Dr. Barbara Rüschoff-Thale
Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Wie wollen wir leben – Bilder von unserer Zukunft
07.03.2015, Sendenhorst
Sehr geehrte Damen,
als Kulturdezernentin des LWL ist meine Vision geprägt vom kulturellen Miteinander der Menschen. Dass dies auch in Zukunft nicht nur gesichert, sondern auch zugänglich und erschwingbar ist, steht im Mittelpunkt meiner Thesen.
Die Welt in der wir leben, definiert sich über unsere Vergangenheit. Die Wiege der Menschheit befindet sich nach heutigem Wissensstand in Afrika. Seit den Anfängen der Menschheit hat sich Kultur entwickelt und die Menschen begleitet. Umso wichtiger ist es, dass wir uns dieser kulturellen Wurzeln bewusst sind und sie für künftige Generationen bewahren. Kultur umgibt uns Tag für Tag, auch wenn wir uns dies gar nicht immer vergegenwärtigen. Ob es Kenntnisse oder Traditionen sind, unsere Geschichte, unsere technologische Entwicklung oder die gebaute Umwelt – alles wird von allgegenwärtigen kulturellen Einflüssen bestimmt. Ohne Vergangenheit keine Zukunft! Um diese Zukunft allerdings muss man sich vermehrt Sorgen machen. Wir erleben einen Ausverkauf der Kultur in vielen Bereichen. Schulklassen finden nach den Lehrplänen immer weniger Zeit, ein Museum zu besuchen. Bilderverkäufe werden diskutiert, um Sanierungen zu ermöglichen und Internet, virtuelle Museumsbesuche und andere Technologien ersetzen den traditionellen Museumsbesuch.
Deshalb möchte ich mit Ihnen meine drei Visionen teilen, die uns enger mit der Kultur verbinden sollen, statt sich von ihr zu entfernen.
1. Kultur für die Menschen
Das Motto des LWL lautet: Wir unternehmen Gutes für die Menschen. Meine erste Vision würde ich dementsprechend überschreiben mit „Wir bieten Kultur für die Menschen“. Ich würde mir wünschen, dass wir auch künftig in der Lage sind, den Menschen unserer Region, aber auch Besuchern aus dem In- und Ausland spannende Ausstellungen in unseren 17 LWL-Museen zu bieten. Kultur hört bei uns aber nicht mit dem Besuch einer Ausstellung auf. Wir arbeiten auch Geschichte auf, beschäftigen uns mit Mundart und Namen, unserer Region oder dem Erhalt von Baudenkmälern, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Frage, inwieweit wir dies künftig stärker über die neuen Medien transportieren können und wollen. Das virtuelle Museum ist eine Realität geworden. Sammlungen und Archive werden online zur Verfügung gestellt und über unser Medienzentrum können Filme und andere Unterrichtsmaterialien bequem online geordnet und dann in der Schule genutzt werden. Schöne Neue Welt, wenn ich nicht mehr das Haus verlassen muss, um eine Ausstellung zu besuchen? Mit virtuellen Brillen vor dem Fernseher durch das Museum schlendern und sich in einer Ausstellung bewegen, ohne sich „fortbewegen“ zu müssen?
Die Technik wird fortschreiten und solche und vielleicht andere, jetzt noch nicht vorstellbare Technologien werden die Zukunft beherrschen. Meine erste Vision geht aber nicht dahin, unsere Häuser zu schließen und auf den virtuellen Trend zu setzen. Ich wünsche mir, dass Kunst und Kultur auch in 50 Jahren noch unmittelbar im Museum erfahren werden kann und dort so aufbereitet ist, dass alle Menschen sie barrierefrei genießen können. Ich wünsche mir, dass das persönliche unmittelbare Erleben und der direkte Austausch ein bestimmender Bestandteil des Kunstgenusses bleibt.
2. Kultur gegen Ausgrenzung
Kultur gegen Ausgrenzung steht für eine Zukunft, in der wir nicht mehr nach Herkunft, Religion oder möglichen Einschränkungen durch Behinderungen fragen müssen. Vielmehr sollte im Vordergrund stehen, alle kulturellen Angebote stets so zu planen und anzubieten, dass sie von allen wahrgenommen werden können. Dies permanent „mitzudenken“ hilft zum rechten Zeitpunkt dafür Sorge zu tragen, dass Barrieren gar nicht erst entstehen können.
Kultur ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Die Felszeichnungen, die bereits in Steinzeithöhlen gefunden wurden, belegen eindrucksvoll, dass der Mensch sich schon frühzeitig über die Kunst ausdrückte und mitteilte. Dabei hat Kultur sich stets in ihrer Vielfalt verstanden und wurde geprägt von fremden Einflüssen. Bedeutende Maler oder Bildhauer aller Zeiten hätten ihren Stil nie gefunden, wenn sie nicht mit anderen Kulturen in Kontakt gekommen wären. Goethe ohne seine Reisen? Gauguin ohne die Südsee? Heute nicht mehr vorstellbar, damals abenteuerlich und faszinierend.
Wenn es möglich ist, Unverständnis für das Anderssein zu überwinden, dann durch die Kunst. Kunst versteht sich auch ohne Worte und sollte grenzenlos eingesetzt werden.
Mein zweiter Wunsch für die Zukunft wäre, dass wir stärker die Kunst als Medium nutzen, um Wissen und Verständnis zu vermitteln. Nicht weniger Besuche in Kultureinrichtungen sollten in den Lehrplänen vorgesehen werden, sondern deutlich mehr. Nur so können wir dazu beitragen, dass kulturelle Vielfalt vorurteilsfrei gelebt werden kann.
3. Kultur muss ihren Platz haben
Meine letzte These bezieht sich auf die Frage nach dem Stellenwert, den wir der Kunst und der Kultur einräumen. Kunst muss eine angemessene Wertschätzung erfahren. Dies drückt sich nicht durch Kunstverkäufe zur Haushaltskonsolidierung aus, wie wir sie aktuell diskutieren. Dies drückt sich auch nicht durch generell kostenlose Eintritte aus. Weder Kultur zum Nulltarif noch Kultur exklusiv für Eliten sind der richtige Weg. In der Zukunft sollte stärker als bislang sichergestellt sein, dass Kultur und Kunst nicht beliebig werden. Kultur ist ein unverzichtbarer Teil unseres Lebens und des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft. Er sollte nicht preisgegeben werden.
Lassen Sie mich in diesem Sinne schließen mit einem Zitat von Friedrich Schiller:
Im Fleiß kann dich die Biene meistern, in der Geschicklichkeit der Wurm dein Lehrer sein, dein Wissen teilest du mit vorgezognen Geistern, die Kunst, o Mensch, hast du allein.
Ich wünsche uns allen, dass wir dieses kostbare Gut schätzen und mit vielen teilen.