Tutzing, 5.7.2012
Sehr geehrte Damen,
wir kommen nun zum Hauptgang, er soll – nach dem Gaumenkitzel der Vorspeisen –
sättigenden Charakter haben, aber nicht ohne Würze sein. Ich habe für Sie heute eine Gedankenspeise zusammengestellt. Und zwar:
Variationen von verschiedenen „Charisma-Häppchen“,
mit einem Gemüsefond „bürgerlich“,
Netzwerk-Salat mit „konkreter Maßnahmen-Vinaigrette“ und Wertschätzungs-Croutons
dazu Gesetzgebungs-Knödel.
Mit diesem Gericht möchte ich die mir gestellte Aufgabe bewältigen: nämlich von meinem
eigenen Erfahrungshorizont ausgehend meine Vision von Frauen in der Kirche darstellen und
zugleich Realisierungsschritte hin zu dieser Vision aufzeigen. Zugleich fühle ich mich – Sie
merken es – der Idee des Frauenmahls, also der Mahlzeit verpflichtet.
Beginnen wir mit den Variationen unterschiedlicher Charisma-Häppchen: sie sind meine Vision.
Geschmackliche Fülle entfaltet sich durch die Unterschiedlichkeit der Zutaten und Aromen. So
stelle ich es mir auch in der Kirche vor. Erst durch die Vielfalt der Gaben (der Charismen wie wir
sagen), der Prägungen, der Persönlichkeiten gewinnen wir einen vollständigeren und
ganzheitlicheren Blick auf die Welt und auf die Aufgaben der Kirche in dieser Welt. Paulus sagt
im 1. Korintherbrief Kapitel 12: „Es sind verschiedene Gaben; aber ist ein Geist. Und es sind
verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott,
der da wirkt alles in allen“. Weltlich/technisch kann man hier die Schlagworte Diversity, mixed
leadership oder Geschlechtergerechtigkeit nennen. Mir gefällt daran, dass diese Vision nicht von
einem Defizit herkommt, sondern Fülle und Reichtum in den Blick nimmt. Wobei, um auf das
Kulinarische zurückzukommen – dieses Verschiedene nicht in einem lieblosen Gemansche
verkochen soll sondern es gilt gaben- und stärkenorientiert die Unterschiedlichkeiten zur
Wirkung kommen zu lassen. Das heißt: sich gemeinsam auf den einen Geist, den einen Gott
besinnen.
Es folgt ein großer gedanklicher Sprung, denn wir kommen nun zum „Gemüsefond bürgerlich“ –
so würde ich mich selbst karikieren. Das was mich zur Leiterin des Landeskirchenamtes gemacht
hat, ist eine Kindheit und Jugend in einer liebevollen Familie, die mir Zutrauen in die eigenen
Möglichkeiten geschenkt hat. Mir wurden alle Bildungsmöglichkeiten eröffnet – ich habe nie in
negativer Weise spüren müssen, dass ich Mädchen bin. Ich denke, im Begriff des Bürgerlichen
liegt außerdem eine Qualität und Solidität der Arbeit, die ich für mich reklamieren möchte. Es
schwingt darin aber auch ein Hauch von gestärkter Tischwäsche und Tafelsilber mit – wo man
durchaus kritisch nachfragen kann, welche Relevanz ein solcher Stallgeruch heute noch hat und
haben darf. Selbstgewissheit steckt für mich auch darin – man könnte es auch als „Mut“
bezeichnen. Nicht nur widersprechen zu können sondern es zu tun, ist ein Geheimnis des
Erfolges. Wobei für uns Frauen das Erfolgsmotto lautet: lerne widerständig zu sein ohne zickig
zu werden.
Auf dem Weg nun hin zu meiner Vision (den Häppchen) habe ich verschiedene Beilagen
genannt: Netzwerk-Salat mit konkreter Maßnahmen Vinaigrette. Sie ahnen was ich meine. Ich
halte es für wichtig, dass wir als Frauen uns austauschen, dass wir Foren der Begegnung
schaffen, dass wir das Thema am Köcheln halten. Dass wir einander fördern. Als konkrete
Maßnahmen sind zum Beispiel die vielfältigen Aktivitäten der fgs zu nennen.
Die Wertschätzungs-Croutons – da sehe ich tatsächlich noch Potential. (So sagen wir in der
Kirche, wenn wir meinen, dass etwas ziemlich schief läuft.) Mein Eindruck ist, dass Frauen
gegenüber Frauen doppelt und dreifach kritisch sind. Männer sind halt Männer und daher
ohnehin zu vernachlässigen– von Frauen erwarten wir, dass sie in unterschiedlichen Rollen (als
Freundin, Mutter, Hauswirtschafterin, Berufskollegin) stets top sind. Und mal selbstkritisch
gefragt: ist es nicht manchmal auch angenehm in einer Männerwelt zu arbeiten – ohne das
ganze Problemgedöns von Frauen auch noch bearbeiten zu müssen?? Ich glaube allerdings, wir
kommen bei dem Thema Geschlechtergerechtigkeit nicht weiter, wenn wir nur verstandesmäßig
analytisch an die Sache rangehen – unsere Motivation ist vielmehr von entscheidender
Bedeutung. Vom Herzen her müssen wir es wollen. Wir müssen die Kolleginnen, die Frauen in
unserem beruflichen Umfeld echt und ehrlich vermissen – ich bin überzeugt, nur wenn eine
solche Sehnsucht unsere Haltung prägt, kommen wir voran.
Schließlich als Sättigungsbeilage: die Gesetzgebungsknödel. Das ist schwere Kost, meine Damen,
und daher nur in Maßen zu genießen. Zuviel davon wird unverdaulich; andererseits nur mit ein
bissel Grünzeug und drei Krümeln wirst du auch nicht satt. Ich bin allerdings in der Tat der
Meinung, dass wir nicht durch immer weitere, immer differenziertere Vorschriften in unserer
Frage vorankommen. Wir haben ja schon gute Regelungen, durch die die Gleichstellung etabliert
wird – wir machen aber die Erfahrung dass sich durch kirchliche Gesetzgebung nur begrenzt die
Wirklichkeit gestalten lässt. Manche Vorschrift geht einfach ins Leere und wird nicht ernst
genommen oder schematisch bearbeitet. Meine These: wir müssen erst einmal die bestehenden
Vorschriften durchsetzen bevor wir neue schaffen. Und: es muss ein ernsthafter Wille da sein.
Mehr als ein bis maximal zwei Knödel kann man halt nicht essen.
Das, sehr geehrte Damen, war meine Gedankenspeise: Charisma-Häppchen mit Gemüsefond
bürgerlich, Netzwerksalat mit „konkrete-Maßnahmen-Vinaigrette“ und Wertschätzungs-
Croutons dazu Gesetzgebungsknödel. Es ist vornehmlich etwas für den Kopf und nicht für den
Leib. Daher habe ich auch den Wein und das Wasser ausgespart – das ist real vorhanden – und
damit können wir gleich anstoßen und uns dem Leiblichen zuwenden.
Haben Sie freundlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.