Elisabeth Hartlieb – PD für Theologie

Frauenmahl Freiburg 20.09.2014 


FRAUEN_MACHT_KIRCHE

Guten Abend, meine Damen!
Drei Schlaglichter biete ich Ihnen zum Thema „Frauen und Macht und Kirche“.

I Kirche macht Frauen
Die christlichen Kirchen sind für Frauen zwiespältige Orte, wenn es um die Frage von Macht geht. Christliche Kirche waren keine Vorreiterinnen in Sachen Frauenbefreiung und Geschlechtergerechtigkeit. Im Gegenteil. Religiöse Macht und Leitungsaufgaben waren fest in männlicher Hand und sind es in der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen immer noch. Gott zeigt sich in männlicher Gestalt und dem entspricht die Repräsentation des Göttlichen durch einen Mann. So lehrt es noch immer die römische Kirche.
Wo das anders ist in der Kirche, haben das Frauen hartnäckig und mühsam erkämpft: Vom Vorsitz im Kirchengemeinderat bis zum Bischofsamt, vom theologischen Examen bis zur Professur.
Kirche macht Frauen: Sie hat mein Frauenbild und mein Frausein mitgeprägt: Weder Frauen als Pfarrerinnen, noch lesbische Theologieprofessorinnen kamen darin vor. Ich bin Jahrgang 1959, aufgewachsen auf dem Land in einer bäuerlichen Familie. Die erste Pfarrerin auf der Kanzel in meinem Heimatdorf habe ich als Jugendliche gesehen. Ich habe sie von unten aus der Kirchenbank angestarrt wie eine Jahrmarktssensation, als sähe ich eine Frau mit Bart.
Doch ich habe Kirche auch als Freiraum von gesellschaftlichem Weiblichkeitsdruck und als Raum der Ermächtigung für mich erlebt: Die Tabuisierung von Sex vor der Ehe in meiner christlichen Jugendgruppe entlastete mich zugleich von dem Druck, mich erst mit einem Mann an meiner Seite vollständig zu fühlen.
Durch die pietistische Tradition meines Elternhauses habe ich bei all dem, wovon ich mich später mühsam frei machen musste, erfahren, dass Kirche im Kern nicht Amtskirche sondern communio sanctorum ist, Gemeinschaft der Heiligen und dass es nicht nur Pfarrer zukommt, die Bibel auslegen und predigen. Daran konnte ich anknüpfen im Studium, konnte und Feministische Theologie als Befreiungstheologie entdecken und meine Lust, mit anderen Frauen an einer Theologie der Geschlechtergerechtigkeit zu arbeiten.

II Frauenmacht Kirche?
Bekanntmachung aus dem Gesetzes- und Verordnungsblatt der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 3. September 2014: Die nachgenannten Kandidatinnen/Kandidaten werden mit Wirkung ab 1. September 2014 in das Lehrvikariat der Evangelischen Landeskirche in Baden aufgenommen:
Röhrs, Annette
Schäfer, Christina
Schmid, Stefanie
Stober, Rebecca
Ueberschaer, Nadine
Fünf Frauen und keine Mann beginnen im September das Lehrvikariat in Baden. Geht das Pfarramt in wenigen Jahren also gänzlich in weibliche Hände über? Nun, ohne die Frauen, die schon jetzt im Pfarramt aktiv sind, wäre der Pfarrermangel der evangelischen Kirche heute genauso groß wie der Priestermangel in der katholischen Kirche.
Die Ordination von Frauen und ihr Zugang zum Pfarramt ist eine der wichtigsten und tief greifensten Veränderungen der Christenheit im 20. Jahrhundert. Sie hat das Bild vom Pfarramt in den protestantischen Kirchen innerhalb weniger Jahrzehnte gewandelt und ein gewaltiges Veränderungspotenzial gebracht: Mit 30% Pfarrerinnen ist das Pfarramt seit wenigen Jahren kein Männerberuf mehr. Der Anteil der Theologiestudentinnen beträgt inzwischen über 50%.
Angesichts dieser Zahlen wird das Schreckgespenst der Feminisierung der evangelischen Kirche beschworen und damit der Verlust von gesellschaftlichem Ansehen und intellektuellem Niveau. In dieser Debatte lassen die alten Geschlechterstereotypen grüßen: Pfarrerinnen sorgen demnach für eine kuschelige Atmosphäre und machen Mutti-Theologie. Für kluge Männerköpfe sei so eine Kirche nicht attraktiv.
In der Tat, die Männer wenden sich von der Kirche ab – aber nicht erst seit 1970, nein schon seit dem 19. Jahrhundert wenden sie den christlichen Kirchen den Rücken. Die Männer haben Religion zur Frauensache erklärt – mit Ausnahme der Positionen, die öffentliche religiöse Macht symbolisieren: die Kanzel des Prediger und der Katheder des Professors.
Diesen Rückzug der Männer aus der Kirche jetzt, da auch im Pfarramt und in Leitungspositionen Frauen sind, den Frauen anzulasten, ist perfide. Hier wird Geschlechtergerechtigkeit, die dem Kern des biblischen Menschenbildes entspringt, der Gottebenbildlichkeit von Frauen und wie Männern und darum der Würde beider, Gott zu repräsentieren und als Gottes Mitarbeitende tätig zu sein, gegen das gesellschaftliche Prestige der Männerkirche ausgespielt. Was als Feminisierung der Kirche diffamiert wird, hat seine tiefen Ursachen im Bedeutungswandel von Religion, Glaube und Kirche in der Moderne.

Dies ist die Herausforderung, der wir uns zu stellen haben. Die Debatte um die Feminisierung der Kirche verstellt den Blick auf die eigentlichen Probleme und dient den ewig Gestrigen.
Damit komme ich zum letzten Schlaglicht:

III Frauen macht Kirche!
Kirche ist kein machtfreier Raum, auch wenn sich das manche wünschen mögen, die Abwertung, Diskriminierung und Zurücksetzung aufgrund ihres Geschlechts erlebt haben bzw. subtil und versteckt immer noch erleben. Um eine berühmte Definition Hanna Arendts positiv aufzugreifen, verstehe ich Macht als Gestaltungsmacht: „Macht entsteht, wann immer sich Menschen zusammentun und gemeinsam handeln“.
Als solche, die zur Kirche gehören, als weibliche Menschen, haben wir die Würde und Verantwortung gemeinsam zu handeln, mit unserer Lust und unserer Stärke Zukunft von Kirche zu gestalten – sei es innerhalb der Institution Kirche oder über sie hinaus und neben ihr.
Frauen, die sich derart machtbewusst und machtvoll daran machen, Kirche in der Spätmoderne zu gestalten – sei es im Ältestenkreis oder als Oberkirchenrätin – müssen mit begrenzten Ressourcen umgehen und Entscheidungen treffen, Entscheidungen über Haushaltsmittel und Baupläne, über Einstellungen oder Kündigungen, über neue Projekte und das Beenden bisheriger Arbeitsfelder.
Wer das tut, macht sich nicht immer beliebt. Wer das tut macht auch Fehler, erlebt Niederlagen und Enttäuschungen. Das ist kein Grund zum Rückzug, das gehört dazu. Mit Macht umzugehen, verlangt von
Frauen, die Illusion der weiblichen Unschuld und der Perfektion zu verabschieden. Und das ist gut so, gerade in der Kirche und für die Zukunft der Kirche.
Frauen macht Kirche – anspruchsvoll und großzügig – gegenüber euch selbst und anderen.

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