Verena Pfenninger-Stadler, geboren am 29. März 1904 in Zürich, war eine intellektuell interessierte Frau. Ihr Studium in Theologie ab 1924 besuchte sich in Zürich, Marburg und Münster. Nach dem Lernvikariat war ihr aufgrund ihrer Heirat 1930 eine berufliche Anstellung in der Kirche verwehrt. Erst nach dem Tod ihres Mannes wurde sie erstmals 1962 als Spitalseelsorgerin an der psychiatrischen Klinik Hohenegg in Meilen (Kanton Zürich) angestellt und erhielt 1963 im Zürcher Großmünster zusammen mit einer Gruppe von Theologinnen die Ordination zur Pfarrerin. Diese Ordination von Theologinnen war in Zürich die erste nach einer langen Pause seit 1918 in Zürich Rosa Gutknecht und Elise Pfister als Pfarrhelferinnen ordiniert worden waren. In der Zwischenzeit war es Frauen nur ausnahmsweise möglich, in pfarramtlicher Tätigkeit angestellt zu werden. So zum Beispiel Marianne Kappeler aus Frauenfeld (Kanton Thurgau), die als Vertretung ihres Onkels auf der gemeindeeigenen Pfarrstelle in Zollikon bei Zürich von 1930 bis 1944 tätig war. Von dort wurde diese als Pfarrhelferin an die St. Leonhardsgemeinde nach Basel berufen, konnte aber auch dort erst ab 1960 bis zu ihrer Pensionierung 1969 das volle Pfarramt versehen. Erschwerend wirkte bei Verena Pfenninger-Stadler der Umstand, dass sie heiratete, denn bis Anfang der 1960er Jahre galt in der Schweiz nicht nur in der Kirche, sondern auch für Lehrerinnen bis hin zu Postbeamtinnen, dass sie mit ihrer Heirat die Stelle aufgeben mussten. Diese sogenannte Zölibatsklausel war Frauen in öffentlichen Anstellungen auferlegt bis in die 1960er Jahre. Verena Pfenninger-Stadler zog also mit ihrem Mann Walter Pfenninger als Pfarrfrau an dessen Pfarrstellen nach Brig im Wallis 1930, 1939 nach Romanshorn im Thurgau am Bodensee und 1950 in die Stadt Zürich nach Zürich-Sihlfeld. Am meisten Entfaltungsspielraum erhielt sie bei seiner ersten Pfarrstelle in der Diaspora im katholischen Wallis, wo sie ohne eine offizielle Anstellung Gottesdienste und Unterricht in den verstreuten Dörfern übernahm. Im Wallis gebar sie auch ihre beiden Töchter, die sie mit Hilfe ihres Ehemannes und einer Hausangestellten besorgte. Wie ihr Mann war sie eingeschriebene Sozialdemokratin. Sie starb am 27. Januar 1999 in Fällanden (Kanton Zürich, Schweiz). Ihr theologischer Nachlass befindet sich im „Archiv für die Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung“ der Gosteli-Stiftung in Worblaufen bei Bern (Schweiz), ebenso das Archiv des Schweizerischen Theologinnenverbandes.
