfarrer und später Oberkirchenrat, und ihr Lehrer Georg Merz – beide engagiert im bayerischen Kirchenkampf – gefördert hatten, die Liebe zum Schönen, die ihr die Mutter, eine Künstlerin, vermittelt hatte, und eine große schriftstellerische Begabung. Zusammen mit Antonie Nopitsch, mit der sie bald eine enge Freundschaft verband, prägte sie die Arbeit: Sie begleitete die immer zahlreicheren Mitarbeiterinnen (und später auch Mitarbeiter), sie entwickelte neue Arbeitsgebiete und Arbeitsformen, vor allem auf dem Gebiet der Müttergenesung, der Familienbildung und der kirchlichen Frauenarbeit, und sie vertrat die Interessen evangelischer Frauen in zahlreichen Gremien in Kirche und Gesellschaft.
Neben der organisatorischen Tätigkeit für den Mütterdienst war ein Schwerpunkt der Arbeit von Liselotte Nold der hauseigene Laetare-Verlag, der ab 1946 theologische und pädagogische Literatur veröffentlichte, z.B. eine „Schriftenreihe für die evangelische Frau“ und das Andachtsbuch „Getroster Tag“ (heute „Weitergehen“). Besondere Wirkung entfalteten die „Laetarehefte“, eine „Arbeitshilfe für Frauen- und Mütterarbeit“. Diese Arbeitshilfe bot Informationen und Gesprächsanregungen zu Themen, mit denen sich Frauenkreise in ganz Deutschland beschäftigten. Diese Themen wurden von einem Redaktionskreis aus Theologinnen, Pädagoginnen und Vertreterinnen verschiedener Frauenorganisationen festgelegt. Mit einem guten Instinkt für aktuelle Fragen vermittelten die Hefte theologische, soziologische und psychologische Informationen und verknüpften sie mit der Lebenswirklichkeit von Frauen. So wurden sie bald zu einer Denkwerkstatt und zu einem Schrittmacher für die evangelische Frauenarbeit. Vom ersten Heft 1946 bis zum letzten 1974 waren sie von Nold herausgegeben und geprägt.
Als das Erscheinen der Reihe 1974 aus finanziellen Gründen eingestellt werden musste, nutzte Nold diese Krise produktiv und sah sie als Chance und Gelegenheit für eine längst fällige neue Form der Gruppenarbeit: Statt an bundesweit festgelegten Themen zu arbeiten, sollten die Frauen in den Gemeinden miteinander ihre Themen finden und bearbeiten. Das erforderte eine hohe kommunikative Kompetenz der Leiterinnen, die Liselotte Nold ihnen durch gruppendynamisches Training und Fortbildungen in Gesprächsführung und Methoden der Gruppenarbeit vermitteln wollte.
Liselotte Nold war vielfältig in der weltweiten Ökumene aktiv mit drei Schwerpunkten: Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern in der Kirche, die Beziehungen zur katholischen Kirche und die Frage der weltweiten Gerechtigkeit bzw. der ökumenischen Diakonie. Ihr Engagement schlug sich in Reiseberichten nieder, die in den Schriften des Verlags veröffentlicht wurden. Sie zeigen einen sensiblen Blick für die Situation in Afrika und Asien und für die notwendigen Schritte zum Umdenken auch in Europa. Angeregt durch diese Erfahrungen und durch die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1968 in Uppsala versuchte Nold, ihre Erkenntnisse über die Buchreihe „Stichwörter zur Entwicklungspolitik“ umzusetzen. Diese dokumentierten in den frühen 70er Jahren kritisches Umdenken in der Entwicklungshilfe – weg vom naiven Fortschrittsdenken durch Beschleunigung der Industrialisierung hin zu einer nachhaltigen Entwicklung und Bildungsförderung – und gab Partnern aus der Dritten Welt Raum, ihre Anliegen und Sichtweisen zu artikulieren. Die „Stichwörter“ bieten noch heute gültige Analysen und waren damit ihrer Zeit weit voraus – so weit, dass sie ein finanzielles Fiasko wurden, weil es noch keinen Markt dafür gab.
