Embryonale Stammzellforschung instrumentalisiert Frauen – Bio- und Medizinethik

Pressemitteilung

Embryonale Stammzellforschung instrumentalisiert Frauen
Bundesverband Evangelischer Frauen kritisiert Beschluss des Bundestages

Der Bundesverband Evangelische Frauen in Deutschland e.V. (EFiD) hält den Beschluss des Bundestages, den Stichtag im Stammzellgesetz (StZG) zu verschieben, für einen Schritt in
die falsche Richtung. EFiD plädiert dafür, sich auf die Forschung mit adulten Stammzellen zu konzentrieren, die ethisch weitaus
unbedenklicher ist als die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Zu den ethischen Aspekten gehören auch die Menschenrechte der Frauen. Diese, wie auch der Schutz dieser Rechte, sind in der Diskussion um die Novellierung des Stammzellgesetzes praktisch nicht berücksichtigt worden. „Frauen, ihre Körper und ihre Fähigkeit, menschliches Leben zu reproduzieren, laufen Gefahr, zu Rohstofflieferantinnen instrumentalisiert zu werden“, sagt Brunhilde Raiser, Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. „Embryonen fallen ja schließlich nicht vom Himmel.“

Frauen, die sich in einer In-Vitro-Fertilization (IVF) unterziehen, werden zuvor mit Hormonen behandelt, um die Eizellproduktion anzuregen. Denkbar wäre, dass die Hormongaben höher als für
die IVF notwendig dosiert werden, um überzählige Eizellen für Forschungszwecke gewinnen zu können. Diese Hormonbehand-
lungen stehen im Verdacht, unter anderem Krankheiten wie Eierstockkrebs, Nierenversagen und Leberschäden auszulösen.
Es geht also auch um die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, Frauengesundheit zu gefährden, um Dritten helfen zu können.
Die Rolle der Helfenden ist eine traditionelle Rolle von Frauen, hiermit wird auch heute noch allerorten moralischer Druck auf Frauen ausgeübt.

Laut StZG sind nur solche Stammzelllinien zur Einfuhr nach Deutschland freigegeben, die aus Embryonen hergestellt wurden,
für deren Überlassung Frauen kein Entgelt oder einen sonstigen geldwerten Vorteil erhalten haben. Das lässt sich aber nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht sicherstellen. Die strukturelle
soziale, politische und wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen beeinflusst die Entscheidungsfreiheit der Frauen. So kann eine als Aufwandentschädigung titulierte Bezahlung sehr wohl die Entscheidung beeinflussen, Embryonen zu Forschungszwecken freizugeben, die bei der In-Vitro-Fertilization nicht verbraucht
wurden. Frauen werden also zum Austragungsort nicht zuletzt wirtschaftlicher Interessen, da ihre Reproduktionsfähigkeit benötigt wird zur Substanzbeschaffung für Forschung und Therapie.

Es besteht ein Konflikt zwischen dem Wunsch nach Forschungsfreiheit und dem Schutz der Frauenrechte. „Wie steht es denn tatsächlich um die Forschungsfreiheit, die von verschiedenen Interessengruppen eingefordert wird? Ist das nicht
ein vorgeschobenes Argument,“ sagt Raiser, „wo es doch bei aller Forschung immer auch um handfeste kommerzielle Interessen geht.“ (EFiD, 11. April 2008)

Das Stammzellgesetz wurde 2002 verabschiedet, um im Zusammenhang mit der Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen den Embryonenschutz sicherzustellen. In Deutschland dürfen keine Stammzelllinien aus Embryonen hergestellt werden. In Deutschland tätige Forscher durften aber bisher laut StZG Stammzelllinien aus dem Ausland einführen und verwenden, die vor dem 1.1.2002 hergestellt wurden. Dieser Stichtag wurde mit Beschluss des Bundestages vom 11. April 2008 verschoben auf den 1.5.2007.

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Weitere Informationen zum Thema

››› taz, 10. April 2008 – Mein Ei gehört mir
››› Die Zeit, 13. Februar 2008 – Im Dilemma

››› taz, 10. April 2008 – Streit um Frischzellenkur
››› Süddeutsche, 10. April 2008 – Die Stammzell-Hysterie

››› FAZ, 11. April 2008 – Begehrt, weil noch extrem wandlungsfähig
››› FAZ, 11. April 2008 – Bundestag lockert Stammzellgesetz
››› FAZ, 11. April 2008 – Grauer Tag für den Bundestag
››› FAZ, 11. April 2008 – Vor einer Revolution der Biopolitk