Daniela Friedrich Klinikclownin

Tischrede beim Frauenmahl in Munkbrarup am 28.10.2018

Daniela Friedrich Klinikclownin
kunigunde@comedicus.eu

 

Liebe Teilnehmerinnen des Frauen-Mahls. Ich freue mich über ihr Interesse an meiner Arbeit als Klinik-Clownin und möchte mich für die Einladung bedanken. Den heutigen Zeitgeist nehme ich als stark zukunftsorientiert, als getaktet, als vorausschauend und kalkulierend wahr. Wir leben größtenteils in hierarchischen Strukturen, besonders empfinden wir es dann, wenn wir krank, alt oder bedürftig werden und uns z.B. im Krankenhaus oder im Alten- und Pflegeheim wieder finden. Ich war selbst aufgrund von Krankheit meiner beiden Söhne um die Geburten herum viel im Krankenhaus und habe gebangt, mich oft als letztes Glied in der Hierarchiekette empfunden. Ich war völlig abhängig vom medizinischen Apparat und habe so manches mal gehadert mit meinem Schicksal. Ich habe mich über Misslungenes im zwischenmenschlichen Umgang und im medizinischen Bereich des Krankenhauses geärgert und war dann den medizinischen Teams auch immer wieder sehr, sehr dankbar.
Der Weg hinter mir war steinig und schmerzlich, der Weg vor mir ungewiss und mit Ängsten erfüllt und die Gegenwart ein endlos langes Ausharren und Warten. Damals verstand ich den Begriff Patient patienza = geduldig sein, erst wirklich, was er bedeutet.
Im Krankenhaus sein zu müssen ist ein Ausnahmezustand. Es dreht sich meist alles um die Krankheit und den Krankenhaus-Alltag dort.

Genau in diese Situation hinein kommt der Clown. Er taucht auf, klopft an die Tür oder begegnet den Menschen auf den Fluren, ist im Hier und Jetzt und nimmt Kontakt zu den Patienten auf, der gerade möglich ist. Das Erspüren der Kontaktmöglichkeit findet in den ersten Minuten, ja manchmal Sekunden statt. Als Clownin habe ich andere Grenzen, trete anders in den Kontakt als gewöhnlich, mal schwungvoll, mal schüchtern, mal laut und derb, mal ganz zart. Ich trete über die üblichen Konventions-Grenzen und komme mit ganz anderen Themen in den Krankenhaus-Alltag: Bei Erwachsenen: der Nachbar, die gute alte Zeit, als wir noch voller Tatenkraft waren, verliebt sein…, bei Kindern: Phantasiewelt-Geschichten mit den Kuscheltieren, Zauberei und Rätselhaftes, immer passiert dem Clown etwas „dummes“ – häufig verbunden mit passenden Liedern. Gemeinsam träumen wir uns in die Vergangenheit zurück oder in die Zukunft vor und erleben es in diesem kleinen Moment. Dabei sind wir Clowns natürlich im Spiel häufig die Verlierer oder die, die aus der Konventions-Rolle fallen und sich ins Verrückte steigern. Im Scheitern liegt der Schlüssel zum Humor des Clowns. Mit seinem Scheitern manövriert sich der Clowns in der hierarchischen Struktur noch unter den Patienten. Deshalb kann er über ihn lachen.

„Mama, hast du den dummen Clown gesehen, wie er versucht hat… durch die Tür zu kommen, … etwas in seiner Tasche zu finden…“Als Klinik-Clowns ergreifen wir den Moment und durchleben häufig mehrere Emotionen, von der Freude und dem Lachen bis hin zur Trauer oder dem Gerührtsein- sogar gemeinsames Weinen gibt es manchmal. (das letztere bei Erwachsenen). Der Humor steht natürlich im Vordergrund. Aber es passt nicht immer, dann sind wir sensibel, schüchtern, zurückhaltend, begleitend. Wir sind allerdings bestrebt, den Raum mit Humor zu verlassen und eine andere, leichtere Energie zurück zu lassen:

Wenn ich morgen sterben würde, dann war es jetzt noch schön durch meine Erinnerung, die ich mir jetzt ganz nah herbei geträumt habe…


Ein Beispiel: altes Paar,
so um die 80, er am Rollator, wir kommen singend den Flur entlang, meine Nachbarin Pricilla und ich, Fräulein Kunigunde, „ach wir haben früher viel getanzt“ ,wir laden zum Tanz, die Frau kann nicht, der Mann tanzt mit, mit seinem Rollator, wir sind keck und scherzen mit dem Mann, sie weint und freut sich gleichzeitig… sie bedankt sich für das Geschenk, ihren Mann noch einmal tanzen gesehen zu haben. „Mein Mann wird bald sterben.“ Wir haben stellvertretend für sie getanzt und sie konnte es spüren, sie drückt meine Hand ganz fest.

Situation auf der Neuro-Reha: ein Schlaganfallpatient, ich bin mit einem Kollegen da, wir machen beim Hereinkommen und Begrüßen so viel Quatsch, dass die Ehefrau fast einen Lachkrampf bekommt. Er schaut immer wieder verwundert zu ihr und lächelt immer mehr, sein Gesicht entspannt sich, auch wenn er vielleicht nicht versteht, aber die Energie verändert sich im Raum. Schwestern und Ärzte schauen neugierig herein und lachen mit. Das ist dann ein Geschenk!

Ein 8jähriger Junge: muss nach zwei Jahren wieder für längere Zeit im Krankenhaus bleiben, er will, nicht, schreit, zieht am Arm der Mutter, überlegt, fragt den Arzt, ob die Clowns wieder da sind, sagt: o.k. dann bleibe ich.

Ein Zugang soll beim einem 5jährigen Mädchen gelegt werden: Der Arzt bittet uns mitzukommen, das Mädchen hat große Angst, weint, wir spielen ein Lied, Seifenblasen, verzählen uns immer, streiten, wir bitten das Mädchen uns zu helfen, sie spielt mit und vergisst den Arzt mit seinem Zugang, es piekst kurz, das Spiel war interessanter, zum Schluss lacht sie sogar.

In meiner Rolle als Clownin gelingt es, mir einen Moment lang Zeit für einen bis dahin mir völlig unbekannten Menschen zu nehmen und ihm zu begegnen. Auch wenn es nicht lang ist, ist es doch häufig tiefer, emotional, staunend, wundervoll, lachend. Kinder und Erwachsene erinnern sich an diese verrückten Momente, erzählen davon und schmunzeln noch einmal darüber. Viele dieser Momente sind auch für mich bewegend; dann ist der Sinn meiner Arbeit spürbar.

So passt für mich das Spiel als Clownin im Krankenhaus oder Altenheim mit erträumter Vergangenheit und Zukunft zum heutigen Titel: „Morgen – war alles gut“.

Gerade in schweren Zeiten hat das Träumen vom vergangenen und zukünftigen, guten Leben seinen Platz. Das Gemüt kann für einen Moment durch gemeinsames Träumen, Lachen und Singen erhellt werden. So können diese leichten und guten Momente in der Zukunft das Schwere ein Stück weit mittragen. Vielleicht in diesem Sinne: „morgen – war alles gut“.


Impulsfrage:
Können Sie sich an eine Situation erinnern, wo Lachen befreiend war?
Wann haben sie das letzte Mal so richtig herzhaft gelacht? Oder haben Sie gelacht, obwohl ihnen gar nicht zum Lachen war?

Frauenmahl Logo