Sophie Kunert-Benfey

Dreifacher Einsatz: Für ein geistliches Amt, das theologisch und sozial zugleich war, für die Ordination von Theologinnen und gegen den „Arierparagraphen“ im Nationalsozialismus
Engagement in schweren Zeiten Kerstin Söderblom
Lebensdaten
von 1886 - bis 1960
Unter weiteren Namen bekannt als:
Sophie Kunert
sophiebenfey.jpg
Copyright Archiv des Konventes Evangelischer Theologinnen in der BRD/H. Erhart
Beziehungen

Sophie Kunert kam aus Berlin-Spandau. Sie war die Tochter des Gymnasialprofessors Dr. Rudolf Kunert. Über die Mutter liegen mir keine Angaben vor. Sie kam aus gut bürgerlichen Verhältnissen. Nach ihrem Abitur am Cäciliengymnasium zu Berlin studierte sie gegen den Willen ihres Vaters zwei Semester Altphilologie in Marburg. Das Verhältnis zum Vater war also angespannt. Zu Beziehungen und Freundschaften im Studium und in den Berufsjahren vor ihrer Ehe liegen mir ebenfalls keine Informationen vor. Bekannt ist dagegen, dass der Berliner Oberpfarrer Ernst Diestel Sophie Kunert für die Gefängnisseelsorge in Hamburg-Fuhlsbüttel empfahl, da sie bereits ehrenamtlich als Fürsorgerin im Untersuchungsgefängnis Moabit in Berlin mitgearbeitet hatte. Ihr geistliches Engagement, das sie vor allem in jungen Jahren stets mit konkreter sozialer Arbeit verband, wurde also durchaus gesehen und geschätzt.

Sophie Kunert lernte während einer Harzreise im Jahr 1933 den verwitweten Pastor Bruno Benfey kennen, der mit seinen zwei Töchtern aus erster Ehe in Göttingen lebte. Eigentlich wollte Sophie Kunert nicht heiraten. Sie war mit ihrer Anstaltstätigkeit zufrieden und wusste, dass sie aufgrund der sogenannten „Zölibatsklausel“ als verheiratete Theologin kein geistliches Amt mehr ausführen durfte. Trotzdem entschloss sie sich zur Heirat, da sie den „nicht arischen“ Bruno Benfey schützen wollte. Die beiden heirateten 1934. Sophie Kunert zog danach nach Göttingen. Von da an arbeitete sie als überqualifizierte Pfarrfrau in der St. Mariengemeinde mit, in der ihr Mann Pastor war. Sie unterstütze ihren Mann, wo sie nur konnte. Bruno Benfey war seit 1933 den immer stärker werdenden Anfeindungen von nationalsozialistischen Gemeindegliedern ausgesetzt, da er „nicht arischer“ Herkunft war. Sophie Kunert-Benfey blieb an der Seite ihres Ehemanns und zog im August 1937 mit ihm nach Wernigerode. Dort konnte Benfey eine Zeit lang in der ortsansässigen Bekenntnisgemeinde mitarbeiten. Wenig später wurde er allerdings verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er ins Magdeburger Gefängnis verlegt. Aufgrund ihrer ökumenischen Kontakte konnte das Ehepaar nach Amsterdam emigrieren. Sie hielten in der deutschen Gemeinde abwechselnd die Gottesdienste und teilten sich auch sonst die Arbeit, nachdem die deutschen Pfarrer nach Deutschland zurückgekehrt waren. Das Ehepaar blieb in Amsterdam bis zur Befreiung von der deutschen Besatzung im Jahr 1945. Benfey konnte daraufhin in die St. Mariengemeinde in Göttingen zurückkehren. Seine Ehefrau wurde aufgrund ihrer Arbeit in der deutschen Gemeinde in Amsterdam zunächst verhaftet, kam aber noch am gleichen Tag wieder frei. Ihr Antrag auf Rückkehr nach Göttingen wurde von den Alliierten aber erst drei Monate später genehmigt. Nach ihrer Zeit als freisinnige und selbstständige Theologin, Gefängnisseelsorgerin und Doktorandin lebte sie nach ihrer Hochzeit sehr loyal und bezogen auf ihren Ehemann. Die beiden teilten sich die pastorale Arbeit, auch wenn es kirchenrechtlich dafür noch keine Grundlage gab.

