Dr. Claudia Fuchs-von Brachel – Leiterin Frauenreferat der Erzdiözese Freiburg

Tischrede zum Frauenmahl Konstanzer Konzil 25.06.2016

Birgitta von Schweden

Ich bin Birgitta, 1303 in Finsta in Schweden geboren.
Es ist spannend für mich, heute hier zu sein, mehr als 700 Jahre nach meinem Leben, das ich ganz der Nachfolge Christi und der Reform meiner geliebten Kirche gewidmet habe. Und Euch Frauen zu treffen, Euch, denen die Kirche und Euer gemeinsamer christlicher Glaube am Herzen liegen.
Danke! dass ihr mich eingeladen habt!
Und denkt nicht, dass ich eine langweilige Frömmlerin gewesen sei. Mein Leben war abwechlungsreich und spannend, ich hatte große Glücksmomente und kannte Enttäuschungen. Ich habe oft sehr gestritten. Dabei manchen Kampf zunächst verloren.
Ach, es gäbe so viel zu berichten …
Vielleicht wisst Ihr, dass ich in meinem protestantischen Schweden wie eine Heilige verehrt werde, dass ich vom Papst 1999 zur Patronin Europas erhoben wurde.
Und ich bin sicher, alle hier im Raum kennen ein Weihnachtsbild, das auf meinen Einfluss in der Theologie zurückgeht.
Hier in Konstanz im Rosgartenmuseum hängt ein solches: Die Geburt Christi. Das Kind liegt nackt auf dem kalten Boden, in wunderbares Licht getaucht. Seine Mutter kniet betend vor ihm. Als alte Frau in Jerusalem hatte ich diese Vision, dass Jesus von Anfang an ganz Gott und ganz Mensch war und er deswegen auf eine seine Mutter nicht beeinträchtigende Weise geboren wurde. Und dann auf dem unwirtlichen Boden vor ihr liegt. So wurde es dann von Dürer und anderen dargestellt, ein ganz in göttliches Licht gehülltes nacktes Jesuskind.
Aber keine Sorge, Maria hat das Kind dann schnell aufgenommen, gestillt und gewärmt!
Für mich selber war die Geburt meiner acht Kinder kein Zuckerschlecken, auch wenn ich als Adlige Frau alle Privilegien genoss.
Als Kind wollte ich ehelos bleiben, hatte ich mein Leben Christus geweiht, um des Himmelreiches willen. Hat doch Christus für uns Menschen so viel gelitten, so wollte ich ihm meines in Gebet, Verzicht und frommen Taten aufopfern.
Ihr heute kennt das auch, ihr sucht doch ebenso nach Lebenssinn, und müsst Euch heftig anstrengen, hinter all den leeren Versprechungen das wirklich Tragende zu finden! Nichts anderes bewegte mich.
Ich fand es in Christus.
Als junges Kind schon hatte ich meine ersten Visionen, führte lange und intensive Gespräche mit Christus. Er bestärkte mich immer, den eigenen Weg als Frau zu suchen, meine Kritik an Ungerechtigkeiten und gottlosem Leben zu äußern und Auseinandersetzungen nicht zu scheuen.
Meine Tante, bei der ich nach dem Tod der Mutter aufwuchs, hat mich deswegen oft hart angefasst.
So lernte ich bei ihr nicht nur, einem adligen Haushalt vorzustehen, sondern auch mich zu behaupten, selbstständig zu denken und mutig zu handeln.
Meine Beichtväter bestärkten mich, als ich selber unsicher war, die Christusverbundenheit meiner Visionen nicht als überspannte pubertäre Rückzüge ins Mystisch-Spirituelle abzuwerten. Sondern sie ernsthaft und wahrhaftig als – sicher zeittypischen – Ausdruck meiner Gottesliebe und Frömmigkeit zu akzeptieren.
Zurück zu meinem Leben. Schweren Herzens beugte ich mich der Entscheidung des Vaters, 14-jährig in den schwedischen Hochadel zu heiraten. Dachte ich doch, dass ein Leben als Mutter und Ehefrau zweitrangig gegenüber dem Ideal der Askese sei.
Dabei war uns Eheleuten Glück beschieden: Mein anfänglich recht unfertiger junger Mann entwickelte sich zu einem frommen und gelehrten Herrscher, wir führten eine harmonische Beziehung, verbunden in der gemeinsamen Frömmigkeit.
Meine acht Kinder waren schon geboren, als ich mit 32 Jahren zur Oberhofmeisterin der verwöhnten jungen schwedischen Königin gemacht wurde. Anfangs war ich sogar erfolgreich, konnte den König und seine Frau von ihrer Großmannssucht und ihrem unverantwortlichen Lebensstil abbringen und sie zu einer vernünftigen Politik zum Wohlergehen der Schweden bewegen.
Mit dieser Klarheit geriet ich später dann ins Visier der intriganten Höflinge, – nach drei Jahren gab ich ernüchtert diese Aufgabe zurück!
