Dr. Uta Andrée – Geschäftsführende Studienleiterin der Missionsakademie der Universität Hamburg

5. Tischrede beim 2. Oldenburger Frauenmahl
Dr. Uta Andreé, Geschäftsführende Studienleiterin der Missionsakademie der Universität Hamburg

Liebe Schwestern (und Brüder),
zwischen Hauptgang und Nachspeise möchte ich Sie mitnehmen auf einen Ausflug an die Universität Hamburg.
Es ist Donnerstag vormittag, ich beobachte erwartungsvoll, wie 32 Studierende (die allermeisten Lehramtskandidatinnen, wenige männliche unter ihnen) den Seminarraum langsam füllen. Brötchentüten werden ausgepackt, Handys bereit gelegt – wohl für den Fall, dass es langweilig werden könnte. Man sucht sich einen Platz möglichst weit hinten.
Ich schlage eine ausführliche Vorstellungsrunde vor, bei der jede aufgefordert ist, auch etwas zu ihrem kirchlichen bzw. religiösen Hintergrund zu erzählen. Theologie treibt niemand unabhängig von seinem eigenen Kontext, begründe ich meine Neugier nach der konfessionellen Herkunft meiner Studierenden.
Die meisten erklären: Ich bin evangelisch lutherisch, manche fügen hinzu: Aber mit Kirche habe ich eigentlich nichts zu tun. Ein paar haben bewegte Erfahrungen in Freikirchen, bei der Heilsarmee oder in einer Pfingstkirche.
Schließlich ist einer an der Reihe, der Chemie und Evangelische Religion auf Lehramt studiert und sagt. „Also, ich gehöre zur Bewegung der Pastafari.“ „Rastafari?“ frage ich nach. „Nein, Pastafari! Haben Sie das noch nie gehört? Müssen Sie mal googlen. Es geht um das Fliegende Spaghetti-Monster. Das ist Gott. – Flying Spaghetti Monsterism, Frau Andrée.“
„Entweder der ist total durchgeknallt, oder er will mich maßlos provozieren. Wahrscheinlich beides“, denke ich und versuche mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen.
Zuhause setze ich mich an den Computer und tue, was mir der Student aufgetragen hat. Unter www.pastafarianismus.de und www.das-fsm.de werde ich fündig. Das FSM gleich das Flying Spaghetti Monster.
Ein riesengroßer Spaghetti Quatsch kommt mir entgegen: Alles über Menschen, die am Ende ihrer Gebete statt Amen Ramen sagen und sich dabei auf eine japanische Nudelart beziehen. Alles über Menschen, die sich mit den Behörden anlegen, weil sie sich für ihr Führerscheinfoto mit einem Nudelsieb als religiöser Kleidung auf dem Kopf ablichten ließen. Alles über Menschen (wahrscheinlich vor allem Männer), die im Jenseits einen heiligen Biervulkan erwarten.
Außerdem wird viel von Piraten schwadroniert. Der Begründer der Religion, Bobby Henderson hat 2005 die Heilige Schrift des Pastafarianismus verfasst: The Gospel of The Flying Spaghetti Monster. Henderson ist es auch der behauptet, die einzige Ursache für die globale Erwärmung, Orkane und alle anderen Naturkatastrophen sei die sinkende Zahl von Piraten seit Beginn des 19. Jahrhunderts. 2008 interpretierte Henderson die wachsende Piraten-Aktivität am Golf von Aden als einen weiteren empirischen Beweis für die Richtigkeit seines Erderwärmungs-Dogmas, denn es sei festzustellen, dass Somalia weltweit die höchste Piraten-Dichte und gleichzeitig die niedrigste CO2-Emission aufweise.
Bevor ich abbreche noch zwei Zitate aus der liturgischen Textsammlung der Gemeinde:
Ich glaube an das FSM, das nudlige, das geistreiche,
Den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Klaus Störtebeker, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn,
Empfangen durch einen geilen Piraten-Urvater,
Geboren von einer scharfen Piratenbraut,

und ein anders – sie werden es ebenso erkennen wie das vorige
"Fliegendes Spaghettimonster das Du bist im Himmel
Geheiligt werden Deine Anhängsel
Deine Piraten kommen
Deine Soße geschehe
Wie im Himmel so auch auf hoher See
Unser täglich Pasta gib uns heute

Ob Religionsparodie oder Kultgemeinde oder beides…, auf jeden Fall verbringen inzwischen tausende junger gelangweilter Männer Stunden damit, dem Spaghettischwachsinn kreativ auf die Sprünge zu helfen. Einer davon ein zukünftiger Religionslehrer.

Lassen Sie mich auf diesem Hintergrund etwas zur Frage nach Reformation und Politik sagen.
Der Titel unserer Veranstaltung heute Abend heißt „Die radikale Freiheit zur Einmischung in die Welt“.
Ich würde dazu gerne drei Dinge festhalten:
1. Freiheit steht nicht allein. Sie hat ein Pendant und das heißt Respekt.
2. Diese Freiheit ist radikal, aber sie ist auch vernünftig.
3. Die Einmischung in die Welt ist nicht beliebig, sie hat das Gute, Wahre und Schöne zum Ziel.
Reformation heißt dabei für mich,
dass die Kirche sich qualifiziert als der Ort, an dem respektvoll und kritisch miteinander gesprochen wird,
dass sie sich qualifiziert als der Ort, an dem Menschen ihren Glauben an Gott mit ihrer Vernunft verbinden,
dass sie sich qualifiziert als der Ort, an dem junge Menschen Glaubenstraditionen kennenlernen und sich kritisch zu eigen machen.
Die Kirche hat das Zeug dazu, junge Menschen neugierig zu machen auf die Welt. Jedes Jahr gehen tausende als Freiwillige in die Welt und lernen sich einzumischen. Alle zwei Jahre kommen tausende zum Kirchentag und hören radikale und vernünftige Überzeugungen, die aus dem Christlichen Glauben kommen.
Ich wünsche mir, dass die Kirche der Reformation noch viel mehr junge Menschen gewinnt. Aufbrechen kann man nicht ohne die Jugend und sich erneuern kann man nicht ohne die Jugend.
Dabei hat die Kirche nicht nur den Auftrag, junge Menschen für ein Leben im und aus dem Glauben zu gewinnen und zu begeistern, sondern auch für ein Leben in und mit der Gesellschaft, in der wir leben. Christen haben Entscheidendes einzubringen in Politik und Gesellschaft und sie sollten die nachfolgende Generation hineinnehmen in ihr Engagement und ihre Verantwortung.
Keiner darf verloren gehen,
vor allem nicht die, die auf der Suche sind, Zeit und Kreativität zu investieren bereit sind in die Auseinandersetzung mit Religion und Politik.
Keiner sollte ein Pastafari werden, wenn in ihm doch das Potential zu einem politisch und religiös musikalischen Menschen steckt.
Ich schließe mit einem Gruß von meinen Tischnachbarinnen, die mir den großen Vertrauensvorschuss mit auf den Weg gegeben haben, dass kluge Frauen, aus dem, was ich gesagt habe, jetzt ganz bestimmt die These heraushören, die hier formuliert werden sollte.
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT.

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