Elfi Scho-Antwerpes – Bürgermeisterin der Stadt Köln

Köln, 20.11.2011

Sehr geehrte Frau Kriener,

Sehr geehrte Frau Richarz,

Sehr geehrte Frau von Hagen,

Sehr geehrte Damen,

gerne bin ich der Einladung zum Evangelischen Frauenmahl
gefolgt und grüße Sie ganz

herzlich.

Auf der Internet-Seite zum Evangelischen Frauenmahl steht
zu lesen – ich zitiere:

„Unsere Zeit ist von gesellschaftlichen Umbrüchen und
sozialen Spannungen geprägt.

Davon sind auch Frauen betroffen.“

Und weiter heißt es:

„An welcher Stelle können wir aus der Perspektive von
Frauen einen Beitrag zur

Veränderung leisten. (…) Was kann oder soll die
evangelische Kirche dazu beitragen oder

wie stellen Sie sich die Kirche der Zukunft vor, damit
sie ihren Beitrag zur Lösung dieser

Probleme leisten kann.“

Zitatende.

Spontan in den Sinn gekommen sind mir dazu jene
Grundsätze des Zusammenlebens, die

zum Teil meinen Alltag prägen, aber vor allem meine
Erwartungen an das, „was wichtig ist“:

Solidarität

Perspektiv-Wechsel

Work-Life-Balance

Verantwortung

Gemeinsame Zukunftsgestaltung.

Wie aber setzen wir das um, was uns wichtig und richtig
erscheint?

Der Bildungssoziologe Will A. Foster hat gesagt,
„Qualität ist niemals Zufall; sie ist immer

Ergebnis hoher Ziele, aufrichtiger Bemühungen,
intelligenter Vorgehensweise und

geschickter Ausführung“. Und von dem tschechischen Dichter Karel Čapek stammt das
Zitat: „Die Geschichte braucht mehr Menschen, die etwas tun, als Leute, die vorschlagen,
was getan werden könnte“.

Und damit bin ich schon mitten im Thema:

Die Evangelische Kirche engagiert sich in besonderer
Weise für das friedliche,

zukunftsgerichtete Zusammenleben durch aktives Tun. Sie setzt sich nachdrücklich auseinander mit den
gesellschaftlichen Umbrüchen und ihren

Folgewirkungen, die auch zu sozialen Spannungen führen
können. Das macht sie ganz im Sinne des Gedankens von Will A.
Foster – und dazu gehört immer

auch das solidarische, vernetzte Zusammenwirken.

Hier liegt aus meiner Sicht auch die besondere Stärke und
Verantwortung der Kirchen.

Die Evangelische Kirche ist offen für den Diskurs und
offen für gemeinschaftliches Handeln.

Sie stellt sich den Fragen danach, wie es steht

– mit der Solidarität,

– mit der Übernahme von Verantwortung für die Zukunft,

– mit der Fähigkeit zum Perspektivwechsel,

– mit dem Stellenwert der Work-Life- Balance,

– aber auch dem Geschlechterverhältnis und
Rollenverständnis steht.

Und oftmals nimmt die evangelische Kirche eine
Vorreiterrolle ein, wenn es darum geht, sich speziell für die Interessen der Frauen einzusetzen. Und das nicht nur in unserer Stadt, sondern überall im
Land in unterschiedlichsten Zusammenhängen.

Der Deutsche Evangelische Frauenbund ist ein gutes
Beispiel für das Engagement von

Frauen für Frauen im Umfeld der Evangelischen Kirche. Auch dieses Engagement passt sehr gut zu einer Stadt wie
Köln – einer Stadt, in deren Geschichte es genügend Beispiele gibt für bedeutende
Frauen, die ihren Platz in der Gesellschaft gefunden und genutzt haben.

Einige seien stellvertretend für zahllose andere genannt:

Da ist natürlich zu allererst Agrippina, die
Stadtgründerin Kölns, zu nennen.