Wirkungsbereich

Nach ihrem Abitur in Berlin und einem zweisemestrigen Studium der Altphilologie in Marburg leistete Sophie Kunert einen einjährigen Werkdienst in einer optischen Fabrik als Ausgleichsarbeit für den Kriegseinsatz von männlichen Studenten ab. Aufgrund der Konfrontation mit sozialem Elend in der Fabrik wechselte sie danach das Studienfach, um Theologie zu studieren. Sie schrieb dazu später als Begründung: „(…) die Zeit in der Fabrik wurde zur entscheidenden Lebenserfahrung, aus der der Wunsch entstand, Theologie zu studieren und ein geistliches Amt zu verwalten, das damals von mir noch wesentlich als soziales Amt angesehen wurde. Wie tief hat mich jede Zeit die strengen Notwendigkeiten des Arbeiterlebens kennen gelehrt (…), wie groß war das Vertrauen der Menschen, mit denen man in Berührung kam. Bald war man ungewollt Rat- und Auskunftstelle für alle möglichen Lebenslagen und Lebensschwierigkeiten (…). Es war eine äußerlich karge aber innerlich reiche Zeit, eine Lebensschule, die an einem strengen Gehorsam und einem unverfälschten Wirklichkeitssinn erzog, eine gediegene Grundlage für das später erworbene Amt“ (Kunert zit. nach Timm: 1960/61). 1921 absolvierte sie ihr Fakultätsexamen in Berlin. Da sie als Frau kein kirchliches Examen ablegen durfte und keine Anstellung als Theologin fand, besuchte sie die Handelsschule und arbeite schließlich bei Siemens als Direktionssekretärin. Ab 1923 engagierte sie sich außerdem ehrenamtlich im Berliner Untersuchungsgefängnis Moabit als Fürsorgerin. Daraufhin empfahl sie der Berliner Oberpfarrer Ernst Diestel 1924 für die Stelle als Sozialarbeiterin mit Predigt- und Seelsorgeauftrag am Hamburger Gefängnis Fuhlsbüttel. Sie hielt Wort- und Abendmahlsgottesdienste, obwohl die Praxis kirchenrechtlich bis dahin für Frauen nicht vorgesehen war. Sophie Kunert scherte sich aber wenig ums Kirchenrecht und richtete ihre Arbeit an den Anforderungen der Praxis aus. Sie bestand 1925 das Zweite Theologische Examen und beantragte noch im gleichen Jahr ihre Ordination. Ausgelöst durch ihren Antrag brach daraufhin ein offener Streit über das Für und Wider der Frauenordination aus. Zwei Jahre wurde über ihren Fall als Präzedenzfall diskutiert und gestritten. Mehrere Synoden und Ausschüsse beschäftigten sich mit dem Thema und auch Sophie Kunert mischte sich in Form von Vorträgen und Aufsätzen in die Auseinandersetzungen ein (Kunert: 1926; dies.: 1927; dies.: 1929). Sie setzte sich klar für die Ordination von Theologinnen ein und argumentierte dafür pragmatisch und konkret auf der Grundlage ihrer praktischen Arbeitserfahrungen. Im Oktober 1927 wurde schließlich das „Gesetz betreffend der Verwendung theologisch vorgebildeter Frauen“ in der damals noch selbstständigen Hamburgischen Kirche von der Synode verabschiedet. Das Gesetz lehnte die Ordination von Theologinnen ab, sah aber eine Einsegnung vor, die von der Ordination der Männer klar unterschieden sein musste. Theologinnen blieben danach den Pfarrern untergeordnet, erhielten geringeres Gehalt und hatten geringeren Einfluss als die männlichen Kollegen. Gemeindegottesdienste und die Austeilung der Sakramente blieben den Theologinnen verwehrt. Sophie Kunert war enttäuscht über den schwachen Entschluss. Sie konnte zwar im Gefängnis weiter arbeiten, selbstständige geistliche Arbeit war mit dem neuen Gesetz aber unmöglich geworden. 1928 wurde Sophie Kunert als Pfarramtshelferin eingesegnet. Als 1931 die Frauenanstalten von Hamburg-Fuhlsbüttel nach Laub/Lübeck verlegt wurden, zog Kunert mit um und führte ihre Arbeit bis Anfang 1934 fort. Gleichzeitig belegte sie Seminare am psychologischen Fachbereich der Universität Hamburg und promovierte dort. 1933 legte sie ihre Doktorarbeit dem Hamburger Universitätsprofessor William Stern vor. Das Thema lautete: „Abhängigkeit, eine personale Struktur straffälliger Frauen“. Mit 38 Jahren hatte sie damit die Quintessenz ihrer Arbeitserfahrungen als Seelsorgerin und Sozialpädagogin im Bereich des Strafvollzugs von Frauen in Form einer Promotion verdichtet und ausgewertet. Nebenbei hatte sie in der Hamburgischen Kirche die heftigen Diskussionen um die Frauenordination vorangetrieben, auch wenn das Ergebnis für sie nicht zufriedenstellend war. Man kann sagen, dass dieser erste Teil ihrer Wirksamkeit vor ihrer Heirat bereits deutliche inhaltliche und kirchenpolitische Spuren hinterließ.

