Dr. Ute Haese – Unternehmerin

Zwickau, 9.5.2014

Sehr geehrte Frauen und Männer aus Zwickau und Umgebung,

liebe Gäste des ersten Frauenmahls in Zwickau!

Dass Sie der Einladung des BVMW-Arbeitskreises „Luther in Zwickau“ und von „Frauenpower Westsachsen“ gefolgt sind und sich den heutigen späten Nachmittag und Abend freigehalten haben, freut alle, die an der Vorbereitung beteiligt waren. Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Beruf und Berufung –  bei Katharina von Bora und für Frauen heute“. 

Vielleicht hat Sie das Thema neugierig gemacht.

Vielleicht waren es auch die angekündigten Rednerinnen. Sie werden uns in kurzen, etwa 5 Minuten dauernden Impulsreden ihre Sicht zum Thema darlegen. Nach dem Essen haben Sie die Möglichkeit, Fragen an die Frauen zu richten.  

Vielleicht war es aber auch die Aussicht, interessante Frauen zu treffen und kennen zu lernen. Wir wollen ja nicht nur bei den Tischgesprächen aktuelle Themen unseres Berufslebens, sondern auch die Probleme in der Gesellschaft und Kirche ansprechen.  

Dem Manne, der zu Lebzeiten durch sein Wort neben Kaiser und Papst die Welt regierte, musste eine ganz andere Person, als er selber war, zur Seite stehen. Als Martin Luther sich entschied zu heiraten, geschah das nicht aus Liebe. Und die Frau an seiner Seite  sollte die alltäglichen Dinge des Lebens meistern, Küche und Hauswesen wohl versorgen und leiten können. Seine Seele, von inneren Kämpfen zwischen den Tiefen des Dunkelns und den Engels des Lichts hin und her gerissen, bedurfte einer starken, sehr starken Frau. Dazu passt auch, dass sich eigentlich Katharina selber ihren Ehemann ausgesucht hat, auch wenn nicht glühende Leidenschaft beide zueinander geführt hat. Doch sie entwickelte sich sehr schnell.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts galt es als unfein, wenn eine Frau gebildet war und es auch noch zeigte. Katharina von Bora, die von 1499 bis 1552 lebte, war schon frühzeitig von ihrer Familie dazu ausersehen worden, ein Leben hinter Klostermauern zu verbringen. Als Mädchen im Alter von 5 Jahren wurde sie zu Erziehungszwecken ins Augustiner-Chorfrauenstift 
(Anm.1)  Brehna gebracht. Im Zisterzienserinnenkloster Marienthron in Nimbschen bei Grimma legte sie als 16-Jährige ihr Gelübde als Nonne ab. 

Die Reformationsschriften Martin Luthers gelangten ins Kloster. Wohl insbesondere „Die Freiheit eines Christenmenschen“ bewegte einige Nonnen tief. Die Schrift widmete Martin Luther dem späteren Bürgermeister von Zwickau, Hermann Mühlpfort. In der Nacht vom Ostersonnabend zum Ostersonntag 1523 entflohen 12 Nonnen in Grimma den klösterlichen Zwängen. Katharina von Bora fuhr am Osterdienstag auf einem Planwagen in Wittenberg ein. Sie lernte Luther persönlich kennen und heiratete als letzte der heiratswilligen Nonnen 1525. Und sie heirate nicht irgendeinen Mann, sondern Martin Luther – ich sage bewusst nicht, sie wurde mit ihm vermählt. Ab Juni 1525  (Anm.2)  sollte er durch Katharina von Bora erfahren, dass er im Ehestand mehr findet, als er erwartet und Worte sagen können.

Doch werfen Sie nun mit mir einen Blick auf die Menükarte. Was sehen Sie auf dem Deckblatt? Energisch schreitet Katharina von Bora im Hof des Lutherhauses in Wittenbergdurch eine Tür. Doch was kann das Denkmal – oder sage ich besser Fragmal – uns vermitteln?

Die einst stille Nonne, geht sie beherzt in eine neue Welt?

Die einst stille Nonne, ist sie neugierig auf das Leben, welches sie nicht kennt und schreitet mutig vorwärts?