Aber auch später haben immer wieder bedeutende Frauen die
Kölner Stadtgeschichte

entscheidend geprägt; beispielsweise Katharina Henoth,
jene tüchtige Unternehmerin, die als Hexe auf Melaten verbrannt wurde, oder Mathilde von
Mevissen, die die treibende Kraft des 1909 gegründeten "Verbands Kölner
Frauenvereine" war.

Nicht weniger wichtig für die Frauenbewegung in Köln war
Alexe Altenkirch, die sich

insbesondere für Fort- und Ausbildungsmöglichkeiten für
Mädchen und Frauen in

kunstgewerblichen Berufen eingesetzt hat.

Und auch in der jüngeren Vergangenheit hat Köln bei
einigen frauenpolitischen Themen eine Vorreiterrolle eingenommen. So wurden 1976 die ersten Frauenhäuser in Berlin und eben
in Köln eingerichtet. 1982 wurde in unserer Stadt die Frauenpolitik
institutionalisiert und die erste „Frauen-Gleichstellungstelle“ eingerichtet! Diese wurde später
zunächst zum Frauenamt umgewandelt und schließlich zum jetzigen Amt für
Gleichstellung von Frauen und Männern.

Aber wir alle wissen: Trotz der Erfolge der
Frauenbewegung gilt es auch heute noch, die

völlige Gleichstellung von Mann und Frau im wirklichen
Leben zu realisieren. So, wie es Artikel 3, Abs. 2 des Grundgesetzes vorsieht.

Und, meine sehr geehrten Damen, wenn wir von
Gleichstellung sprechen, geht es aus

meiner Sicht immer auch darum, Unterschiede anzuerkennen,
Unterschiede zu

berücksichtigen und Verschiedenheit wert zu schätzen. Denn Verschiedenheit und Vielfalt sind – genauso wie sich
auf gemeinsame Ziele zu verständigen und gemeinsam in eine Richtung zu gehen –
eine wesentlich Voraussetzung dafür, den Anforderungen der Zukunft gerecht werden zu
können. Und diese Vielfalt sollte sich in allen
gesellschaftlichen Bereichen gleichberechtigt widerspiegeln – im Hauptamt und im Ehrenamt.

Und wir sollten uns die Frage stellen:

Was tun wir, was tut die Evangelische Kirche, um der
Vielfalt der weiblichen Hälfte der Welt angemessen Raum zu geben?

Denn zu einem gut funktionierenden Gemeinwesen gehören –
und das ist in schweren

Zeiten ganz besonders wichtig – auch
verantwortungsbewusste und engagierte Bürgerinnen und Bürger.

Bieten wir den Frauen, die kulturell anders geprägt sind,
Frauen, deren Lebensentwürfe nicht dem Mainstream entsprechen, einen Platz an unserer Seite
als gleichberechtigte

Partnerinnen? Ich denke, die Frauen in der Evangelischen Kirche können
hier als aktive Fürsprecherin Großartiges leisten und ihrer Vorreiterrolle weiter
gerecht werden.

Und ich meine, meine Damen:

Auch wenn die Schlüsselpositionen in Wirtschaft,
Gesellschaft und Kirche immer noch

überwiegend von Männern besetzt werden, nehmen wir für
uns als Frauen in Anspruch, dass das, was Will A. Foster beschrieben hat, durchaus typisch
weibliche Eigenschaften sind:

Also:

das Formulieren hoher Ziele, aufrichtige Bemühungen, intelligente Vorgehensweise und geschickte Ausführung. Und auch das „tatkräftige Tun“ ist typisch weiblich.

In diesem Sinne möchte ich mit einem Satz der
italienischen Schauspielerin Eleonora Duse

schließen, einer Berühmtheit Anfang des 20. Jahrhunderts:

„Ohne Frauen geht es nicht. Das hat sogar Gott einsehen
müssen.“

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