Eva Maier – Geschäftsführerin der Firma ‚Traumfabrik‘, Bad Boll

Tischrede beim Frauenmahl in Goeppingen am 29. April 2017
Eva Maier, Geschäftsführerin der Firma ‚Traumfabrik‘, Bad Boll

Ich habe das große Glück, dass ich als Frau in einem Familienunternehmen arbeite, das mir und meinem Mann gehört. Warum sage ich das ?
Frauen in Führungspositionen wird deutlich mehr abverlangt als Männern in den gleichen Positionen. Wir werden mehr beäugt als Männer, an uns werden höhere Erwartungen gestellt, wir werden schlechter bezahlt und wir sind um so mehr Exoten, je höher wir in der Karriereleiter aufsteigen.
All das blieb und bleibt mir erspart. Ich muss mich nicht mit männlichen Arbeitskollegen messen und muss mir keine Gedanken machen, wie ich Familienplanung und Karriere in Einklang bringen kann.
Selbstständig zu sein hat für meinen Mann und mich aber keineswegs bedeutet, dass wir uns für den leichten Weg entschieden haben:
Wir haben unsere Firma vor 20 Jahren gemeinsam gegründet.
Unsere erste große Hürde, die es zu nehmen galt waren die hohen Kredite, die wir brauchten und die uns zahllose Banken verwehrten.
Investitionen in die nachhaltige Textilproduktion in unserer Region waren Mitte der 90 er Jahre aus Sicht der Banken reiner Irrsinn.
Eines ist sicher – Ich alleine als Frau hätte diese Investitionssumme niemals auftreiben können. Keine Bank der Welt hätte mir als Frau diese Summe finanziert.
Im Laufe der letzten 20 Jahre haben wir so manchen Misserfolg erlebt, Existenzängste durchlebt,  bittere Enttäuschungen erlebt und heftige Dispute zwischen mir und meinem Mann geführt.
Wozu das Ganze ?
Weil es Spaß macht ! Ich liebe meine Arbeit . Ich liebe die Herausforderung und die Freiheit, die Möglichkeiten und die Verantwortung , die mit einem eigenen Unternehmen einhergehen.
Mit Verantwortung meine ich nicht nur dass alle Entscheidungen, die wir treffen für uns Konsequenzen haben, sondern dass wir uns voll darüber im Klaren sind, dass wir mit jeder Entscheidung, die wir treffen die Verantwortung für alle Mitarbeiter und deren sicherer Zukunft in unserem Unternehmen übernehmen müssen.
Ich bin dankbar dafür, dass ich meinen Mann an meiner Seite habe und dass wir zu zweit unseren Weg gehen. Das bedeutet für uns, dass wir unsere Kompetenzen und Interessen individueller ausleben können und uns so besser ergänzen.
Jeder hat seinen Aufgabenbereich und verantwortet diesen eigenständig.
Meine Rolle in unserer Firma ist nicht auf die oft so typische Rolle der Ehefrau in der Buchhaltung reduziert. Mein Mann und ich waren von Anfang an gleichberechtigte Partner. Unsere Symbiose hat sich in den letzten 20 Jahren stetig entwickelt, aber nie haben wir uns auseinander dividiert, sondern uns gegenseitig gepusht und Halt gegeben.
Ich weiss dass sehr viele Frauen, egal ob in Führungspositionen im Angestelltenverhältnis oder in eigenen Unternehmen ohne die Unterstützung von Ehemännern jeden Tag auf sich allein gestellt in einer von Männern dominierten Welt bestehen müssen.
Männer führen anders, Männer setzen Prioritäten anders.
Viele Frauen versuchen sich besonders hart zu geben um in dieser Welt Erfolg zu haben.
Jede Frau muss natürlich ihren eigenen Weg finden, für mich bedeutet weibliches Führen allerdings nicht Härte zu zeigen, sondern konsequentes und nachhaltiges empathisches Führen.
Ich denke typisch für das Wesen vieler Frauen ist die ausgleichende Art, mit der wir versuchen zu vermitteln und Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten leben können.
Ich wünschte mir schon manchmal, dass ich härter sein könnte, emotionsloser und rationaler.