Die einst stille Nonne, füllt sie den Platz und Raum aus, der ihr zur Verfügung steht?

Die einst stille Nonne, will sie schnell zu ihren innig geliebten Mann? …

Ludwiga Zerbs, eine Nachfahrin von Katharina von Bora in 14. Generation, spendete einen Teil des für die Errichtung des Denkmals notwendigen Geldes. Sie schrieb mir, dass sie denkt, Katharina tritt aus einem Rahmen, der für die Frauen der damaligen Zeit zugeschnitten war. 

Katharina von Bora wurde Luthers „Herr Käthe“, „das Beste, dass ihm Gott schenken konnte.“

Das Portal des Hauses, durch das Sie heute vor Beginn des Frauenmahles geschritten sind, ist die zweite grafische Darstellung auf der Vorderseite der Menükarte. 

Das imposante Tor legt Zeugnis ab von einer der  größten Blütezeiten Zwickaus. Im 16. Jh. war Zwickau die Perle des Landes Kursachsens, wohlhabend und angesehen durch Tuchmacherei, Tuchhandel und Silberbergbau.

Kurz nach der Reformation wurde das Stadtviertel um die Katharinenkirche und das Schloss Osterstein baulich erheblich aufgewertet. Der reiche Tuchmacher und -verleger Peter Graff kaufte 1530 zwei kleine Gebäude an der Westseite der Katharinenkirche. Nach 1 Jahr Umbauzeit war das Wohnund Geschäftshaus Katharinenkirchhof 3 errichtet, um einen Hof herum angelegt. Das repräsentative Kaufmannshaus  war ein damals übliches Durchhaus. Sie kennen diesen Haustyp vielleicht aus Leipzig. Das hintere Tor diente als Ausfahrt. Ein Durchqueren der Durchfahrten über hinterliegende Höfe war so ohne Wendemanöver möglich. Die Ausfahrt führte zur heute nicht mehr vorhandenen Burgstraße.

Das 1540 bis 1545 vom Meister der Frührenaissance Paul Speck geschaffene Rundbogenportal aus Sandstein mit Sitznischen ist sehr sehenswert. Da das Original verschollen ist, sind Sie heute durch eine Kopie zum Frauenmahl gegangen. 1962 wurde das Portal  vom Dresdener Bildhauer Hempel nachgestaltet. 

Falls Sie es nicht schon getan haben, werden Sie in der Pause Gelegenheit haben, sich im Hof umzuschauen. Im Hof fand vor sehr langer Zeit der Warenumschlag statt. Die Laubengänge dienten zum Trocknen der Tuche, die Stallungen zur Versorgung der Zugpferde. Noch heute sehen Sie die Pferdetränke. nach der Pestzeit im 17. Jh. und dem allgemeinen Niedergang in Zwickau führte das Haus lange ein Schattendasein. 

Von 1883 bis 1922 war hier der Sitz der letzten Posthalterei. Daran erinnert noch heute der Name dieses Gebäudes bzw. der Gaststätte, die sich darin befindet.

1984 bis 1989 wurde es zu dieser umgebaut. Die Einbindung Zwickaus in die zentrale Ehrung Thomas Müntzers durch die DDR anlässlich seines 500. Geburtstages 1989 machte dies möglich.

Thomas Müntzer hatte als Priester nach einer Vertretungszeit an der Marienkirche seine wahre Zuhörerschaft und geistige/geistliche Heimat in Zwickau an der Katharinenkirche gefunden. Dort steht auch sein Denkmal. Thomas Müntzer prangerte die gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit an, vertrat aber wesentlich radikalere Ansichten als Martin Luther. Auch deshalb wurde Luther nach Zwickau gerufen: um die erhitzen Gemüter zu beruhigen.  

Frauen treffen sich bei Frauenmahlen zu einem festlichen Essen. 

Bei einigen Veranstaltungen sind keine Männer zugelassen. Doch ich begrüße heute in der Alten Posthalterei mit Freude auch Männer, und nicht nur als mitgekommene Ehemänner. Zu gut ist mir noch die mithelfende Ehefrau im Sinn. Nicht nur ich bin der Meinung, gerade Männer sollen zuhören, wenn Frauen etwas zu sagen haben. 

