Wibrandis Rosenblatt kam im Jahr 1504 als Tochter der Magdalena Strub und des Hans Rosenblatt im damals vorderösterreichischen Städtchen Säckingen zur Welt. Ihren Vornamen erhielt sie nach einer zu jener Zeit protegierten Lokalheiligen namens Wibrandis von Eichsel, einer Frau Gottes aus dem Kreis der sagenumwobenen 11.000 Jungfrauen. Von Hans Rosenblatt ist wenig überliefert. Die Mutter stammte aus einem im Gerbergewerbe tätigen Basler Geschlecht, wovon mehrere Familienmitglieder im Rat saßen. Magdalena Rosenblatt kehrte mit ihren Kindern Wibrandis und Adelbert zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach Basel zurück, wohl weil ihr Ehemann infolge seines Engagements in kaiserlichen Diensten mehrheitlich abwesend war. Über die Kindheit und Jugend von Wibrandis ist nichts bekannt. 1524 heiratete Wibrandis den Magister der freien Künste Ludwig Keller. Im Jahr darauf gebar sie ihr erstes Töchterchen Wibrandis. Nur kurz währte die erste Ehe, denn bereits 1526 starb Keller. Die junge Witwe kehrte ins mütterliche Haus zurück. Ein halbes Jahr später, im Januar 1527 erwog der Basler Reformator Johannes Oekolampad erstmals für sich eine Verehelichung. Offenbar hatte seine Magd das Gerücht verbreitet, dass er in den Ehestand treten würde, obwohl er nach eigenen Angaben nichts solches im Sinn gehabt hatte. Oekolampad kam gewissermaßen in Zugzwang. Er schrieb seinem Kollegen Wolfgang Capito nach Straßburg: „Entweder werde ich eine christliche Schwester suchen, das heisst einen Phönix, oder ich werde ehelos bleiben, wenn nur der Herr es möchte. Jener Vogel ist selten und daher wenigen bekannt, und es kann geschehen, dass in mein Netz ein anderer [Vogel] fliegt, als ich wollte“ (Staehelin I: Nr. 457). Dass der Basler Reformator hier auf den Phönix rekurriert, ist vielsagend, denn dieser mythische Vogel wurde in der Tradition symbolhaft mit Christus, im Sinne eines sich hinschenkenden Tuns, verglichen. Der humanistisch gebildete Oekolampad wünschte sich demnach eine Frau, die ebenso wie er in der Nachfolge Christi stand: Sich aufopfernd in einem Dasein für Andere. Im Februar 1528 war seine Mutter Anna Oekolampad-Pfister, die ihm zuletzt den Haushalt geführt hatte, gestorben. Mitte März heiratete dann der 45jährige Oekolampad die 20 Jahre jüngere Rosenblatt. An Wilhelm Farel, der zu jener Zeit in Aigle wirkte, schrieb Oekolampad: „Sie ist in Christus einigermassen gründlich unterrichtet und besorgt den Haushalt eifrig; genau wie ich es gewünscht habe“ (Staehelin I: Nr. 576). Ein Jahr nach der Eheschliessung berichtete er übereinstimmend an Capito in Straßburg: „Sie ist die Frau, wie ich sie mir immer gewünscht habe, und ich wollte keine andere“ (Staehelin I: Nr. 639). Der Reformator schrieb diesen Satz rund einen Monat nach dem Basler Bildersturm und vierzehn Tage vor der Einsetzung der Reformationsordnung; letztere bedeutete die politisch-obrigkeitliche Legitimation der Neuerungen. In turbulenter Zeit hatte Oekolampad also den gesuchten Phönix gefunden. Das verheiratete Paar hatte nicht nur unter den politisch-religiösen Unruhen zu leiden, sondern auch hämischen Spott zu erdulden, sind doch von Bonifatius Amerbach oder auch von Erasmus von Rotterdam entsprechende Äußerungen überliefert. Die Gründe dafür lagen zum einen darin, dass eine Priesterehe immer noch sehr provokativ wirkte; zum andern war es der große Altersunterschied. Rosenblatt brachte kurz nacheinander die drei Kinder Eusebius (1528; der Name bedeutet griechisch „fromm“), Irene (1530; griechisch „Friede“) und Aletheia (1531; griechisch. „Wahrheit“) zur Welt. Die junge Pfarrfrau wuchs bald in das Beziehungsnetz ihres Ehemannes hinein; sie tauschte Grüße mit Anna