Liselotte Nolds große Fähigkeiten blieben nicht unerkannt. 1953 wurde sie in den „Deutschen Ausschuß für Erziehung und Bildung“ berufen, wo sie bis 1965 mitarbeitete. Das Gremium war der Kultusministerkonferenz zugeordnet und gab entscheidende Impulse zur Bildungsreform. In den 60er Jahren bekam sie das Angebot, als Staatssekretärin in das Familienministerium nach Bonn zu gehen. Sie schlug es auf Drängen von Mitarbeiterinnen aus, die ihr die Verantwortung für den Mütterdienst ans Herz legten.
1965 übernahm Nold offiziell die Leitung des Mütterdienstes. In den folgenden zehn Jahren initiierte sie die Umgestaltung und Umstrukturierung des Werkes und wesentlicher Arbeitsfelder und wurde so Wegbereiterin eines grundlegenden Wandels. Sie führte die gruppendynamische Arbeit ein, formalisierte die Arbeitsstrukturen der Organisation, beteiligte sich an der Entwicklung eines kollegialen Leitungsmodells und baute den Arbeitszweig Erwachsenenbildung in Stein auf. Schließlich befürwortete sie ein verändertes Therapiekonzept in der Müttergenesung, das stärker auf psychosomatische Zusammenhänge einging und Entspannungsübungen, Gymnastik und medizinische Begleitung integrierte.
Die Konflikte, die mit diesen Veränderungen verbunden waren, zehrten an ihrer Kraft. 1970 erkrankte sie nach einer nicht auskurierten Grippe lebensgefährlich und musste sich für mehrere Monate völlig aus der Arbeit zurückziehen. Auch in den Folgejahren kämpfte sie mit gesundheitlichen Problemen. Noch vor ihrem endgültigen Rückzug aus der Arbeit starb sie am 5. Juli 1978 im Alter von 66 Jahren.
Nolds Engagement für Bildung, Frauenarbeit und weltweite Ökumene blieb nicht ohne öffentliche Ehrungen. Besondere Bedeutung hatte die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Evangelisch-theologischen Fakultät in München, denn dadurch fand ihre Arbeit wissenschaftliche Anerkennung. Nold war die erste Frau, der diese Fakultät einen Ehrendoktor zuerkannt hat. Durch die Ehrenpromotion sollte gewürdigt werden, dass Liselotte Nold
„die verschiedensten Ergebnisse theologischer Forschung in eine kirchliche und gesellschaftliche Öffentlichkeit vermittelt und durch die Reflexion laufender Praxis, insbesondere auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung, kritische Impulse an die theologische Wissenschaft zurückvermittelt hat“ (Stellungnahme von Peter Krusche vom 4.5.1972, Privatbesitz).
„Am Leben lernen“, dieser Titel ihres Handbuches für Frauenarbeit war für Liselotte Nold ein Lebensmotto. Sie widmete ihre Schriften und ihre Arbeit für den Mütterdienst dem Ziel, andere Frauen zum Lernen und zu einer von Offenheit geprägten Lebensbewältigung zu ermutigen. Die Offenheit auf das Reich Gottes hin war die Kraft, die sie einen „getrosten Tag“ leben ließ:
„Wir können das Paradies nicht wieder herstellen, aber wir können das Risiko eingehen, unser Leben diesem lebendigen Prozeß auf das Königreich Gottes hin anzuvertrauen und damit viel Gemeinsamkeit zu gewinnen“ (Manuskript des Schlusswortes bei der Tagung „Sexismus in den 70ern“ 1974 in Berlin, BMD ei I-4).
Dieser Glaube hat Liselotte Nold Veränderungen bejahen und vorantreiben lassen. Ihr Wirken hat Spuren hinterlassen im Leben von vielen Frauen, denen sie Wege eröffnet und Mut gemacht hat, neue Räume zu entdecken in Kirche, Theologie und Gesellschaft.