Ziel des Abends ist der Austausch zur Zukunft unserer Gesellschaft, von der Stellung sowie von Gestaltungsmöglichkeiten, die Frauen in ihr haben, von Religion und Kirche.

Die Initiative Frauenmahl ist ein Beitrag zur Reformationsdekade der EKD. Das Format der Tischrede lehnt sich an die Praxis im Hause Luthers an: „Luther gelang es in seinen Tischreden, Theologie und

Alltag überzeugend zusammen zu bringen“, so können Sie es auf der Internetseite frauenmahl.de lesen. 

In ganz Deutschland und in Nachbarländern wird zu Frauenmahlen eingeladen. Zeitgleich findet heute ein Frauenmahl in Borna statt. Deshalb kann auch die Gleichstellungsbeauftragte der ELKS heute nicht bei uns sein. Denn ihr verdanken Sie die heutige Veranstaltung. Sie sprach mich beim Frauenmahl in Hirschfeld an, ob ich in Zwickau nicht etwas zu Katharina und Unternehmertum machen könnte. Da musste sie mich nicht 2 x bitten! 

Frauen mischten sich in die Reformation ein: sie eroberten eine ihnen bisher verschlossene Welt, sie setzten sich ein für ihren Glauben und sie zeigten politisches Engagement – so wie sie auch das Wort ergriffen, regierten, bestimmten und ermutigten. Teilweise ermutigten sie ihre Männer, teilweise war es dem Unvermögen der Männer geschuldet.

Anfang des 16. Jahrhunderts gab es im Adel und Bürgertum gut unterrichtete lese- und schreibkundige Frauen. Doch was ist davon heute noch zu sehen? Die Briefe von Katharina sind fast alle verloren gegangen, denn es waren meist private Schreiben. Sie hat viele Briefe an ihren Mann geschrieben bzw. diktiert, denn darauf nimmt er Bezug. Den Ansichten einer Frau wurde damals keine Bedeutung beigemessen.

In der Reformationszeit griffen die allerwenigsten Frauen mit eigenen Veröffentlichungen in den Disput ein. Der wurde oft mit Ein-Blatt-Flugschriften geführt. Durch ein Flugblatt wurde man/FRAU angreifbar. Deshalb gehört zu einem solchen Schritt nicht nur Wissen, sondern auch Mut und Standfestigkeit.

Die ersten Pfarrfrauen hatten es nicht leicht. Auch Katharina war von Anfang an bösen Verleumdungen und Schmähungen ausgesetzt. Der Segen, den die Verheiratung den Reformatoren brachte – für deren Arbeit und für das soziale Umfeld des Pfarrhauses – musste erst erkannt werden. 

Gebildete Frauen durften damals nicht unterrichten, es sei denn, ihre eigenen Kinder. Dazu hatten die meisten Frauen in der damaligen Zeit reichlich Gelegenheit. Meist waren sie ständig schwanger oder lagen im Kindbett. Oft genug standen sie auch am Grabe eines ihrer Lieben.

Hervorhebenswerte Frauen in der Zeit der Reformation sind auf Postkarten abgebildet und kurz beschrieben. Gerne können Sie einige davon mit nach Hause nehmen. Die Karten liegen auf einem Tisch im Vorraum aus. Ebenso können Sie bei den Postkarten mit Luther-Zitaten zugreifen.

Bei den Reformierten waren bedeutende Frauen z.B.

  • Anna Reinhard, verh. Zwingli (Zürich)
  • Elisabeth Silbereisen, verh. Bucer (ehemalige Nonne, heiratete 1522 früheren Dominikanermönch)
  • Katharina Schütz, verh. Zell – kann mit Recht selber als Reformatorin bezeichnet werden
  • Idelette de Bure, verh. Calvin.

Hervorhebenswerte  Fürstinnen sind z.B.