Zwingli, Agnes Capito und Elisabeth Butzer (bzw. Bucer) aus. Aber auch Johannes Oekolampad profitierte von den Familienbanden seiner Frau. Anfangs Januar 1530 wurde er zusammen mit seinem Sohn in die Gartnerzunft aufgenommen, deren Mitglied bereits Wibrandis’ Großvater gewesen war. Damit wurde Oekolampad Bürger von Basel. Im Pfarrhaus – die Familie hatte inzwischen von St. Martin ans Münster gewechselt – herrschte ein reges Kommen und Gehen: Zwingli war zu Gast, aber auch Capito, Butzer, Servet oder Mitglieder der Waldenserkirche. Im Herbst 1531 erkrankte Oekolampad schwer und starb schon kurze Zeit später am 23. November. Kurz vorher war auch Wolfgang Capitos Frau Agnes Röttel gestorben. Nun fädelten befreundete Kollegen von Capito, allen voran Martin Butzer (häufig auch unter dem Nachnamen Bucer bekannt), eine neue Ehe zwischen dem verwitweten Reformator und der verwitweten Reformatorengattin ein. Die vermittelte Ehe kam schließlich am 11. April 1532 zustande. Wibrandis Rosenblatt zog mit ihren vier Kindern und ihrer Mutter Magdalena Strub ins Pfarrhaus von Jung-St. Peter nach Straßburg und blieb damit ihrer Lebensform als Pfarrfrau treu. Capito brachte seinerseits sechs Kinder aus erster Ehe in die neue Verbindung ein. Rosenblatt regelte zunächst Capitos Finanzhaushalt, denn er war aufgrund unsicherer Bürgschaften in Schulden geraten. In den folgenden Jahren kamen weitere Kinder auf die Welt: Agnes (1533), Dorothea (1535), Johann Simon (1537), Wolfgang Christoph (1538) und Irene (1541), die den Namen ihrer inzwischen verstorbenen Halbschwester erhalten hatte. Als Paten für die Kinder konnten unter anderen Katharina Zell, Martin Butzer und der Basler Professor Simon Grynaeus gewonnen werden. Das Geburtsjahr 1541 des jüngsten Kindes Irene war ereignisreich: Die älteste, nach der Mutter benannte Tochter Wibrandis Keller heiratete den Straßburger Hans Jeliger. Zudem wütete eine verheerende Pestepidemie in der Stadt. Sie forderte auch in der Familie Capito-Rosenblatt vier Opfer: Eusebius, Dorothea, Wolfgang Christoph und anfangs November auch den Familienvater selbst. Nur einen Tag nach Capitos Tod wurde auch Elisabeth Silbereisen, ehemalige Nonne und seit 1522 Ehefrau von Martin Butzer, dahingerafft. Einem Brief von Martin Butzer an Ambrosius Blarer zu Folge hatte die sterbende Elisabeth, der Capitos Tod zu Ohren gekommen war, ihren Mann gebeten, an dessen Stelle zu treten. Und sie hatte Wibrandis rufen lassen, um auch sie zu bitten, ihren Mann zu heiraten. Elisabeths Bitte erfüllte sich ein knappes halbes Jahr später: Am 16. April 1542 verbanden sich die Familien Capito-Rosenblatt und Butzer-Silbereisen, indem Wibrandis und Martin miteinander heirateten. Rosenblatt wechselte mit ihren Kindern ins Pfarrhaus von St. Thomas. Sie wurde neu auch Mutter für den behinderten Nathanael, dem einzigen Sohn, der Butzer von seinen ehemals zehn Kindern übriggeblieben war. Neben Wibrandis’ Mutter, die wiederum mitgekommen war, gehörten zum Haushalt zeitweilig auch Butzers Vater und dessen zweite Frau. Nicht einmal ein Jahr nach der Hochzeit reiste Butzer für mehrere Monate nach Köln, wo er dem evangelisch gesinnten Erzbischof bei der Reformierung seines Fürstentums behilflich sein sollte. Unterdessen kam ein Sohn auf die Welt: Martin (1543); später folgte noch Elisabeth (1545). Zudem hatte Wibrandis die jüngste Tochter ihres verstorbenen Bruders Adelberg, Margarethe Rosenblatt, in ihr Haus aufgenommen. Wibrandis kümmerte sich aber nicht nur um die eigene Familie, sondern als Pfarrfrau und Reformatorengattin oblag ihr auch die Sorge für Gäste, Glaubensflüchtlinge und Bedürftige aus der Gemeinde. Sieben Jahre nach der Eheschließung musste