Fatoş Topaç – Abgeordnete Bündnis 90 / DIE GRÜNEN Berlin

Veröffentlicht auf der Homepage der Evangelischen Akademie zu Berlin www.eaberlin.de
Alle Rechte beim Autor / bei der Autorin oder bei der Ev. Akademie zu Berlin
 
Frauen übernehmen Verantwortung
Zusammen leben mit gleichen Chancen und Rechten
Fatoş Topaç
„Frauen reden zu Tisch“ am 30.10.2016 in der Ev. Akademie zu Berlin
 
Sehr geehrte Frau Schwaetzer,
sehr geehrte Frau von Braun,
Sehr geehrte Frau Möbius,
sehr geehrte Damen,
 
ich freue mich sehr, heute hier bei Ihnen zu sein und zu Ihnen sprechen zu dürfen.
 
Mein Part heute Abend steht unter dem Titel „Frauen übernehmen Verantwortung – Zusammenleben mit gleichen Chancen und Rechten“.
Ich möchte beginnen mit einem Zitat von Friedrich Schiller aus „der Parasit“: „Der Schein regiert die Welt, und die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne.“
 
Meine Eltern sind Ende der 60’er Jahre in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft als sog. Arbeitsmigrant*innen der 1960er Gastarbeiter aus der Türkei nach Berlin gekommen. In einer Zeit als die Bundesrepublik ihren Bürger*innen den sozialen Aufstieg durch Bildungsgerechtigkeit versprach.
 
So wurde ich 1972 hier eingeschult und hatte das Glück nicht wie viele andere Kinder in eine sog. Ausländerregelklasse abgeschoben zu werden. Als der Wechsel in die Sekundarstufe anstand wurde mir – trotz dem drittbesten Zeugnis in der Klasse -eine Realschulempfehlung ausgesprochen; die Leistungen entsprachen eher einer Gymnasialempfehlung, dort wollte ich unbedingt auch hin und suchte das Gespräch mit meiner Lehrerin. Auf mein Insistieren teilte sie mir mit, dass andere Mitschüler*innen – trotz schwächerer Leistungen – es schaffen werden. Ich aber nicht! So versuchte ich meine Eltern zu bewegen meinem Wunsch in der Schule Nachdruck zu verschaffen. Sie kannten das Bildungssystem nicht und wussten auch nicht ihr Mitspracherecht zu nutzen und vertrauten der Empfehlung der Lehrerschaft.
 
Diese Erfahrung hat mein Bild gleicher Chancen und Rechte nachhaltig geprägt. Als Sozialpädagogin habe ich in dieser Stadt gemeinsam mit anderen einige Projekte gegründet, die mehr Chancengerechtigkeit in Bildung und Beruf schaffen sollten, denn es geht vielmehr um gerechte Chancen.
 
Was bedeuten gleiche Chancen und Rechte?
 
Der postulierte Anspruch in unserem Land ist, dass jeder Mensch die gleichen Lebenschancen haben und nicht aufgrund von sozialer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Alter benachteiligt werden sollte.
 
Die Realität sieht allerdings anders aus. Das Bildungssystem in seiner Dreigliedrigkeit ist in höchstem Maße ungerecht. So wird in den meisten Bundesländern bereits nach vier Grundschuljahren entschieden, welche Schullaufbahn Kinder einschlagen werden. Als Mutter zweier Töchter kann ich nur sagen, das ist definitiv zu früh. Zu früh für alle Kinder um eine Entscheidung mit einer solchen Tragweite zu fällen, vor allem aber für Kinder aus unteren sozialen Schichten. Insbesondere Kinder mit sog. Migrationshintergrund, geraten dabei in Benachteiligung. Diese Benachteiligung manifestiert sich z.T. gerade auch in der Haltung des Lehrkörpers, der diesen Kindern weniger zutraut und sie bei Entfaltung ihrer Potenziale nicht unterstützt bis hin zur offenen Diskriminierung.
 
Wer es sich leisten kann zieht Nachhilfestunden hinzu oder schickt sein Kind auf eine Privatschule. Das können sich ärmere Familien nicht leisten. Damit ist zwar die formale Chance, der Zugang zu Bildung gewährleistet, aber es fehlt eine gezielte Förderung und Strukturen, die Schule so aufstellt, dass sie der Unterschiedlichkeitder Kinder Rechnung trägt undgerechte Bedingungen schafft, damit sie Chancentatsächlich auch ergreifen können. Studien belegen seit Jahren, dass in Deutschland die das Elternhaus und damit die soziale Herkunft für den schulischen und den beruflichen Werdegang ausschlaggebend ist.
Solange uns Chancengerechtigkeit nicht gelingt, gilt leider was der Volksmund unter „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ subsumiert.
 