Der zweite Teil ihrer Wirksamkeit begann an der Seite ihres Ehemanns, dem Pastor Bruno Benfey. Aufgrund seiner „nicht arischen“ Herkunft musste er viele Schmähungen und Diskriminierungen unter den Nationalsozialisten erdulden. Seine Gottesdienste wurden gestört und sogar boykottiert.

1936 bat der Kirchenvorstand der Gemeinde, den Pastor zu entlassen. Dieses Ansinnen wurde zunächst abgelehnt. Nach weiteren Turbulenzen in Gottesdiensten wurde Benfey im November 1936 aus dem Regierungsbezirk Hildesheim verwiesen und am 1. Juni 1937 von der Hannoverschen Landeskirche in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Schließlich konnten sie dank ihrer ökumenischen Kontakte ins Exil in Amsterdam gehen. Sophie Kunert-Benfey hielt loyal zu ihrem Mann, arbeitet mit ihm eng zusammen und unterstützte ihn, wo sie nur konnte. Ihre Entscheidung zeigt deutlich, dass auch im Nationalsozialismus verschiedene Handlungsoptionen gewählt werden konnten. Ihr war klar: Sie blieb bei ihrem Ehemann und verurteilte jede Form der Ausgrenzung und Kriminalisierung aufgrund einer „nicht arischen“ Herkunft.

In Amsterdam zeichnete sich ihre Arbeit in der deutschen Gemeinde durch partnerschaftliche Arbeitsteilung aus. Das Ehepaar hielt abwechselnd die Gottesdienste in der deutschen Gemeinde und teilte sich auch sonst die anstehenden Aufgaben. Ihre enge Zusammenarbeit ging auch nach dem Krieg weiter, als sie wieder nach Göttingen zurück gekehrt waren.

Allerdings interpretierte Sophie Kunert-Benfey ihr geistliches Amt nicht zuletzt wegen der blockierenden Kirchengesetze für Theologinnen nach dem Krieg anders. Sie intensivierte ihr Engagement im Bereich der Ökumene, den sie aufgrund ihrer Auslandserfahrungen in Amsterdam stark vertieft hatte. Sie übersetzte Zeitschriftenartikel aus ökumenischen Zeitschriften und leitete gemeinsam mit ihrem Mann einen ökumenischen Arbeitskreis. Sie hielt Vorträge in diesem Bereich und konzentrierte sich vor allem auf die Seelsorge. Sie machte noch bis kurz vor ihrem Tod Krankenhausbesuche und begleitete Menschen in schwierigen Lebenslagen. In ihrer partnerschaftlichen Arbeitsteilung lebten sie und ihr Mann vor, wozu sich die evangelischen Landeskirchen in Deutschland erst in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchringen konnten: Die Gleichstellung von Frau und Mann im geistlichen Amt. Insofern haben die beiden Vorbildfunktion für viele gehabt, auch wenn Kunert-Benfey nie ordiniert wurde und das geistliche Amt offiziell nicht bekleiden durfte.

1959 konnte sie noch erleben, dass die Vikarin Irmgard Meißner in die Gemeinde ihres Mannes eingeführt wurde. Bei den Feierlichkeiten wurde auch daran erinnert, dass Sophie Kunert-Benfey bereits 1925 für das Recht auf Ordination für Vikarinnen gekämpft hatte und dass sie 1928 schließlich ohne Ordination eingesegnet wurde. Sie selbst hielt bei der Nachfeier eine Rede. Auch für die Generation nach ihr setzte sie sich für die Rechte ein, die sie für ihre Generation so dringlich von der Kirche eingefordert hatte: die Ordination der Vikarinnen und die gleichberechtigte Ausübung des geistlichen Amtes mit Wortverkündigung und Sakramentsausteilung. Im Januar 1960 starb sie nach kurzer Krankheit. Die letzten Worte sprach ihr Ehemann am offenen Grab und zitierte dafür seinen Ordinationsspruch, der auch der Trauspruch der Eheleute war: „Ich bin in guter Zuversicht, daß, der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird´s auch vollenden bis an den Tag Jesu Christi“ (Brief an die Philipper 1,6) (vgl. dazu Söderblom: 1993, 288).