Butzer infolge des Augsburger Interims (1548) Straßburg verlassen. Im April 1549 ging er nach England ins Exil und folgte so einer Einladung des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Cranmer. Inzwischen hatte Aletheia Oekolampad einen jungen Mitarbeiter ihres Stiefvaters, den aus dem Tirol gebürtigen Pfarrer Christoph Söll geheiratet. Butzer, ebenso wie sein mit ihm emigrierter Kollege Paul Fagius, hatte Mühe sich in England zu akklimatisieren. Das betriebsame Leben am Hofe des Erzbischofs wie auch das üppige Essen machte ihnen zu schaffen. Als der Erzbischof den beiden Männern offerierte, ihre Familien nachkommen zu lassen, nahmen sie das Angebot mit Freuden an. Noch im Spätherbst reisten beide Ehefrauen nach Cambridge, wo ihre Männer inzwischen an der Universität wirkten. Es sind weder das genaue Datum noch die Zusammensetzung der Reisegruppe bekannt; sicher dabei war Agnes Capito und wohl noch ein männlicher Begleiter. Butzer hatte seiner Frau eine ganze Einkaufliste aufgetragen: „in Antwerpen solle Frau Wibrandis Gewürze, Zucker, gute Zwetschgen und, was des Dings sei, kaufen, weil in England alles so teuer sei; auch eine Medizin solle sie von Dr. Ulrich Geiger in Strassburg mitbringen“ (Staehelin II: 32f.). Im November 1549 starb Paul Fagius; seine Witwe Agnes Buchbaum kehrte im Folgejahr vor dem Pfingstfest zusammen mit Wibrandis Rosenblatt nach Straßburg zurück – letztere mit der Absicht, die übrigen Familienmitglieder nachzuholen. In Straßburg erwarteten Rosenblatt verschiedene Unanehmlichkeiten, wovon sie ihrem Mann in einem Brief berichtete. Einerseits wollte man ihre Habe konfiszieren, andererseits sollte sie vor dem geistlichen Gericht erscheinen. Sie wehrte jedoch beides furchtlos ab. Im Spätsommer reiste Wibrandis Rosenblatt dann zusammen mit ihrer Mutter Magdalena Strub und den Kindern Elisabeth Butzer und Margaretha Rosenblatt, diesmal in Begleitung von Christoph Söll, nach Cambridge. Doch nur wenige Monate nach ihrer Ankunft erkrankte Butzer schwer; er starb in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1551. Im April trat die abermals verwitwete Wibrandis Rosenblatt mit ihrer Familie die Heimfahrt nach Straßburg an. Nachdem auch noch ihr Schwiegersohn Christoph Söll im Frühling 1553 an der Pest gestorben war, entschloß sich Wibrandis, mit ihren Angehörigen in ihre Heimatstadt Basel zurückzukehren; mit dabei waren Agnes, Johann Simon und Irene Capito sowie Elisabeth Butzer und wahrscheinlich auch die Nichte Margaretha Rosenblatt. Aletheia Oekolampad hingegen blieb in Straßburg, wo sie später den Kannengiesser Hans von Lampertheim heiratete. Der einzig verbliebene Sohn, Johann Simon, studierte in Basel Theologie, wechselte aber bald nach Marburg. Er gab seiner Mutter offenbar Anlass zu größter Sorge. Im Brief vom 14. März 1557 – es handelt sich zugleich um das letzte schriftliche Zeugnis von Wibrandis Rosenblatt – redete sie ihm ins Gewissen. Die mütterlichen Ermahnungen sind voller Anklänge an die Bibel. Am Schluß des Briefes fügte Wibrandis Grüße von der Großmutter Magdalena Strub, von Irene Capito und Elisabeth Butzer an. Von Johann Simon jedoch blieb jedes Lebenszeichen aus; er galt später als verschollen. Im Jahre1564 wütete in Basel eine weitere Pestepidemie, die viel Leid anrichtete. Am ersten November fiel ihr auch Rosenblatt zum Opfer. Sie wurde im Kreuzgang des Basler Münsters im Grab ihres zweiten Mannes, Johannes Oekolampad beigesetzt. Die Grabinschrift würdigt Oekolampads humanistische Bildung und seinen reinen Lebenswandel sowie auch seine Bedeutung für die evangelische Lehre und die Basler Kirchenordnung. Der Name von Wibrandis Rosenblatt hingegen fehlt auf dem Epitaph.