  • Elisabeth von Brandenburg, lebte 1537 zur Pflege im Hause Luthers 
  • Isabella von Dänemark – Schwester von Karl V., mit 14 J. Gattin des 20 J. älteren Christian II von Dänemark, Norwegen u. Schweden

und als Adelsfrauen und Bürgerinnen

  • Elisabeth von Rochlitz: Schwester des Landgrafen von Hessen, Schwiegertochter des Herzogs Georg v. Sachsen – Ausstellung im Schloss seit Mai 2014
  • Margarethe Bla(u)rer – sie steht als eine der vier Frauen bei den 20 wichtigen Personen der Reformationszeit mit an der Nordfassade am Dom St. Marien in Zwickau

bei den Lutheranern

  • Elisabeth von Meseritz, verh. Cruciger: erste evangelische Kirchenlieddichterin, wurde Freundin von Katharina, Sohn wurde Melanchthons Nachfolger, Tochter heiratete in 2. Ehe Luthers Sohn Hans
  • Katharina Krapp, verh. Melanchthon
  • Katharina von Falken (?), verh. Jonas, starb 1542 bei Geburt des 13. Kindes und konnte so nicht – wie gedacht und gewünscht – nach Luthers Tod Katharina zur Seite stehen.

Über Katharina von Bora, verheiratete Lutherin, wollen wir heute noch mehr erfahren!

Sie sagte dem Kloster ade – hatte dann Arbeit, viel Arbeit und Glück, Leid, Trübsal, Freude – ein packendes Leben voll Liebe, Gebrauchtwerden, Schaffenkönnen, Planen und Gestalten: dazu sprechen anschließend die Rednerinnen.

Mit sicherem Gespür hat Katharina von Bora den Schlag ihres Herzensrichtig beurteilt – wenige Monate später war sie die Herrin im Schwarzen Kloster zu Wittenberg. Luthers Respekt war wohl auch darin begründet, dass sie genau und bestimmt wusste, was sie abzulehnen hatte. Und wie schwer fällt es vielen Frauen noch heute, in bestimmten Situationen energisch NEIN zu sagen. Lieber lassen wir uns ausbeuten, als unkollegial wahrgenommen zu werden.

Manchmal wissen wir dann aber nicht, was wir eigentlich zu tun haben. Schön, wenn wir dann Partner – den Mann, Arbeitskolleginnen und -kollegen oder Geschäftspartnerinnen – an unserer Seite haben, die das wissen. Wir sollten uns auch nicht scheuen, nicht immer nur nach Harmonie zu streben, sondern die Ergänzung der Gegensätze hoch schätzen. Darauf beruht wohl auch die gelungene Ehe von Martin Luther und Katharina von Bora, das gelungene Werk im Geiste der Reformation.

Der ältere, später oft kranke Gatte, sechs eigene Kinder und viele Pflegekinder und junge Studenten, das große Haus, die vielen Geselligkeiten und gesellschaftlichen Verpflichtungen, Katharina hat diesem großen Kreis getreulich vorgestanden.

Ihren verschiedenen Lebens-Rollen sind die heutigen Reden gewidmet.

Freuen wir uns alle auf einen inspirierenden Abend.

Doch abschließend möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen: Was heißt Erfolg?

Und: Welchen Stellenwert hat Erfolg in Ihrem Leben?  Woran denken Sie dabei gerade?

Ralph Waldos Emerson, ein amerikanischer Philosoph, der von 1803 bis 1882 lebte, formulierte es folgendermaßen:

Oft und viel lachen;

die Achtung intelligenter Menschen und 

die Zuneigung von Kindern gewinnen;

Die Anerkennung aufrichtiger Kritiker gewinnen

und den Verrat falscher Freunde ertragen;

Schönheit bewundern, in anderen das Beste finden;

die Welt ein wenig besser verlassen,

ob durch ein glückliches Kind, ein Stückchen Garten

oder einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft;

wissen, dass wenigstens das leben eines anderen Menschen leichter war,

weil du gelebt hast.

Das bedeutet, nicht umsonst gelebt zu haben.


1 Chorherrenstift: Chorherr ist ein Synonym für Kanoniker, bezeichnet Mitglieder einer Stiftskirche, die nach einer Ordensregel leben, die Priesterweihe besitzen und Ordensgelübde abgelegt haben, ohne jedoch Mönche zu sein. Hauptaufgabe ursprünglich in der Feier des Chorgebetes, zu welcher die praktische Seelsorge hinzutrat

2 Friedrich der Weise war am 5. Mai gestorben

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