Dr. Antje Schrupp – Publizistin

Tischrede Frauenmahl am 6. November 2014 in Groß-Umstadt

Herausforderungen an die Politik für den Zusammenhalt in Stadt und Land

Frauen, Kirche, Politik 

Tischrede von Dr. Antje Schrupp in Groß-Umstadt I 6.11.2014
(Dies ist ein Gedächtnisprotokoll, das nicht deckungsgleich ist mit der tatsächlichen – frei gehaltenen – Rede)
 
Wie ist es um das Verhältnis zwischen Frauen und Politik, zwischen Frauen und Kirche bestellt? Ich erinnere mich einmal an einer Podiumsdiskussion teilgenommen zu haben, wo einer meiner Mitdiskutanten sagte: Wir Frauen müssten doch hier in Deutschland der Politik und speziell auch der evangelischen Kirche dankbar sein, schließlich seien wir hier gleichberechtigt – was ja in anderen Ländern und in anderen Konfessionen und Religionen nicht unbedingt der Fall sei.

Da wurde mir klar: Das beschreibt mein Verhältnis als Frau zur Kirche und zur Politik ganz sicher nicht. Erstens ist Gleichberechtigung für mich eine Selbstverständlichkeit, dafür muss niemand dankbar sein, das ist sozusagen unser gutes Recht. Und zweitens ist die Gleichberechtigung von Frauen in Politik und Kirche ja schließlich von der Frauenbewegung selbst mit Mühen erkämpft worden, oft gegen den Widerstand von Männer und der Strukturen.

Ich möchte angesichts der Kürze der Zeit meine Impulse zum gegebenen Thema in einigen kurzen Thesen vorstellen, die ich jeweils nicht ausführlich begründen kann, aber sie sollen Ihnen ja auch Anregungen zum Diskutieren während der einzelnen Gänge unseres Essens geben.

Meine erste These: Es kann nicht um die Frage gehen, wie Frauen sich „nützlich“ machen sollen für die Allgemeinheit. Dieser Tenor liegt nämlich vielen Debatten zugrunde, zum Beispiel wenn gesagt wird, Frauen sollten mehr Kinder bekommen, um den demografischen Wandel zu verlangsamen, oder wenn gesagt wird, Frauen sollten erwerbstätig sein, um den Fachkräftemangel abzumildern oder mit mehr Diversity den Unternehmen zu mehr Erfolg zu verhelfen.

Es geht es aber nicht darum, wie Frauen sich am besten für die Allgemeinheit nützlich machen, sondern darum, was Frauen sich für die Welt wünschen, was sie wollen, und wie sie das umsetzen. Dass Frauen die Welt mitgestalten ist für sich allein wünschenswert und gut, weil Frauen freie Subjekte sind und nicht, weil das irgendwem nützen würde.

Zweite These: Es gibt keine einheitliche „Frauenmeinung“. Frauen haben unterschiedliche Interessen und Ansichten, weshalb es nicht möglich ist, dass eine Frau als Repräsentantin all ihrer Geschlechtsgenossinnen spricht. Vielleicht passiert es Ihnen auch manchmal, dass sie irgendwohin eingeladen oder angefragt werden, um in einer Runde von Männern die „Frauenposition“ zu vertreten. Mein Rat ist: Lehnen Sie das ab, sondern bestehen Sie darauf, dass Sie ihre eigene Meinung vertreten. Wer wissen will, was die „Frauenmeinung“ zu einem bestimmten Thema ist, muss vielen unterschiedlichen Frauen dabei zuhören, was sie zu diesem Thema zu sagen haben.

Dritte These: Beim politischen und kirchlichen Engagement von Frauen, ebenso wie im Feminismus generell, geht es nicht um das Verhältnis von Frauen und Männern, sondern um das Verhältnis der Frauen zur Welt. Das ist in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten, weil der klassische Feminismus tendenziell abgelöst wurde von Gleichstellungs- und Gender-Themen. Damit hat man sich auch erhofft, die Männer ein bisschen mehr für feministische Anliegen zu interessieren, was nur teilweise gelungen ist. Aber es ist dabei auch etwas verloren gegangen, beziehungsweise der Fokus hat sich verschoben. Denn wenn es um Gleichstellung oder Gender-Themen geht, geht es sofort um das Verhältnis von Frauen und Männer, also darum, wie Frauen im Vergleich zu den Männern gleichgestellt werden, oder wie sich weibliche und männliche Genderrollen unterscheiden. Im Feminismus geht es darum aber nur unter anderem, nur nebenbei. Im Zentrum steht hier die Frage, wie Frauen die Welt gestalten möchten, was sie einzubringen haben, und zwar erst einmal ganz unabhängig davon, wie Männer das sehen.

Vierte These: Wir erleben derzeit in Kirche und Politik eine Wieder-Vermännlichung der Welt. Nachdem Frauen bewiesen haben, dass sie alles genauso gut können wie Männer – jetzt seit beträchtlichen Jahren sogar schon Bundeskanzlerin sein – stellen sie sich jetzt vermehrt die Frage, ob sie das alles denn überhaupt wollen. Und viele beantworten diese Frage mit Nein. Vielen Institutionen, und Parteien und Kirchen sind da keine Ausnahme, fällt es schwer, Frauen für ihre Führungsgremien zu gewinnen. Meiner Meinung nach sind Quotenregelungen darauf keine gute Antwort, denn das würde den dahinter stehenden Konflikt zwischen weiblichen und männlichen Wünschen verschleiern. Ich finde, wir sollten offensiv darüber diskutieren, wie Institutionen und Abläufe beschaffen sein müssten, damit sich Frauen freiwillig und ohne äußeren Druck daran beteiligen.

Fünfte These: Männerinstitutionen sollten als solche benannt werden. Die Wiedervermännlichung der Welt kommt auch daher, dass dort, wo Frauen sich zurückziehen, sich immer genug Männer finden, die einspringen. Und dann wird gerne gesagt: Wieso, die Frauen wollten ja nicht, und überhaupt sind wir doch geschlechtsneutral, sind diese alten Unterscheidungen überholt, ist es also ganz egal, ob das ein Mann oder eine Frau macht. Und so erleben wir wieder gehäuft Gremien und Quoten, die nur aus Männern bestehen, oder sehr sehr überwiegend aus Männern. Aber das sind, so würde ich sagen, Männerorgansationen und Männerveranstaltungen, sie können nicht beanspruchen, für die Allgemeinheit zu sprechen.

Ich komme zum Schluss. Wenn ich das Verhältnis zwischen Frauen und Kirche, Frauen und Politik mit einem Wort beschreiben müsste, dann würde ich das Wort „Konflikt“ wählen. Und das ist meine letzte These: Es gibt ein weibliches Unbehagen an der Welt, so wie sie ist, und vor allem an den historisch männlichen und heute oft noch – oder sogar wieder – männlich dominierten Institutionen. Dieses Unbehagen sollten wir ernst nehmen, wenn es sich zeigt, es nicht herunterschlucken, sondern artikulieren und bearbeiten, und dabei keine Angst haben, auch Konflikte einzugehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit 

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