Ältere Darstellungen über Wibrandis Rosenblatt resümieren ihr Engagement im Großen und Ganzen wie folgt: „Der Beitrag Wibrandis Rosenblatts zur Reformation lag wie der Katharina von Boras eher im häuslich-familiären Bereich“ (Bainton: 84). Oder: „Und wenn Wibrandis auch nicht ‚im Weinberg des Herrn‘ tätig gewesen ist, so doch auf den Rebäckern der Oekolampad draussen auf dem Gellert und vor dem Steinentor“ in Basel (Teuteberg: 41). Folgt man jedoch bei der Beurteilung von ihrem Wirken neueren gendersensiblen Ansätzen zur Reformationsgeschichte, verschiebt sich das Bild. Als Reformatorengattin war Rosenblatt daran beteiligt, das neue Rollenmodell der evangelischen Pfarrfrau mitzuentwickeln und dadurch auch das protestantische ‚Pfarr-Amt’ mitzuprägen.
Die Pfarrfrau als neue ‚Institution’ war unabdingbarer Teil des Pfarr-‚Amtes’. „Das ‚Amt‘ des Pfarrers und das ‚Amt‘ der Pfarrfrau waren aufeinander bezogen“ (Schorn-Schütte: 112f.). Diese Verknüpfung entsprach dem während der Reformationsbewegung neu definierten Verhältnis von Mann und Frau, von Hausmutter und Hausvater. Die Verbindung Pfarrer und Pfarrfrau überbot die allgemeine häusliche Konstellation jedoch darin, als sie nach außen zu wirken hatte und die Ansprüche dementsprechend hoch waren. Die Pfarrehe sollte bezüglich Partnerschaft, Hauswirtschaft, Kindererziehung und vor allem bezüglich einer christlichen Lebenspraxis möglichst das Idealbild verkörpern und es im Alltag exemplarisch umsetzen. Letzteres beinhaltete auch den Dienst an Armen und Kranken; dieser oblag sowie auch die geistlich Unterweisung der Pfarrfamilie der Pfarrfrau. Etwas von diesem anspruchsvollen Programm bringt Martin Butzer in einer Würdigung zum Ausdruck, die er nach dem Tod seiner ersten Frau Elisabeth Silbereisen zu Papier gebracht hatte: „Der liebe Gott hat mir zuvor ein Gemahl gegeben bis ins 20. Jahr [d.h. während 20 Jahren], die mit solcher Zucht, Ehrbarkeit, Gottseligkeit, auch Arbeitsseligkeit in aller Haussorg und Arbeit begabt gewesen, wie das viel frommer Christen wissen, dass ich durch sie zu meinem Dienst merklich bin gefördert worden, nicht allein in dem, dass sie mich aller Haussorg und zeitlicher Geschäfte enthoben, sondern auch in dem, dass sie durch ihren Fleiss und Mühe die leibliche Versorgung, so uns bisweilen nicht so reichlich zukommen, also ratlich [vorsorglich] angelegt und ausgeteilt hat, dass wir hier in Strassburg vielen Pilgern und Dienern Christi viel mehr Dienst bewiesen haben, als ich, wo ich allein gewesen wäre, nimmer vermocht hätte“ (Heinsius: 73). Wibrandis Rosenblatt übernahm als Nachfolgerin von Elisabeth Silbereisen dieselben Aufgaben, die sie ihrerseits während ihrer beiden früheren Pfarrehen eingeübt hatte. In Butzers Würdigung klingt auch ein – gemäß den Studien von Schorn-Schütte – häufig für Pfarrfrauen propagiertes Vorbild an, nämlich das der Martha und Maria (vgl. Lk 10,38-42). Die Pfarrfrau verkörperte gleich beide in den biblischen Schwestern repräsentierten Aspekte, nämlich „Arbeitsseligkeit“ und „Gottseligkeit“, um es in Butzers Begrifflichkeit zu formulieren.
Als Wibrandis Rosenblatt dem Ehebündnis mit Johannes Oekolampad zustimmte, „wusste sie mit Sicherheit von der öffentlichen Aufmerksamkeit für diesen Schritt. Sie legte damit ganz bewusst ein Bekenntnis zum reformatorischen Glauben, seiner neuen Geschlechteranthropologie und Ehelehre ab, aber auch zum neuen Verständnis von Priesteramt und Gemeinde und den Aufgaben, die daraus für die Pfarrfrau und die Pfarrfamilie resultierten“ (Burghartz: 341).
