Margarethe Prechtl

Mitgift für Jahrhunderte. Das Legat der Margarethe Prechtlin
Mitgift für Jahrhunderte Eva Zankl
Lebensdaten
von um 1500 - bis ca. 1560
Unter weiteren Namen bekannt als:
Margarethe Pruggner
Beziehungen

Die historische Forschung leidet auch heute noch allzu oft an fehlenden Informationen zu Frauenbiografien, die uns ein schlüssiges Bild einer Zeit geben könnten, das durch die Konzentration auf die männliche Rezeption von Geschichte nur unvollständig ist. Eine dieser Frauengestalten, die wir nur durch bruchstückhafte Quellen erfassen können, ist die Gattin des Waidhofner Eisengeschmeidehändlers Hans Prechtl. Als Margarethe Pruggner bzw. Prugkhner in Freistadt, Oberösterreich geboren, wuchs sie als Tochter des Messerermeisters Hans Pruggner und seiner zweiten Frau Magdalena in begüterten Verhältnissen auf. Über die genauen Lebensdaten von Margarethe ist nichts bekannt, doch lässt sich vermuten, dass sie kurz nach der Erstellung ihres Testamentes um 1559 verstorben ist.

Die Familie besaß mehrere Häuser in Freistadt und pflegte sicher wirtschaftliche und teilweise auch freundschaftliche Beziehungen zu den beiden anderen wichtigen Eisenstädten dieser Zeit Steyr (in Oberösterreich) und Waidhofen an der Ybbs (in Niederösterreich). Diese waren umso wichtiger, da Margarethe vier Schwestern hatte, und diese Kontakte sicher auch als Heiratsmarkt genutzt wurden.

So wissen wir, dass Margarethes Schwester Katharina mit dem Waidhofner Stadtrichter Erhart Wild verheiratet war, einem Mann, der sich als Befehlshaber eines Ausfalls von Bürgern und Handwerkern gegen die vor der Stadt lagernden osmanischen Akindschi 1532 einen Namen machte. Dass die jedem Kampf ausweichenden Osmanen bei ihrer Flucht viele Pferde und geraubtes Geld, aber auch 500 ermordete Gefangene zurückließen, ist aus heutiger Sicht ein zu hoher Preis für diesen „Erfolg“, jedoch verschaffte dieses Ereignis in jener Zeit Erhardt Wild hohes Ansehen. Vor allem eine Lieferung von Pferden nach Freising erfreute den Bischof, der als Grundherr von Waidhofen seit dem großen Waidhofner Stadtbrand von 1515 größere Steuereinbußen bewältigen musste. Mit einem Teil des erbeuteten Geldes bauten die Waidhofner Bürger den Stadtturm aus, der als ehemaliger Eckturm der Stadtbefestigung nun zur stolzen Höhe von 30 m erweitert wurde.

Es kann vermutet werden, dass Katharina Wild die Ehe ihrer Schwester Margarethe mit einem wohlhabenden Bürger Waidhofens arrangierte. Wie Erhart Wild war auch Hans Prechtl Mitglied des Stadtrats und als Witwer interessiert an einer klugen Verbindung. Margarethe erfüllte diesen Wunsch reichlich, indem sie eine Mitgift einbrachte, die sich auch heute noch beachtlich liest: Zwei Höfe zu Partzheim, eine Hube zu Ölling, die Mühle zu Partzheim, zwei Lehen am Oberen Dürnberg, drei Lehen zu Arbing, eine Hube zu Arbing, die Luftenhube in der Talheimer Pfarre und eine Wiese zu Windpassing mit allen Rechten. Damit war sie sicher mehr als nur eine gute Partie und man kann annehmen, dass sie in die Ehe nicht nur Vermögen sondern auch das entsprechende Selbstbewusstsein einbrachte.

Wirkungsbereich

Die Stadt, in die sie kam, bot die Basis, um dieses bürgerliche Selbstverständnis zu leben. Waidhofen war das Zentrum der Besitzungen des Hochstifts Freising im österreichischen Ybbstal und durch die lange Tradition der Eisenverarbeitung auch ein wohlhabendes Lieblingskind des Bischofs. Die Erzvorkommen am steirischen Erzberg wurden in den waldreichen Voralpentälern südlich und nördlich des Erzberges verhüttet und zu fertigen Produkten weiter verarbeitet. Außerdem erzeugte das fruchtbare Bauernland an der Donau die Lebensmittel, die in einem regen Tauschhandel zu den Bergleuten transportiert wurden. Von diesem Handel profitierten vor allem die Eisenhändler, die durch ihre weitreichenden Handelsbeziehungen bis ins Baltikum und in den Mittelmeerraum auch einen weltoffenen Lebensstil mit nach Hause brachten. Das Stadtbild Waidhofens zeugt mit seinen Häuserzeilen, die gotische Grundstrukturen mit Renaissance- oder Barockelementen verbinden, bis heute von den architektonischen und künstlerischen Einflüssen aus den Metropolen Europas.

