Dr. Dorothea Sattler – Professorin

„Sehen und gesehen werden. Frauen gestalten Religion und Politik.“
Tischrede beim Frauenmahl in Berlin zum Deutschen Evangelischen Kirchentag am 25. Mai 2017
(mit Pfr. Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann, Prof. Dr. Dorothea Sattler, Elif Medeni)

Liebe Geschwister,

Geschöpfe Gottes sind wir – Frau wie Mann – einzigartig ist jede und jeder von uns – von Gott so gewollt – unverwechselbar sind wir. Einen Namen haben wir – und eine Lebensgeschichte – je eine besondere. Gemeinsam loben wir in jüdischer, christlicher und muslimischer Tradition Gott den Schöpfer und danken ihm für unser Dasein.

Drei Gedankenkreise möchte ich kurz ansprechen: Erstens eine biblische Perspektive. Wir ha-ben ja gelernt in der römisch-katholischen Kirche von unseren evangelischen Geschwistern und beginnen heute bei jedem Thema immer mit der Bibel. Zweitens ein Blick in die Traditi-onsgeschichte, in der sich Rollenbilder in der Rede von Frau und Mann finden, über die wir heute lachen – wirkungsgeschichtlich betrachtet, sind sie jedoch noch immer von nachhaltiger Bedeutung. Drittens ein Blick auf meine Wahrnehmung der Stellung der Frau in der gegenwär-tigen römisch-katholischen Kirche.

Zum ersten Themenkreis – die Bibel: Eine Lyrikerin unserer Tage – Christine Busta – hat die Wertschätzung, die die Frau in den Schöpfungserzählungen erfährt, so in Worte gefasst:

Ich bin nach dem Ratschluss Gottes
Adams fehlende Rippe,
die sich zum Ganzen des Menschen bekennt –
dass er nicht allein sei.

Frau sein ist ein untröstliches Glück.

Ja, viele Frauen in der römisch-katholischen Kirche – empfinden es so: Trotz des augenscheinli-chen, gerade bei wichtigen Versammlungen von Kardinälen und Bischöfen offenkundigen Aus-schlusses jeder Frau aus dem öffentlichen Bild der Kirche, ist es ein Glück, eine Frau zu sein – anders als der Mann, doch nur in Gemeinschaft mit ihm Mensch nach Gottes Bild. Untröstlich ist dieses Glück – einen Schmerz der Frau deutet die Dichterin an. Nachhaltig ist die Wirkungs-geschichte der biblischen Erzählung von ihrer Erschaffung der Eva, dem scheinbar nur zweiten Geschöpf. Lange wissen wir schon, dass der biblische Text eine andere Botschaft verkündigen wollte als die, die aus ihr geworden ist. Aber ist das ein Trost? Der Begriff adam bezeichnet die gesamte Menschheit. Es ist kein männlicher Eigenname. Den Mann – isch im Hebräischen – gibt es erst, nachdem es auch die ischah, die Frau, gibt.
Ich bin sehr dankbar für die Entdeckung der Lebensgeschichten von Frauen, von denen die Bibel erzählt: Sara, Rebekka, Tamar, Debora, Hulda, Maria Magdalena, Junia, Phoebe – jede Frau hat ihre Geschichte mit Gott und den Menschen – und wir können Aspekte unseres Le-ben wiederfinden in der Betrachtung ihrer Lebensgeschichten.

Mein zweiter Gedankenkreis – die Tradition mit ihren stereotypen, verallgemeinernden Rol-lenbeschreibungen von Frau und Mann: Was sich in biblischer Zeit bereits abzeichnete, hat sich später verfestigt. Manche Klischees halten sich hartnäckig, etwa: Männer denken und Frauen fühlen; Männer erobern und Frauen bewahren; Männer unterscheiden und Frauen verbinden; Männer setzen sich selbst durch und Frauen passen sich an; Männer treten selbst-bewusst auf und Frauen ziehen sich in Bescheidenheit zurück. Tja – wenn von diesen Aussagen irgendetwas stimmte, dann müssten allein die Frauen jene sein, die in kirchlichen Ämtern Je-sus repräsentieren: Bescheidenheit, Einfühlungsvermögen, Wertvolles bewahren, Menschen verbinden, das sind doch die Gaben, auf die es in kirchlichen Dienstämtern ankommt – oder nicht?

In der christlichen Tradition haben wir in Fragen der Geschlechteranthropologie noch manche Schuld abzutragen. Thomas von Aquin (vgl. Sth II-II 177,2c) beispielsweise war der Auffassung, die Frau eigne sich nicht für die öffentliche Rede. Mir scheint, darin war er sich mit Martin Luther einig. Thomas von Aquin begründete seine Überzeugung unter anderem damit, dass durch ein öffentliches Auftreten von Frauen „der Geist der Männer zur Sinnlichkeit verführt“ werde – dies mag ja sein – es handelt sich jedoch dann um ein Problem, das an die Männer zurückzugeben wäre.

Mein dritter und letzter Gedankenkreis – die römisch-katholische Kirche heute und wir Frauen in ihr. Augenscheinlich werden wir mehr und mehr eine Frauenkirche – in den Gottesdiensten, im ehrenamtlichen Engagement, auch bei den Messdienerinnen, den Laientheologinnen und den Religionslehrerinnen. An unserer römisch-katholischen Fakultät in Münster sind unter den Studierenden zwei Drittel Frauen. Die Bischöfe fördern Frauen in leitenden Positionen – Leite-rinnen von Abteilungen gibt es – auch von wichtigen – dem Seelsorgeamt etwa. Aber – ja aber – in der Tat: der kategorische Ausschluss von Frauen vom ordinierten Amt hat zur Folge, dass keine römisch-katholische Frau bei verbindlichen Prozessen der Entscheidungsfindung mitwirken kann. In den Synoden auf Weltebene bleiben die Männer unter sich. Aus meiner Sicht gibt es keine theologischen Gründe für diese Situation – das sehen andere anders und immerhin können wir heute sanktionsfrei darüber sprechen.

Drei Argumente werden angeführt: erstens der Zwölferkreis aus Männern als Apostel im Abendmahlsaal – aber hätten die Evangelisten es anders erzählen können, wenn in dieser Symbolik die zwölf Stämme Israels abgebildet werden sollten? Zweites die natürliche Ähnlich-keit zwischen Jesus und dem Mann – aber im Ernst: trauen wir Menschen nicht zu, zuerst auf die Beziehungsfähigkeit, auf die Begabungen eines Menschen zu achten und eben nicht zuerst auf sein Geschlecht, wenn wir uns fragen, wer in der Nachfolge Jesu lebt? Und schließlich drit-tens: Es war noch nie anders in der römisch-katholischen Kirche – ja, das stimmt – und daher wird es Zeit, dass es sich ändert – wir arbeiten daran …

Meine alte Mutter erzählt gerne davon, dass bei meiner Taufe drei Tage nach meiner Geburt – sie konnte nicht dabei sein – in der Krankenhauskapelle neunzehn Jungs und ein Mädchen getauft wurden – ich eben. Ein Vorzeichen vor meinem Leben – oft bin ich unter vielen Män-nern – heute nicht – und dafür danke ich Ihnen sehr.

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