Nach dem Tod eines unserer Söhne machten Ulf, mein Mann, und ich in 1342 die Pilgerreise nach Santiago, ein einschneidendes Erlebnis. Wir vereinbarten dort, nach unserer Rückkehr beide in Klöster einzutreten. Unser Leben als Eheleute sollte so seine Krönung finden. Schon damals schwebte mir vor, dass es für Männer und Frauen gemeinsame Klöster geben sollte. Gibt es doch geistbegabte Frauen, denen Christus Leitungsvollmacht gegeben hat, auch wenn einige Kirchenmänner das bis heute nicht so sehen können. Es war hart für mich, Ulf dann so bald sterben zu sehen, glücklicherweise konnte ich ihn im Kloster pflegen und begleiten.
Christus selber forderte mich auf, die Idee eines Doppelklosters unter Leitung einer Äbtissin wieder aufzunehmen. Ich hatte als Witwe mein Leben radikal geändert, all den adligen Besitzstand abgelegt und trug nur noch ein einfaches Gewand. Ich nutzte nun meine alten Beziehungen. Der König überließ mir ein heruntergewirtschaftetes Anwesen zur Gründung dieses Klosters- aber ihr glaubt ja nicht, was mir von Seiten der Kirchenmänner an Frauenfeindlichkeit entgegenschlug. Ein neuer Orden, ein gemischtes Kloster unter Leitung einer Äbtissin, und Christus selber wollte dieses mit seinem Geist neu beleben! Ein Skandal !
Liebe Glaubensschwestern, mein Leben lang habe ich mich beim Papst dafür eingesetzt, dass diese neue Ordensregel anerkannt wird. Es wird Euch nicht überraschen, dass meine Nachfolgerinnen, die Birgittenschwestern, auch heute noch nicht danach leben. Wir mussten letztlich die Augustinerregel akzeptieren. Und es bleibt der Stachel bis heute: Ist Christus doch von einer Frau geboren, wie soll er dagegen sein, dass Frauen Vollmacht in seiner Kirche ausüben? Die Birgitten, noch heute leben sie in Rom, am Campo de Fiori. Dorthin bin ich dann mit meinen geistlichen Begleitern in 1349 gegangen, um meinen Einfluss auf den Papst geltend zu machen, ihn nach Rom zurück zu holen. Der Papst lebte in Avignon in Saus und Braus, während das Zentrum der Christenheit in Chaos und Anarchie versank und von korrupten Klerikern täglich weiter herabgewirtschaftet wurde.
Christus sprach durch mich in scharfen Worten gegen diesen Verfall, schonte keinen Bischof oder Kardinal. Das machte mich nicht sonderlich beliebt bei den Betroffenen, umso mehr bei denen, die darunter litten. Wo ich nur konnte, versuchte ich zusammen mit meiner Tochter Karin, das Leid der Armen zu lindern, auch wenn ich meine finanziellen Möglichkeiten damit manches Mal überstrapazierte und selber auf Almosen angewiesen war. Wir lebten in einer klosterähnlichen Gemeinschaft, mein Beichtvater, arme Römer, meine Tochter und ich. Arbeit und Gebet, Mildtätigkeit und Askese, frommes Studium und meine Korrespondenz mit den Mächtigen, bestimmten meine Tage. Endlich war ich meinem Ideal, dem christusförmigen Leben, nahe!
Vielleicht war es mein Stand als selbstbewusste schwedische Adelsfrau, vielleicht die Kraft, die aus meinen Zwiegesprächen mit Christus aus mir herauswuchs, vielleicht war es auch meine unerschütterliche Überzeugung, die von Christus gegründete Kirche auf den richtigen Weg zu führen, ich weiß es nicht.
Ich hatte keine Scheu vor den Mächtigen, auch dann, wenn ich an meine Grenzen stieß. Nie kam mir der Gedanke, dieser Kirche den Rücken zu zuwenden und mich allein auf meine Christusbeziehung zu konzentrieren. Ich wollte, dass diese Kirche wieder so wird, wie Christus sie gegründet hatte. Damit Menschen ihr Heil und ihren Platz darin finden können. Ohne Ansehen des Geschlechts oder der Herkunft.
Ich könnte Euch noch so viel mehr erzählen, was mir wichtig war und ist… allein ich muss zu Ende kommen. Nur noch so viel: Als alte Frau erfüllte sich ein Lebenstraum von mir, ich pilgerte nach Jerusalem. Dort war ich Christus ganz besonders nah und hatte viele visionäre Begegnungen mit ihm.
Das habe ich zu Beginn schon erwähnt.
Und was ich Euch heute raten würde? Seht Euch um in der Kirche und in der Welt und bleibt präsent!
Bleibt unerschrocken mit Tat und Wort Christus verbunden in eurer Frauenökumene. Vertraut Eurem Gefühl für Gerechtigkeit! Macht Euren Einfluss geltend, ihr habt ihn!
Und vergesst dabei nie, zu beten!

Übergabe Rosenkranz als Symbol

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