Aber nicht nur neue Architekturstile erreichten die Stadt. Auch neue religiöse Ideen verbreiteten sich schnell. Da der bayerische Grundherr kaum nach Österreich kam und die Pfleger häufig auf sich allein gestellt waren, konnte sich der Protestantismus rasch in der gesamten Region verbreiten. Er war nicht nur Ausdruck eines anderen Glaubens, sondern auch einer demonstrativen Opposition gegen das Hochstift Freising, das den Waidhofnern häufig wirtschaftliche Nachteile gegenüber den habsburgisch landesfürstlichen Städten wie Steyr bescherte. Das energische Eingreifen des Bischofs 1587 mit der Absetzung und Vertreibung des Stadtrates setzte die Gegenreformation in Waidhofen in Bewegung und besiegelte durch diesen wirtschaftlichen Aderlass das Ende der finanziellen und kulturellen Hochblüte der Stadt. Soweit die Rahmenbedingungen, in denen sich Margarethe Prechtl zurechtfinden musste.

Obwohl viele Häuser der Innenstadt mit ihrer ersten Nennung erst im 17. Jahrhundert aufscheinen, ist es recht wahrscheinlich, dass Margarethe mit ihrem Mann ein repräsentatives Stadthaus mit Dienstboten bewohnte, wie es bei einem reichen Eisengeschmeidehändler erwartet wurde. Das heißt, dass sie einem großen Haushalt vorstehen musste und als Gastgeberin auch regelmäßig Handelspartner ihres Mannes zu beherbergen hatte. Da Hans Prechtl auch Hammerwerksbesitzer und Messerermeister war, lebten im Haushalt sicher auch Lehrlinge und Gesellen, die mit versorgt werden mussten. Da ihr Mann 1541, 1549 und 1555 zudem auch noch Stadtrichter war und damit Oberhaupt der städtischen Verwaltung, lag in diesen Jahren sicher noch mehr Verantwortung für den Betrieb bei Margarethe Prechtl.

Ein Ratsprotokoll von 1555 berichtet eher kurz, dass Hans Prechtl im Dezember verstorben war und Margarethe als reiche Witwe zurück ließ. Ob es aus der Verbindung Kinder gab, ist nicht bekannt. Mit ihrem bereits aus der Mitgift vorhandenem Vermögen und der Hinterlassenschaft ihres Mannes, die den Prechtl`schen Meierhof, das Hammerwerk und das Wohnhaus in der Stadt beinhaltete, konnte Margarethe über eine Summe von ca. 6.740 Pfund Pfennige verfügen, was trotz der schwierigen Umrechnung etwa einem heutigen Vermögen von 1,7 Millionen Euro entspricht.

Nur wenige Jahre später, am 21. Juni 1559 ließ Margarethe Prechtl ihr Testament vom bekannten Stadtschreiber Wolf Ebenperger aufsetzen, der in Waidhofen sehr viel Einfluss hatte und auch das führende Haupt der Protestanten war – eine Aufgabe, die er 1587 nach dem Eingreifen des Bischofs mit lebenslanger Haft bezahlen musste. Das Testament trägt die typische Schrift Ebenpergers, die in ihrer Ausdruckskraft jedem Waidhofner Archivar sofort ins Auge sticht. Es umfasst 20 handgeschriebene Seiten, die Siegel der Erblasserin und von 7 Zeugen und sollte dazu beitragen, dass Margarethe Prechtl über nahezu vierhundert Jahre in der Erinnerung Waidhofens blieb.

Die Erblasserformel, die lediglich die heilige Dreifaltigkeit, jedoch nicht Maria erwähnt, macht deutlich, dass es sich um das Testament einer Protestantin handelt. Schon im ersten Punkt erkannt man die gläubige Christin: „Erstlich stelle ich meinen willen in den Willen Gottes […] willig zu sterben und seinem göttlichen willen gehorsam zu sein bis in den Tod […]“. Die Testamente dieser Zeit zeigen allesamt das Bemühen, durch fromme Zuwendungen für das eigene Seelenheil oder nahestehende Personen vorzusorgen. So stiftete auch Margarethe Prechtl einen Teil ihres Vermögens den armen Leuten im Bürgerspital und dem Siechenhaus. Die je 300 Pfund Pfennige sollten von der Stadt verzinslich zu 2% angelegt werden und die jährlichen Erträge von 15 Gulden den Institutionen ausbezahlt werden.