Reformatorische Impulse

Sophie Kunert engagierte sich als junge Theologin und Vikarin, die im Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel als Gefängnisseelsorgerin gearbeitet hat, für den modernen Strafvollzug. Sie setzte sich in Artikeln und in ihrer Promotion dafür ein, dass im Strafvollzug neue Konzepte für die Wiedereingliederung von Gefangenen erarbeitet und eingeführt werden, statt die Gefangenen ohne Perspektive auf eine menschenwürdige Rückkehr in die Gesellschaft wegzusperren (vgl. Söderblom: 1992). Diese Position, die sich vor allem für Bildung und psychologische Betreuung der Strafgefangenen einsetzte, war in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts alles andere als selbstverständlich und sehr umstritten. Kunert unterstrich mit ihrem Engagement das reformatorische Menschenbild, dass alle Menschen Sünder und Gerechte zugleich seien („simul iustus et peccator“) und allein aus Gnade gerechtfertigt würden. Von dieser reformatorischen Überzeugung waren für Kunert auch Strafgefangene nicht ausgeschlossen, zumal sie die Verstrickungen von sozialer Armut und (Klein-) Kriminalität deutlich wahrnahm. Insofern war für Kunert der Kampf für eine angemessene Bildung und Begleitung von Strafgefangenen für die gesellschaftliche Wiedereingliederung folgerichtig und notwendig.

Sophie Kunert hat sich als junge Vikarin außerdem leidenschaftlich für die Ordinationsrechte von Theologinnen eingesetzt. Ihre Position gründete sich konkret und undogmatisch auf ihre Erfahrungen als Seelsorgerin und Sozialpädagogin im Gefängnis. Zur vertraulichen Begleitung von Strafgefangenen gehörten für sie selbstverständlich auch die geistliche Begleitung, die theologische Verkündigung und die Sakramentsausteilung im Abendmahl dazu. Sie entsprach damit dem reformatorischen Amtsverständnis, dass Verkündigung und Sakramentsverteilung die Zeichen des geistlichen Amtes seien. Diese sollten selbstverständlich in allen Bereichen der theologischen Arbeit vorkommen, also in der Verkündigung, Seelsorge, Erziehung und in der christlich diakonischen Arbeit. Es empörte sie zutiefst und widersprach ihrem Gerechtigkeitssinn, dass die reformatorisch klar benannten Elemente des geistlichen Amtes den ausgebildeten Theologinnen und Vikarinnen nur aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden. Sie kritisierte die Engstirnigkeit vieler Theologen und Universitätsprofessoren, die sich ihres Erachtens weltfremd und stur auf dogmatische Lehrsätze und Traditionen beriefen, statt sich mit dem Arbeitsalltag von Theologinnen auseinanderzusetzen und ihre fundierten Kenntnisse und Begabungen ernst zu nehmen. Sie berief sich in ihren Ausführungen auch auf das reformatorische Prinzip vom Priesteramt aller Gläubigen, um ihren Argumenten Nachdruck zu verleihen. Sie schrieb dazu:

„Steht doch in unserer Kirche der Gedanke vom Priestertum aller Gläubigen noch immer allzusehr nur auf dem Papier; dieses allgemeine Priestertum sagt doch nicht nur aus, daß ich selbst auch ohne kirchliche Vermittlung mit Gott verkehren kann, es verlangt von jedem einzelnen von uns Auskunft über die Frage: wo ist dein Bruder? Dem Bruder ein Mittler werden vor Gott ist ein Pflichtgedanke, das ist der Gedanke vom allgemeinen Priestertum. Eine konsequente Durchführung dieses Gedankens würde dann auch ohne weiteres dazu führen, Frauenarbeit in den Kirchen willkommen zu heißen überall da, wo sie sich mit ernstem und heiligem Wollen anbietet. (…) Außerdem findet sich auch in Luthers Schriften die klare prinzipielle Anerkennung der Berechtigung kirchlicher Frauenarbeit (…)“ (Kunert: 1923).

Kunert verortete sich also selbst klar auf reformatorischem Boden.