Verena Pfenninger-Stadler engagierte sich im Kampf um das Frauenpfarramt, indem sie als erste Redakteurin der „Mitteilungen an die Schweizer Theologinnen“ wirkte, die erstmals am 1. Dezember 1931 erschienen. Der Schweizerische Theologinnenverband wurde erst danach 1939 gebildet und dauerte bis 2001. In der ersten Ausgabe glaubt die Redakteurin noch, mit ihren unverheirateten Berufskolleginnen im Kampf um das Pfarramt übereinzustimmen. „Über folgende Punkte haben sich die schweizerischen Theologinnen in früheren Zusammenkünften geeinigt: Wir erstreben für alle das Recht auf das volle Pfarramt, und zwar unabhängig davon, ob jemand verheiratet ist oder nicht. […] Daraus darf aber nicht abgeleitet werden, dass wir alle eine spezielle weibliche Eigenart ablehnen, dass wir alle vom Pfarramt in seiner heutigen Form begeistert sind usw. Was wir wollen, ist eine völlige Bewegungsfreiheit für uns alle, damit es der einzelnen Theologin überlassen bleibt, ihre Arbeit vom Zentrum der Verkündigung her und nach den besonderen Bedürfnisses gerade ihrer Gemeinde zu gestalten.“ (Mitteilungen Nr. 1, S.3) Es zeigte sich aber in den Zuschriften, dass doch viele glaubten, nur unverheiratet fürs Pfarramt in Frage zu kommen. (Mitteilungen Nr. 2, 30.3.1932)
Im Pfarramt im Wallis gelingt es Verena Pfenninger-Stadler, sich trotz ihrer Kleinkinder auch als verheiratete Theologin beruflich einzubringen. Sie reflektiert ihr Amtsverständnis auch in verschiedenen Zeitschriften wie in einem Beitrag in der religiös-sozialen Zeitschrift „Neue Wege“ 1931 unter dem Titel „Dienst an der Sache und Weiblichkeit. Ein Beitrag zur Theologinnenfrage“, oder am 2. Juni 1933 im Schweizer Frauenblatt, der größten damaligen Schweizer Frauenzeitschrift, die vom Bund schweizerischer Frauenvereine herausgegeben wurde, unter dem Titel „Meine Arbeit als Theologin unter den Protestanten des Oberwallis“.
Auf reformatorische Wurzeln kann sich die ausgebildete Theologin im Blick auf ihr Amtsverständnis berufen, wenn sie als Frau das autoritäre Amtsverständnis abzubauen suchte, das die kirchliche Praxis von der reformatorischen Auffassung vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen trennte. Obschon es noch zu ihrer Zeit heftig bestritten wurde, dass Frauen als Pfarrerinnen wirken können sollten, wollte sie durch ihr Auftreten als Frau im Pfarramt, aber auch durch ihr bewusstes Ansprechen von Vorurteilen die Distanz zwischen Amtsträgern und Gemeinde überwinden helfen. Ja, ihren Verkündigungsauftrag verstand sie als ein Wachrütteln der in Vorurteilen gefangenen Menschen, was sowohl ihrer sozialdemokratischen, als auch ihrer frauenemanzipatorischen und nicht zuletzt auch ihrer theologisch-reformatorischen Gesinnung entsprach: Menschen aus ihrer Krümmung in sich selbst befreien. Genauso will sie die Menschen auch in Bezug auf ihre Geschlechtervorstellungen zum Nachdenken veranlassen. Gesellschaftliche Vorurteile und Normen sollen angesichts der Erwartung des Reiches Gottes geprüft und revidiert werden.
Manche Zeitgenossen machten sich Sorgen, dass den Frauen im Pfarramt die Weiblichkeit abhandenkäme. Das kümmerte Verena Pfenninger wenig, denn das Echte kommt immer durch und die Erwartung des neuen Menschen stellt sie sich mit Galater 3,28, „da ist weder Mann noch Frau“, als Überwindung von Geschlechterstereotypen vor. Diese eschatologische Haltung überwand sowohl einen Geschlechterdualismus als auch einen Geschlechteregalitarismus.
Der Eintritt von Frauen ins Pfarramt wurde oft – positiv oder negativ – in Zusammenhang mit weiblichen Rollenklischees gebracht. Verena Pfenninger-Stadler fühlte sich als intellektuelle Frau diesen Weiblichkeitsidealen nicht hingezogen. Die stärkere Entwicklung der Gemütsseite bei der Frau verstand sie als historisch bedingt und wollte vielmehr die beiden Bereiche Verstand und Gemüt nicht länger trennen. Das Lob auf bestimmte weibliche Eigenschaften, das auch von Theologen und über alle denkerischen Lager hinweg geäußert werde, habe sie vielmehr skeptisch gestimmt. Sie konnte sich von gesellschaftlichen Rollenzwängen frei machen, indem sie diese angesichts des Reiches Gottes als vorläufig und nebensächlich ansah. Ihr Amt versteht sie gut reformatorisch von der Verkündigung des Evangeliums her und will sich als Frau in diesen Dienst stellen. Dass dadurch das Gefälle zwischen Amtsträgern und Gemeinde abgebaut wird, ist ein aus reformatorischer Sicht willkommenes Nebenprodukt.