Trinette Bindschedler

Unbändige Liebe zu Gott und den Menschen
Unbändige Liebe zu Gott und den Menschen Doris Brodbeck
Lebensdaten
von 1825 - bis 1879
Unter weiteren Namen bekannt als:
Catharina Bindschedler
Sr  Trinette Bindschedler.jpg
Copyright Archiv Diakonissenhaus Riehen
Beziehungen

Trinette Bindschedler, geboren am 28. Oktober 1825 in Münchenstein (Baselland, Schweiz), wuchs mit drei Geschwistern in Haagen im Wiesental bei Lörrach (Baden-Württemberg) auf, wo ihr Vater die Leitung einer Spinnerei übernommen hatte. Sie war lernbegierig und wurde an ein Privatinstitut in Sitzenkirch im Schwarzwald und dann in ein Pensionat in Yverdon am Genfersee (Waadtland, Schweiz) geschickt, wo sie auch ihren Konfirmationsunterricht erhielt. Mit 17 Jahre kehrte sie ins Elternhaus zurück und betreute die Gäste, zu denen auch Christian Friedrich Spittler gehörte, der Gründer des Diakonissenhauses Riehen. 1850 verlobte sie sich, doch wurde die Verlobung kurz vor der Hochzeit aus uns unbekannten Gründen aufgehoben. 1852 fragte Spittler sie an, die Leitung der neu zu gründenden Diakonissenanstalt in Riehen bei Basel zu übernehmen, was sie nach kurzer Bedenkzeit annahm. Sie besuchte Diakonissenhäuser in Straßburg und Kaiserswerth, um ihr Arbeitsfeld kennenzulernen. Die 27jährige wurde am 11. November 1852 feierlich eingesegnet und in ihr Amt als erste Oberschwester des Diakonissenhauses in Riehen eingesetzt. Sie leitete das Diakonissenhaus in alleiniger Verantwortung während 24 Jahren und wurde von einem Komitee unterstützt. Im Herbst 1879 erkrankte Trinette Bindschedler schwer an Typhus und starb am 14. Dezember nach zweimonatiger Krankheit.

Wirkungsbereich

Trinette Bindschedler schrieb viel und hinterließ im Archiv des Diakonissenhauses ein umfangreiches Tagebuch (1852-1856) und Monatsberichte (seit 1858) über das Mutterhaus, die auswärtigen Diakonissen und die Patienten des Krankenhauses, ferner Auslegungen zum Kolosserbrief für die Bibelstunden mit den Diakonissen, Notizbücher aus ihrer Jugend (1835-1844), Reiseberichte und ungezählte Briefe. Riehener Diakonissen wirkten in vielen Außenstationen, so in Spitälern in Basel, Bern, Schaffhausen und Münsterlingen sowie in der Gemeindepflege, in Strafanstalten, Kindergärten und Kinderkrippen. 1871 wurde ein eigenes Diakonissenspital eröffnet, das von einem fest angestellten Arzt betreut wurde. Um die Seelsorge an Schwestern und Patienten zu übernehmen wurde ab 1876 zur Entlastung von Trinette Bindschedler ein Hausgeistlicher angestellt. Schließlich erstaunt das rasante Wachstum der Diakonissengemeinschaft, die 1855 bereits 23 Schwestern zählte und 1872 schon weit über hundert Schwestern und dass sich der Betrieb des Diakonissenhauses in den ersten Jahren zum größten Teil aus Spenden finanzierte.

Reformatorische Impulse

Die Herausforderung in Trinette Bindschedlers Aufgabe als Leiterin des Diakonissenhauses bestand in der großen Verantwortung, die sie als Frau zu tragen hatte. Sie war von einer erwecklichen Frömmigkeit geprägt ähnlich wie auch ihre ältere Kollegin in Bern, Sophie von Wurstemberger (1809-1878). Sie machte sich seit jungen Jahren ihre eigene Unzulänglichkeit bewusst und suchte die Kraft allein aus dem Glauben zu holen, den sie später als „Brautliebe zu Christus“ deutete. Sie schrieb am 30. August 1852 an Spittler: „Wenn ich an die Wichtigkeit meiner neuen Lebensaufgabe denke und dagegen an die kleine Kraft oder vielmehr an mein gänzliches Unvermögen, so muss ich mich auch hindurchglauben, wenn ich nicht in Verzagtheit und Kleinmut untergehen soll. […] Mein Nichtskönnen beugt mich oft tief darnieder. Doch ist mir oft, ich sollte nur getrost auf den Herrn hoffen.“ Dass sie als Frau überhaupt mit einer solchen Aufgabe betraut wurde, aber noch mehr ihr Ansatz, vom Glauben her die gestellten Aufgaben anzupacken und aufkommende Selbstzweifel vor Gott zu benennen, kann als reformatorisches Erbe verstanden werden. Auch bei ihren Mitarbeiterinnen war es ihr wichtig, diese Frömmigkeit wiederzufinden. Sie suchte, den „demütigen Diakonissensinn“ in den Schwestern zu wecken und verlangte eine Selbstverleugnung, die den Eigensinn bricht. Neben hoher Einsatzbereitschaft erwartete sie auch eine freundliche und liebevolle Haltung gegenüber den Patienten. Wer in diesen Punkten nicht genügte, wurde von Oberschwester und Komitee nach der Probezeit weggewiesen. Die Aufgenommenen sollten dann ständig weiter zu „Dienerinnen Jesu Christi“ herangebildet und in ihrem Glauben gefördert werden. Diese Begleitung der Schwestern gestaltete sie aus einer Haltung der liebenden Sorge heraus. Ihre Berufsmotivation, die sich nicht einfach aus dem Pflichtbewusstsein, sondern aus der Liebe zu Christus und zu den Mitmenschen nährt, wurzelt in der Reformation, die den Beruf als Berufung deutete.

Kommentar

Heute hören sich Worte wie Demut und Selbstverleugnung als Gegensatz zu den Zielen von Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung als Frau an. De facto hat sich Trinette Bindschedler aber durchaus einen großen Handlungsspielraum als Frau zu Eigen machen können. Der Weg, auf dem sie dahin gelangte, widerstrebt allerdings heutigem Lebensgefühl und auch manchem heute gängigen Glaubensverständnis. Im Blick auf das reformatorische Gedankengut hat dieser Weg jedoch eine gewisse Berechtigung, erinnert ja auch der Reformator Martin Luther in Anlehnung an den Apostel Paulus, dass „unser alter Adam ersäuft werden“ soll. Ich sehe es als eine Herausforderung für die heutige Praxis und Theologie an, das Potential dieses Weges der demütigen Selbsterkenntnis und Selbstkritik neu zu entdecken ohne jedoch den Wert der Selbstentfaltung des Menschen und gerade auch der Frau preiszugeben. Angesichts der Arbeit bis zur Erschöpfung, die die Diakonissen leisteten, gilt es aber auch nach den Grenzen der Selbstmotivation durch den Glauben bzw. durch die Liebe zu Christus zu fragen. Solche Berufsmotivation aus dem Glauben befähigte zwar zu Höchstleistungen, doch ist heute angesichts von Burnout-Diagnosen und Herzinfarkten auch die Frage nach regelmäßigen Ruhephasen und genügender Erholung gestellt.