Sie hielt über ihre Position Vorträge und schrieb Aufsätze dazu, sodass ihre Stimme deutlich mit dem Kampf für die Ordination von Theologinnen verbunden wurde. Sie legte dabei besonderen Wert darauf, nicht nur grundsätzlich, sondern stets auch aus den konkreten Gegebenheiten und Notwendigkeiten der Praxis heraus zu argumentieren. Sie orientierte sich damit an den Menschen und ihren Bedarfen und weniger an einem pseudo-sakralen Amtsverständnis, das in der Reformationszeit doch gerade kritisiert wurde und in den evangelischen Kirchen zu einem anderen Amtsverständnis führte.

Sophie-Kunert-Benfey blieb in der Zeit des Nationalsozialismus loyal an der Seite ihres Mannes, der „nicht arischer“ Herkunft war. Sie ließ sich vom nationalsozialistischen „Arierparagraphen“ nicht abhalten, für ihren Mann einzustehen und einzutreten, als die Hannoversche Landeskirche ihren Mann fallen ließ und in den einstweiligen Ruhestand versetzte. Sie folgte damit der Position der Bekennenden Kirche, wie sie in der Barmer Theologischen Erklärung im Jahr 1934 formuliert wurde. Diese Position besagte klar, dass allein Jesus Christus Richtschnur menschlichen Handelns sei und nicht die nationalsozialistische Partei und ihre Organe. Sie bezog sich damit auf eine zutiefst reformatorische Überzeugung, die sie auch nach dem Krieg in ökumenischen Gesprächen und Vorträgen im In- und Ausland weiter vorantrieb.

Kommentar

Sophie Kunert-Benfey war eine kluge und engagierte Theologin mit eigenem Kopf und Verstand. Mit ihrer Arbeit setzte sie sich dafür ein, dass das geistliche Amt stets mit konkreter sozialer Praxis verbunden wird. Sie hat sich Zeit ihres Lebens für ihre Überzeugungen eingesetzt und sich von dogmatischen Setzungen und ideologischen Blockaden nicht abhalten lassen. Auch vor unangenehmen und kontroversen Auseinandersetzungen ist sie nicht zurückgewichen. An drei Wegstationen ihres Lebens kann dies prägnant nachgezeichnet werden:

Zum einen hat sie sich vehement für die Ordination von Theologinnen eingesetzt, als viele Pfarrer und Professoren dies noch für unbiblisch und gänzlich undiskutabel hielten. Mit ihrem Antrag auf Ordination hat sie einen eigenen kirchenjuristischen Präzedenzfall in der Hamburgischen Kirche geschaffen. Daraufhin hätten viele Gegner des Antrags der unbequemen Theologin am liebsten das Wort verboten. Sie setzte sich aber gemeinsam mit anderen Theologinnen aus dem Verband der Theologinnen weiterhin für die Ordination ein und ließ sich den Mund nicht verbieten.

Zum zweiten setzte sie sich für Reformen im Strafvollzug ein. Denn aus ihrer Praxis als Gefängnisseelsorgerin wusste sie, dass Wegsperren der Gefangenen ohne Perspektive auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft kontraproduktiv und menschenunwürdig war. Sie ließ sich auch hier offen auf Diskussionen mit ihren Kritikern ein und verfasste zu ihren Standpunkten Aufsätze und auch Dissertation widmet sich mit wissenschaftlicher Tiefe diesem Thema.

Zum dritten blieb sie loyal und standhaft an der Seite ihres Mannes, als der wegen seiner sogenannten „nicht arischen“ Herkunft zunächst von Gemeindegliedern beleidigt und boykottiert wurde, dann von der Hannoverschen Landeskirche in den einstweiligen Ruhestand versetzt und schließlich von der NSDAP kriminalisiert und verhaftet wurde. Sophie Kunert-Benfey ließ wie ihr Ehemann alles zurück, um mit ihrem Mann nach Amsterdam ins Exil zu gehen. Als sie nach dem Krieg wieder nach Göttingen zurückkamen, blieb sie bei aller Zusammenarbeit mit ihrem Mann eine eigenständige Theologin, die sich für die Ökumene einsetzte und dafür Vorträge und Veranstaltungen anbot. Sophie Kunert-Benfey starb bereits 1960 nach kurzer Krankheit. Leider konnte sie daher nicht mehr miterleben, wie Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts Theologinnen endlich zur Ordination zugelassen wurden. Es wäre für sie eine Genugtuung gewesen.