Die Reformation ermöglichte nicht nur die Priesterheirat, sondern sie etablierte generell eine neue Geschlechterordnung. Diese beruhte auf der Vorstellung, dass die Geschlechtlichkeit wesenhaft zum Menschen gehört. Gott habe den Menschen als Frau und als Mann geschaffen, um sich miteinander zu verbinden und Kinder in die Welt zu setzen. Die Ehe wurde zur primären, von Gott geschaffenen gesellschaftlichen Ordnung. Nach Martin Luther sollten sich die Eheleute lieb haben, zueinander schauen und sich die Sorge um die Kinder teilen. Der Wittenberger Reformator nahm Mann und Frau zu gleichen Teilen in die Pflicht und übertrug ihnen weitgehend dieselben Rechte und Aufgaben. Eine Ausnahme bildete die im ersten Buch Mose verordnete Gehorsamspflicht der Frau. Allerdings wird dieses Herrschaftsverhältnis durch die Taufe relativiert, denn sie reinszeniert, dass Mann und Frau in der ursprünglich guten Schöpfungsordnung Gottes gleichwertig sind, „ein göttlich gut Werk“ (Luther: 14). Das Gute des ehelichen Lebens bilanzierend, schrieb Luther in einem kühnen Satz, dass der eheliche Stand Gott gefiele und zwar mit allen seinen „Werken“ (Betätigungen), „der sie also verordnet hat und unser damit pflegt als eine Mutter in aller Güte“ (Luther: 38). Die Ehe als gutes Werk Gottes erscheint als ein relationales Dasein für Andere, sei es in Bezug auf die Sorge für das Wohl des Ehepartners oder im sich Kümmern um die Kinder.
Luthers Schrift „Vom ehelichen Leben“ wurde auch in Basel gedruckt und erschien 1522 in der Offizin von Adam Petri. Es ist gut möglich, dass Rosenblatt Kenntnis davon hatte. Sie hätte darin im Elternamt einen guten Dienst erkennen, ja Gott selbst als „diakonisch“ erfahren können, nämlich in dem Sinn, dass Gott für die Menschen sorgt wie eine gütige Mutter.
In diesem neuen Kontext von Geschlechteranthropologie und Eheverständnis kam der Priesterehe eine Signal- und Vorbildfunktion zu. Auch weil sie sichtbar machte, dass es nicht mehr um die bisherige Ungleichheit zwischen Klerus und Laienstand ging, bei der ein Stand gegenüber dem Rest der Gesellschaft als besonders gottgefällig galt, sondern dass die reformatorische Bewegung die Heiligung der gesamten Lebensführung im Sinn hatte.
Weshalb ist Wibrandis Rosenblatt erinnerungswürdig? War sie nicht einfach die Frau an der Seite berühmter Männer und hatte darüber hinaus noch einen wohlklingenden Namen? Anders als Katharina Zell oder Argula von Grumbach mischte sie sich nicht öffentlich mit eigenen theologischen Stellungnahmen in die reformatorischen Debatten ein. Was wir über Wibrandis Rosenblatt wissen, stammt größtenteils aus der Feder von Männern ihres Umfeldes. Gerade im Fall Rosenblatt drängt sich ein mehrfacher Perspektivenwechsel auf. Zunächst müssen die vorliegenden Quellen neu gelesen und gewichtet werden mit dem Ziel, wenn auch nicht neue oder bisher unberücksichtigte Fakten zu entdecken, so doch Akzentverschiebungen vorzunehmen. Zweitens gilt es, biographische Daten wie Wibrandis’ Priesterehen im Licht der genderbewussten Reformationsforschung zu betrachten und in ein Paradigma von „gelebter Theologie“ einzubetten. Rosenblatt „ist nicht mit theologischen Programmen und Lehrmeinungen hervorgetreten. Stattdessen hat sie über ihre Handlungen, ihre Praxis, wie wir heute sagen, intensiv an den Auseinandersetzungen und Debatten ihrer Zeit teilgenommen“ (Burghartz: 338). Drittens bedarf es auch einer ‚Um-Wertung’ mancher Werte mit einer entsprechenden Evaluierung ihres Gehaltes. Wenn sich Wibrandis Rosenblatt in einem Brief als „Diener im Herrn“ bezeichnet (Staehelin I: Nr. 1007), erinnert das an Bibelstellen wie Mt 20,26b-28 oder Lk 22,27b. Der italienische Kirchenhistoriker Paolo Ricca bezeichnet die Diakonie als Herz des Christentums und meint, für Jesus habe das Evangelium im Tun des Wortes und im Reden der Taten bestanden. Darin liegt ein hermeneutischer Schlüssel, mit dessen Hilfe das Wirken von Wibrandis Rosenblatt adäquater als bisher erfasst werden kann. Dadurch ergeben sich auch neue Akzente in der Historiographie.