2. Tischrede beim 2. Oldenburger Frauenmahl
Dr. Ayça Polat, Integrationsbeauftragte Stadt Oldenburg
1. Was verbinde ich heute mit Reformation?
Den Mut zu haben Religion und Reformation über Landes- und Ethnizitätsgrenzen hinausgehend zu denken. Reformation sollte nicht nur ein Privileg von bestimmten Regionen bzw. Ethnizitäten in der Welt sein. Reformation sollte im Dialog mit anderen Religionen gedacht werden. Also auch mit dem Islam und zwischen Christen und Moslems. Können wir hier Gemeinsamkeiten finden? Wie können wir gemeinsam den Glauben so gestalten, dass es auch in einer postmodernen Gegenwart sinnstiftend und sinnerfüllend ist und bleibt?
2. Wo wünsche ich mir die Einmischung der Kirche in die Welt bzw. die Politik?
Mich beindruckt der „Lange Atem“ der Kirche und in gewisser Weise ihre „hartnäckige Beständigkeit“ wirkmächtig zu existieren – bei allem, was in wissenschaftlicher Hinsicht über die Existenz eines Gottes in Frage gestellt wird und der immer wieder aufkommenden verzweifelten Frage vieler (oftmals junger) Menschen „Wenn es einen Gott gibt, wie kann er bzw. Sie dann zulassen, dass so viel Leid auf dieser Welt geschieht?“
Die Wirkmächtigkeit und die Kraft der Kirche ist deshalb für mich nicht zu unterschätzen. Dabei denke ich nicht nur an den Trost und den Sinn, den Glaube dem einzelnen Menschen spenden kann, sondern an die wichtige Rolle der Kirche bei der Bewahrung und beim Schutz von „Menschenrechten“ und bei der Achtung der „Würde des Menschen“ (Stichwort Umgang mit Flüchtlingen). Aus meiner Sicht kann und sollte sich die Kirche einmischen, wenn es um soziale Fragen und der gerechten Verteilung von Chancen und Gütern in Zeiten des „Turbo-Kapitalismus“ geht. Kirche kann und sollte zur Besinnung rufen, weil die Ausbeutung von Menschen und der Natur auch in unserer heutigen Zeit von hoher Aktualität ist.
3. Welche reformatorische These folgt für mich daraus?
Eine selbstbewusste und zugleich selbstkritische Kirche, die sich bspw. auch die Frage stellt, „Ist es heute noch zeitgemäß und fair Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften aus Beschäftigungsverhältnissen in kirchlicher Trägerschaft auszuschließen?“ ist für mich authentisch, weltoffen und kann sich souverän in politische Debatten zur Verteilungsgerechtigkeit und zu Menschenrechten eimischen. Sie kann dadurch auch Heimat sein für jede und für jeden – unabhängig von Herkunft und ursprünglichem Glauben.
Abschließend möchte ich mich für den unermüdlichen Einsatz und das Engagement – insbesondere der Frauen – in vielen Oldenburger Kirchengemeinden für Flüchtlinge bedanken! Dieser Einsatz hilft uns in unserer Arbeit sehr. Eine gelebte Willkommenskultur wäre ohne den Einsatz von Zivilgesellschaft nicht möglich.
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