Dr. Elke Siehl – Leiterin der Stabsstelle Unternehmensentwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit

Tutzinger Frauenmahl, 07.04.2016 – Tischrede von Dr. Elke Siehl
Leiterin der Stabsstelle Unternehmensentwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Bonn

Ich freue mich sehr über die Einladung zu diesem Frauenmahl und über die Gelegenheit heute Abend mit Ihnen zu Themen ins Gespräch zu kommen, die nicht nur die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, sondern auch mich persönlich sehr beschäftigen.
Als Frau und Leiterin der Stabsstelle ‚Unternehmensentwicklung‘ der GIZ, teile ich gerne meinen Blick auf aktuelle Herausforderungen der Einen Welt mit Ihnen, besonders die der Frauen.

Wer wir sind
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ist Deutschlands führender Anbieter von Dienstleistungen der internationalen Zusammenarbeit.
Als Bundesunternehmen unterstützen wir die Bundesregierung dabei, ihre Ziele in der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung zu erreichen und sind außerdem weltweit in der internationalen Bildungsarbeit aktiv.
Alle Projekte der GIZ beruhen auf einem konkreten Auftrag – durch die deutsche Bundesregierung, durch unseren Hauptauftraggeber, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), durch andere Bundesministerien oder weitere nationale und internationale Auftraggeber.
Die GIZ unterstützt  Partner weltweit ihre Ziele nachhaltig zu erreichen und arbeitet dabei in beinahe allen Sektoren, z.B. in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wirtschaftsförderung, Politikberatung, Wasser, Klima, Landwirtschaft Energie und andere.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit
Aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen verändern zunehmend die Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit und stellen besondere Herausforderungen dar.
So haben die Zunahme von Fragilität, Krise und Konflikt, das Thema Flucht und Migration sowie die Folgen des Klimawandels besondere Auswirkungen für Frauen und vulnerable Bevölkerungsgruppen, darunter v.a. Arme und Kinder.

Die GIZ arbeitet im Auftrag der Bundesregierung zunehmend im  Kontext von Fragilität, Staatszerfall, Krise und Konflikt. Wir unterstützen dabei, die Ursachen von Konflikt zu überwinden und stärken Fähigkeiten zum gewaltfreien Umgang mit Konflikten.
Dabei gerät auch das Thema Flucht und Migration, bzw. der daraus folgende Handlungsbedarf, immer stärker in den Fokus der politischen Agenda und damit unserer Arbeit vor Ort. Es gilt strukturelle Fluchtursachen wie Armut, Ungleichheit und Ernährungsunsicherheit, in Herkunftsländern zu beseitigen und dazu in allen Sektoren anzusetzen sowie um gezielte Unterstützung für Flüchtlinge und eine Stabilisierung der Aufnahmeregionen. Regional konzentriert sich das deutsche Engagement vor allem auf die Nachbarländer Syriens, den Jemen, Nord- und Westafrika, die Region am Horn von Afrika, den Südsudan, den Westbalkan und die Ukraine sowie auf Afghanistan und Pakistan.
Zunehmende Herausforderungen entstehen auch durch die Folgen des Klimawandels. Das starke Bevölkerungswachstum, der demografische Wandel und das Konsumverhalten führen zu einer Verknappung oder Zerstörung von (natürlichen) Ressourcen. Viele Länder sind schon heute von Wasserknappheit und Hungersnöten betroffen und gleichzeitig nimmt die Anzahl klimabedingter Naturkatastrophen zu.

Die Themen Klimawandel, Konflikt/Fragilität und nicht zuletzt Flucht und Migration haben eine Genderdimension, die wir in unserer Arbeit mitdenken und adressieren müssen.
Denn nachhaltige Entwicklung ist auf Dauer nur möglich, wenn Frauen und Männer  die gleichen Chancen haben ihre Potenziale zu entfalten, ihre Rechte wahrzunehmen und an zentralen Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen, die unser Leben und die Erhaltung unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen betreffen, teilzuhaben. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist damit Schlüssel für nachhaltige Entwicklung, aber auch ein Ziel an sich.

Als GIZ sind wir mit rund 16.400 Mitarbeitern in mehr als 130 Ländern weltweit aktiv. In vielen dieser Länder ist die Lebenswirklichkeit von Frauen immer noch geprägt durch geschlechterspezifische Benachteiligung und Diskriminierung, ungleiche Machtverhältnisse und sozio-kulturelle Rollenverständnisse, die sie daran hindern, sich zu entfalten und ihre Rechte wahrzunehmen.

Blick nach Afrika
Immer noch sind sechs von zehn Analphabeten in Subsahara Afrika weiblich. Frauen produzieren über 90 % der Grundnahrungsmittel, halten aber nur 12% der Landtitel. In afrikanischen Spitzenjobs und Parlamenten besetzen Frauen lediglich 12% der Stellen. Und, in 28 afrikanischen Ländern wird nach wie vor die Beschneidung/Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen praktiziert. Täglich werden etwa 6.000 Mädchen und Frauen in Afrika diesem Ritual unterzogen.