Nolds Engagement für die Müttergenesung verleitete sie nicht dazu, die Mutterrolle zu idealisieren oder ein bestimmtes Bild von Mütterlichkeit zu konservieren. Im Gegenteil, sie kritisierte die gesellschaftliche Verlogenheit, in der „ideologische Monologe über die Mutter im allgemeinen“ besser gelängen als „der Entschluß zur Hilfe für die Mütter unserer Zeit“. Nüchtern beschrieb sie 1965 die Situation von „Nur-Hausfrauen“ und forderte deren finanzielle Absicherung sowie Weiterbildungsmöglichkeiten, die die Frauen „zu einem Stück eigenständigen Leben“ ermutigen sollten. Zunehmend rückte auch die Rolle der Väter in ihrer Arbeit ins Blickfeld.
Liselotte Nold war auch kirchenpolitisch aktiv. 1959 zog sie als eine von zwei Frauen in die bayerische Landessynode ein, in der sie bis 1971 blieb. In der Synode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands war sie von 1955 bis 1971 Mitglied. Sie trat dort als Anwältin der Frauen auf und focht für den gleichberechtigten Zugang zum geistlichen Amt. Auch in ihren Publikationen trat sie dafür ein, in Kirche und Gesellschaft die veränderte Rolle der Frau zu akzeptieren und als Chance zu sehen. Dazu schrieb sie 1967 ihr Buch „Frauen heute“, das versucht, die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen zu beleuchten und die Wandlungen der Frauenrolle transparent zu machen. Liselotte Nold gehörte zum Leitungsgremium der „Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland“ und war im Vorstand der Evangelischen Frauenarbeit in Bayern sowie im Kuratorium des Müttergenesungswerkes. Dort engagierte sie sich für eine bewusstere Wahrnehmung der Probleme von Frauen, für bessere Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Ihre frauenpolitische Position spiegelt sich in den Worten, die sie am Ende der Sexismuskonferenz des Ökumenischen Rats der Kirchen 1974 in Berlin sprach:
„Wir wollen und dürfen Weltverantwortung nicht den Männern allein überlassen. Wir können viel mehr Potenz einsetzen, weil Gott uns mehr Gaben gegeben hat. Wir wollen als Instrumente Gottes in seiner befreienden Aktion in dieser Welt mitwirken, wir sind bereit, ein weniger bequemes Leben zu führen und die Spannungen und Gefährdungen auszuhalten, in die wir in unserem eigenen Volk, in unserer Gesellschaft, in unseren Kirchen geraten mögen. Wir sehen die immense Chance, die Politik unserer Länder zu beeinflussen, kalte Strukturen der Kirchen zu durchbrechen, Gefängnismauern aufzubrechen, auch Gefängnisse von Weltanschauungen, von Dogmatik, und systematischer Theologie, um die gute Nachricht von Gottes Liebe zu den Menschen zu bringen“ (Manuskript des Schlusswortes, BMD ei I-4).
Liselotte Nolds Lebensweg trägt typische Konturen und Brüche einer evangelischen Frau des 20. Jahrhunderts. Durch ihre Arbeit und ihre Schriften wurde sie über Jahrzehnte Schrittmacherin evangelischer Frauenarbeit und Familienbildung und Vordenkerin einer Zeitgenossenschaft praktizierenden, ökumenisch geprägten Theologie, für die sie – ohne Berufsausbildung und Theologiestudium – einen theologischen Ehrendoktor erhielt. Ihre breite publizistische Arbeit fasziniert durch eine klare Sprache und eine Theologie, die nah am Leben, aber niemals banal ist
Mich fasziniert an Liselotte Nold die Fähigkeit sich zu wandeln, vertraute Denkmuster loszulassen, wahrgenommene globale und nationale Entwicklungen zu reflektieren, daraus konkrete Handlungsschritte abzuleiten und mutig in Aktion umzusetzen.