EnergiePolitik
Deutsche Atomkraft für das Ausland?
Experten kritisieren geplante Bundesbürgschaft
Brasilianische Experten warnen die Bundesregierung vor der geplanten Exportbürgschaft für ein brasilianisches Atomkraftwerk. Wegen einer fehlerhaften und unvollständigen Sicherheitsanalyse für das geplante Akw Angra 3 sei eine Katastrophe mit drastischen Auswirkungen für Umwelt und Wirtschaft möglich, sagte der Gutachter Francisco Correa am Dienstag in Berlin.
Correa verfasste ein Gutachtens zu Angra 3, das von den Umweltorganisationen Urgewald und Greenpeace in Auftrag gegeben wurde. Der Atomexperte von Greenpeace, Tobias Riedl, sagte, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) es mit der Atom-Kehrtwende ernst meine, müsse sie das auch in der Außenpolitik zeigen.
Barbara Happe von Urgewald nannte es verantwortungslos, ein so gefährliches Atomkraftwerk zu unterstützen: „Alles, was in Fukushima zur Katastrophe geführt hat, ist auch bei Angra 3 zu finden: falsche Annahmen, ein ungeeigneter Standort und veraltete Technik“, sagte sie. Gutachter Correa will an diesem Mittwoch seine Studie im Bundeswirtschaftsministerium vorstellen. Im September 2011 hatte die Bundesregierung die Grundsatzzusage für eine Hermes-Bürgschaft im Rahmen von 1,3 Milliarden Euro für den Bau von Angra 3 erneuert. Profitieren würde der französische Nuklearkonzern Areva, der einen Standort in Erlangen hat und früher eine inzwischen beendete Partnerschaft mit Siemens eingegangen war. Hermes-Bürgschaften sind Exportkredit-Garantien des Staates an deutsche Unternehmen, die sie vor der Zahlungsunfähigkeit lokaler Abnehmer in Schwellen und Entwicklungsländern absichern.
Nach Angaben des Gutachters Correa hat der brasilianische Akw-Betreiber Electronuclear die technische Sicherheit des geplanten Kraftwerks auf Grundlage von Daten des bauähnlichen Atomreaktors Biblis B überprüft. Dabei seien weder die technischen Unterschiede noch bekannte Risiken wie Erdrutsche berücksichtigt worden. Auch neuere Sicherheitsanforderungen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder der Reaktorkatastrophe in Fukushima seien nicht beachtet worden.
Corea zufolge erfüllt Angra 3 nicht einmal die Standards des vor drei Jahrzehnten gebauten deutschen Atomkraftwerks Grafenrheinfeld, das 2015 stillgelegt werden soll. Die Kuppeldicke sei mit 60 Zentimetern nur halb so dick und damit kaum gegen Flugzeugabstürze oder Wasserstoffexplosionen gesichert.
Der Standort von Angra 3 enspricht laut Gutachten auch nicht den Anforderungen, die in Brasilien erfüllt werden müssen. In der Region kommt es regelmäßig zu massiven Erdrutschen, so dass häufig der Notstand ausgerufen wird. Zugleich sei der zentrale Fluchtweg, die Straße BR 101, wegen Steinschlag und Schlammlawinen zeitweise unpassierbar. Außerdem läge der Reaktor mit rund 15 Kilometern Entfernung zu nahe an der 170.000-Einwohner-Stadt Angra dos Reis.
Die Bundesregierung will über die Exportbürgschaft endgültig entscheiden, wenn ein von ihr bestelltes weiteres Gutachten vorliegt. An der Objektivität der angekündigten Studie zweifeln jedoch Oppositionspolitiker und Verbände, da es durch das Institut ISTec erstellt werden soll. Die Tochter der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit hatte 2010 ein positives Gutachten für den Hermes-Antrag erstellt. Atomexperten bescheinigten damals der Expertise systematische Mängel.
Der frühere brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte 2007 den Bau von Angra 3 beschlossen. Derzeit sind 3.000 Arbeiter des Baukonzerns Andrade Gutierrez auf der Baustelle für den dritten Atomreaktor in Brasilien tätig. Der Zwillingsmeiler Angra 2 wurde bereits ab den 80er Jahren gebaut und ging 2000 ans Netz. Angra 1 errichtete ein US-Unternehmen bereits Anfang der 70er Jahre. Beide Reaktoren werden aus technischen Gründen immer wieder abgeschaltet. (Ev. Pressedienst, 6. März 2012)