Besonderes Augenmerk verdient das Legat, das in Punkt 5 des Testaments behandelt wird und mit 400 Pfund Pfennigen beziffert wurde. Die jährliche Verzinsung von 20 Gulden sollte je zwei „erbarn, frumben Armen Bürgers- oder Handtwerchstöchtern, weliche sich mit wissen Irer Eltern oder nechsten Freundt Eerlich verheuratten…“ zu Gute kommen. Erstmalig genannt wurde eine Auszahlung von 10 Pfund Pfennig an die Tochter des Michaeln Zehetleutner im Jahr 1563, wodurch vermutet werden kann, dass Margarethe Prechtl zu diesem Zeitpunkt schon verstorben war.

Die letzte Eintragung in einem Rechnungsbuch des Oberkammeramtes der Stadt Waidhofen an der Ybbs aus dem Jahr 1907 bestätigt die Auszahlung von 16,80 Kronen an Maria Bastl, Josefa Schinagl und Magdalena Egger zur je K 5.60. Unglaubliche 344 Jahre lang hatten jährlich junge Frauen in Waidhofen Grund zur Freude über diese Zuwendung, war sie doch oftmals die einzige Möglichkeit für eine Mitgift und damit überhaupt erst für eine Eheschließung.

Reformatorische Impulse

Die Tatsache, dass die Stadt Waidhofen zu jener Zeit, in der Margarethe hier her kam, protestantisch war, lässt vermuten, dass auch die Familie Pruggner dem protestantischen Glauben angehörte, sonst hätten sie wohl kaum ihre Tochter nach Waidhofen verheiratet. Trotzdem scheint eine Bewertung ihrer reformatorischen Nachwirkung schwierig zu sein.

Das Testament von Margarethe Prechtl beinhaltete zwei Stiftungen an das Bürgerspital und das Siechenhaus. Inwieweit dieses Legat der Reformation verpflichtet war, ist schwer zu beurteilen, da testamentarische Zuwendungen auch bei den Katholiken üblich waren. Wesentlich interessanter für die Geschichtsforschung ist das Legat von 400 Pfund Pfennigen, dessen jährlicher Zinsertrag von 20 Gulden armen Bürgers- und Handwerkstöchtern für eine Mitgift zugutekommen sollte. Eine erste Auszahlung von 10 Pfund Pfennig ist im Jahr 1563 dokumentiert und ermöglichte der Tochter des Michelin Zehetleutner, sich zu verheiraten. Das Ausschüttungsbuch der Stadtgemeinde berichtet von da an in fast jährlichen Abständen von der Auszahlung an zwei junge Frauen. Der letzte Eintrag des Oberkammeramtes stammt aus dem Jahr 1907 und beweist, dass das Legat der Margarete Prechtl 344 Jahre seinen Dienst tat.

Interessant ist jedenfalls, dass das Vermögen nicht einfach verteilt wurde, sondern verzinslich angelegt wurde, um auf lange Sicht Kleinbeträge für eine schnelle Hilfe zur Verfügung zu stellen. Das lässt auf die Denkweise einer tüchtigen Geschäftsfrau schließen, die ihre Investition mit Blick auf eine nachhaltige Nutzung tätigt. Der Zweck der Stiftung, die den Frauen Waidhofens eine finanzielle Unterstützung für die Heirat und die Gründung eines Haushalts ermöglichte, ist wohl aus Margarete Prechtls eigener privilegierter Stellung zu verstehen. Ihre Abstammung aus einem wohlhabenden Elternhaus und die mehr als üppige Mitgift ermöglichten ihr selbst wohl einen sehr leichten Start in die Ehe, in der sie dank einer gewissen finanziellen Eigenständigkeit eine Lebenspartnerin auf Augenhöhe war. Es grenzt wohl bereits an Spekulation, wenn man mit dem Gedanken spielt, dass sie sich diese Stellung vielleicht auch für die Mädchen wünschte, die Nutznießerinnen ihres Legats waren. Aber dieser emanzipatorische Interpretationsansatz sei in einem Internetprojekt gestattet, das eine Hommage an so viele selbstbewusste Frauen ist.

Kommentar

Margarethe Prechtl war sicher eine Frau, die von den Erziehungsnormen ihrer Zeit geprägt war, in eine zweifellos arrangierte Ehe geschickt wurde und als gläubige Lutheranerin ihre Rolle als Bürgerin, Hammerherrengattin und Wohltäterin ausfüllte. Doch sie lebte auch in einer Zeit, die von technischen, künstlerischen und wirtschaftlichen Impulsen regelrecht überflutet wurde. Die weltoffene Händlermentalität Waidhofens integrierte diese Impulse in das tägliche Leben der Bürger und gestattete sicher auch den Frauen, vor allem jenen, die ein eigenes Vermögen besaßen, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das Legat mit dem Wunsch, auch armen jungen Frauen ein Stück Unabhängigkeit zu verschaffen, lässt auf eine bemerkenswert selbstbestimmte Frau schließen und es ist für den Leser hoffentlich eine gewisse Genugtuung, dass das Legat so lange Zeit Wirkung hatte.