Genderdimensionen von Fragilität, Konflikt, Klimawandel, Flucht und Migration
Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen werden in Afrika durch Armut und Marginalisierung ebenso begünstigt wie durch den Klimawandel, innerstaatliche Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen.
Frauen sind im afrikanischen Kontext meist für die Versorgung der Familie zuständig. So erhöht sich durch den Klimawandel oft die Arbeitsbelastung, denn durch häufigere, längere Dürreperioden ist die Ernährungssicherung der Familie gefährdet, Wasser und Feuerholz sind rar und müssen kilometerweit getragen werden. Von Frauen und Mädchen.
In Katastrophensituationen, wie z.B. Überflutungen, Stürmen oder Dürren, sind Frauen darüber hinaus besonders gefährdet. Sie unterliegen  häufig gendertypisierten Kleidungsvorschriften und Verboten und werden schlechter informiert, sodass sie Naturgewalten oft  schutzloser ausgeliefert sind, als ihre männlichen Peers.
Auch auf der Flucht: Frauen wie Männer aus fragilen Kontexten flüchten vor Verfolgung aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen, wegen Armut, Hunger, Krieg und Folter.
Zusätzlich fliehen Frauen häufig aufgrund geschlechtsspezifischer Ursachen: häuslicher Gewalt, Zwangsverheiratung, Vergewaltigungen (auch als Kriegsstrategie), Genitalverstümmelung, Zwangsjungfräulichkeit, Witwenverbrennung, Ehrenmord oder restriktiver Gesetzgebung.
Während diese besonderen Herausforderungen der geschlechtsspezifischen Verfolgung mehr Beachtung im Asylverfahren finden müssen, sind Frauen während ihrer Flucht, v.a. diejenigen, die alleine unterwegs sind, häufig auch zusätzlichen Herausforderungen und Gewalterfahrungen ausgesetzt. Alleinstehende Frauen sind oft wehr- und schutzlos, v.a. wenn sie nicht über ausreichende (finanzielle) Ressourcen verfügen.
Frauen und Mädchen, die in ihrer Heimat oder auf der Flucht geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben, brauchen (bei Ihrer Ankunft) spezielle psychotherapeutische Hilfsangebote, spezifisch geschulte Betreuungspersonen, Ansprechpartnerinnen und Dolmetscherinnen, geschlechtergetrennte Sanitäranlagen und angemessenen, geschützten (Wohn)raum.
Diese Bedarfe versuchen wir im Kontext von Flucht und Migration zu adressieren, u.a. im Rahmen von Projekten zur Unterstützung des psychosozialen Beratungs- und Unterstützungsangebots für syrische Flüchtlinge im Libanon.

Projektbeispiele der GIZ weltweit
Durch Gendermainstreaming und gezieltes Empowerment fördert die GIZ im Auftrag der Bundesregierung die Gleichberechtigung und stärkt Frauenrechte weltweit.
Beispiele aus unserer Praxis gibt es viele. Mitunter gehen wir völlig neue Wege.
Auch in diesem Jahr hat der GIZ Gender-Wettbewerb unsere Aufmerksamkeit wieder auf besonders wirkungsvolle, innovative und außergewöhnliche Projektbeispiele gelenkt:
Ein GIZ Beschäftigungsförderungsprogramm in Afghanistan adressiert speziell afghanische Frauen, baute Bildungseinrichtungen und bildete dort tausende afghanische Frauen aus.
In Ecuador  haben wir gemeinsam mit der  Telekommunikationsgesellschaft CNT eine APP entwickelt, die Gewalt gegen Frauen verhindern hilft. Sie informiert über Formen von Gewalt und bietet Nutzerinnen u.a. die Möglichkeit rückschlussfrei Notrufe abzusetzen.
In Ghana werden Frauen entgegen des tradierten Rollenverständnisses ermutigt, technische Berufe zu ergreifen. Hier fördert die GIZ junge Elektronikerinnen und rechnet mit 100 Absolventinnen in jedem Jahr.
Im Jemen stärken wir jemenitische Geschäftsfrauen in Zeiten des Krieges mittels sozialer Medien wie einem Business Tutoring via WhatsApp, während unsere entsandten Fachkräfte gar nicht vor Ort arbeiten dürfen. Über 100 Frauen, die an einem der Gründerkurse teilnahmen sind heute bereits selbstständige Unternehmerinnen.
Wir sichern den Zugang zu Recht für Frauen in Kambodscha und arbeiten mit dem dortigen Ministerium für Frauenangelegenheiten präventiv gegen Gewalt an Frauen.

Es gibt viele dieser Beispiele und die Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern erhielt selten zuvor so viel Aufmerksamkeit innerhalb der internationalen Gemeinschaft.
Wir sehen das gleichermaßen in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, der Addis Abeba Action Agenda zur Entwicklungsfinanzierung und der G7 Agenda, die im Jahr 2015 unter der deutschen Präsidentschaft verabschiedet wurde.
Bis zum Jahr 2030 soll die volle Teilhabe und Chancengleichheit von Frauen im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben gelebte Realität werden.
Ein hoch gestecktes Ziel, das wir nur alle gemeinsam erreichen können.

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