Aber dann denke ich wieder, dass genau das auch meinen Erfolg ausmacht. Sich in die Mitarbeiter und die Kunden besser hineindenken – und fühlen zu können, ist eine nicht zu unterschätzende weibliche Intuition. Mir ist ein kooperativer und empathischer Führungsstil sehr wichtig.
Wir als Frauen haben auch einen weiteren großen Vorteil gegenüber den Männern: während viele Männer ihre Erfüllung oder Daseinsberechtigung in ihrer Arbeit und in ihrem beruflichen Erfolg sehen, schaffen wir Frauen einen Spagat, wenn auch einen schwierigen:
Trotz allem Streben nach Erfolg und Anerkennung im Beruf verlieren wir doch nicht das wesentliche aus den Augen. Wir leben nicht um zu arbeiten, sondern erhalten einen erweiterten Sinn für unser Leben durch unsere Funktion als Mutter.
Ich bin dankbar für die Chance, Mutter zu sein. Auch wenn es gerade für arbeitende Mütter immer einen Kompromiss darstellt mindestens zwei wichtige Funktionen zu erfüllen so ist es doch auch eine Bereicherung zwischen diesen zwei Funktionsbereichen oder Lebenswelten zu wechseln und darausjeweils Kraft für den anderen Bereich zu generieren.
Ich weiss, viele Frauen überfordern sich mit ihren eigenen Ansprüchen oder denen, die andere oder die Gesellschaft an sie stellen.
Dieses Wissen hat uns dafür sensibilisiert Frauen in unserem Unternehmen den Wiedereinstieg nach den Kinderjahren so leicht wie möglich zu machen. Wir bieten unseren Mitarbeiterinnen sehr individualisierte Arbeitszeitmodelle. Wir fördern auch Frauen in Teilzeitbeschäftigung Führungspositionen zu übernehmen.
Meine Freude an der Arbeit versuche ich an unsere Mitarbeiter und unsere Kunden weiterzugeben. Die Freude jeden Tag zu leben.
Denn alles was wir mit Freude tun, machen wir gut. Und das spüren die Menschen um uns herum.
Und gibt es etwas schöneres als das, was man tut, egal ob man Hausfrau und Mutter und/oder berufstätige Frau ist, gernezu tun ?
Volkswirtschaften brauchen nicht nur Manpower – um langfristig Wachstum und Wohlstand zu generieren brauchen sie auch womanpower.
Der W 20 Gipfel zeigt die Brisanz dieses Themas.
Weltweit gibt es viel zu wenig Frauen in Führungspositionen.
Selbst in den westlichen Industrienationen findet man nur einen verschwindend kleinen Frauenanteil in den MINT Berufen.
Die Digitalisierung wird besonders viele typische Frauenberufe treffen. Unsere Herausforderung für die Zukunft wird es sein, ein völlig neues Lebenskonzept für unsere Gesellschaft zu entwickeln. Eine Gesellschaft, in der in 20 Jahren wahrscheinlich nur noch 50 % aller Jobs zur Verfügung stehen.
Global betrachtet sieht die Bilanz noch viel deprimierender aus:
Unter dem Deckmäntelchen vieler Religionen werden Frauen entmündigt, auf ihre Rolle als Mutter und Haushaltsvorsteherin reduziert, ihnen wird der Zugang zu Bildung verwehrt, sie dürfen kein selbstbestimmtes Leben führen und haben oft nichteinmal die für uns selbstverständlichsten Rechte.
Von Gleichberechtigung können Millionen Frauen nicht einmal träumen.
Besonders alarmierend empfinde ich die momentan rückwärts gerichteten Entwicklungen in vielen Ländern dieser Erde.
Kulturen und Religionen auf der ganzen Welt negieren noch heute unser natürliches Recht auf Gleichbehandlung und Selbstbestimmung.
Jahrtausende, Jahrhunderte und noch in den letzten Jahrzehnten haben ungezählte Frauen ihr Leben geopfert um für die Gleichberechtigung von Frauen zu kämpfen.
Wir haben viel erreicht – in Anbetracht der weltweiten Entwicklung ist es aber unser aller Pflicht für unsere Rechte und für die Rechte aller Frauen zu kämpfen. Wir dürfen keinen Schritt zurückweichen, sonst würden wir alles, von den Generationen von Frauen vor uns so hart erkämpfte missachten.

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