Sehr geehrte Frauen,
viele von Ihnen werden sicherlich diesen Cartoon kennen, der m.E. die Geschlossenheit der Chancengleichheit sehr anschaulich darstellt: „Zum Ziele einer gerechten Auslese lautet die Prüfungsaufgabe für Sie alle gleich: Klettern Sie auf den Baum!“ Da wird dem Elefanten, Affen, Pinguin, Flamingo, Hai und einem Goldfisch im Glas zwar die gleiche Aufgabe gestellt, und damit aber im Ergebnis nur die Un-gleichheit gefördert bzw. der Diskriminierung Vorschub geleistet.
In meiner langjährigen Berufstätigkeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass Eltern mit sog. MH eine sehr wohl hohe Bildungsmotivation mitbringen; dass es sehr wichtig ist Kinder aus sog. „bildungsfernen Haushalten“, zu ermutigen höhere Bildungsabschlüsse z.B. das Abitur zu machen und zu studieren. Das kann nicht oft genug gesagt werden.
Statistiken zeigen auf, dass auch bei vorliegender Hochschulzugangsvoraussetzung nur 50 Prozent der Kinder mit Abitur aus Nicht-Akademikerfamilien in Deutschland ein Studium ergreifen. Dieser Anteil ist bei Kindern mit MH um ein vielfaches geringer und ihr Weg dahin ungleich schwieriger:
 
• So bekommen EinserSchüler*innen die gymnasiale Empfehlung schichtunabhängig.
• Mit einem Notendurchschnitt von 2,0 erhalten 75%der niedrigsten Einkommens-und Bildungsgruppe die Empfehlung, bei der Oberschicht sind es 96,5%.
• Bei einem Durchschnitt von 2,5 sind es nur noch 19,5% aus der Unterschicht aber 70% der Oberschicht.
 
Diese Zahlen sprechen für sich!
 
In Berlin verlassen Schüler*innen mit MH die Schule doppelt so häufig ohne Abschluss wie Schüler ohne Migrationshintergrund. Und das obwohl sie nur rund ein Drittel der Gesamtschülerschaft stellen. Die Gesamtberliner Quote liegt bei acht Prozent, bei den Migranten sind es zwölf, bei den Deutschen sechs Prozent. (Senatsschulverwaltung 2015)
 
Sehr groß sind die Unterschiede zwischen den Bezirken: Die meisten Jugendlichen ohne Abschluss leben in Mitte (12,3%), gefolgt von Marzahn-Hellersdorf (12%) und Neukölln (10,8%).
Es ist ein Rückgang um 20% bei der Gesamtquote der Schulabbrecher*innen zu verzeichnen, in den Vorjahren lag dieser Wert bei rund zehn Prozent. Jedes Jahr münden Deutschlandweit knapp 300 Tsd. Jugendliche in das sog. Übergangssystem ein, das uns Geld, den Jugendlichen kostbare Lebenszeit und die restliche Motivation kostet, im Ergebnis jedoch kaum positive Effekte vorweisen kann.
Rund 46% dieser jungen Menschen hat einen sog. MH. Aus der Paxiserfahrung weiß ich, dass der Anteil von Frauen mit türk. MH erheblich ist, er wird jedoch nicht erfasst.
 
40,4 % der Jugendlichen verließen die Schule mit dem Abitur, 34% mit Mittlerem Schulabschluss, der Rest (18%) mit einfacher oder erweiterter Berufsbildungsreife.
Alljährlich gibt es die gleichen Diskussionen sobald diese Zahlen veröffentlicht werden. Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, warum wir es immer noch nicht, nach fast 60 Jahren Einwanderung schaffen, unsere Schulen so aufzustellen, dass diese Bildungsinstitution soziale Ungleichheit ausgleicht. Statt defizitär auf einzelne Gruppen zu schauen und Zuschreibungen vorzunehmen müssen wir dahin kommen uns die Frage zu stellen, wer braucht was um erfolgreich im Bildungssystem zu bestehen und wie kann Schule das gewährleisten. Bis dato ist unser Bildungssystem auf die durchschnittliche Mittelschichtsfamilie orientiert, mit einer max. teilzeitbeschäftigten Mutter, die mit dem Kind lernt und Lücken schließt, Kuchen backt für Schulfeste und sich darüber hinaus gerne und motiviertund ehrenamtlich in den Gremien einbringt. Ich weiß wovon ich spreche, einige Jahre habe ich damit verbracht. Kinder ohne diese Ressource im Elternhaus sind auf sich gestellt und damit u.U. bereits abgehängt.
 
Diskriminierung und Un“gleich“behandlung zieht sich durch alle Stationen der schulischen -aber auch beruflichen Bildung.
 
Seit 1993 bin ich immer wieder unter der Fragestellung „Was brauchen Sie um mehr Bewerber*innen mit sog. MH auszubilden?“im Dialog mit Ausbildungsbetrieben. Dabei zeigt sich, auch wenn jetzt vergleichsweise mehr Jugendliche mit z.T. guten bis sehr guten Schulabschlüssen die Schule verlassen, dass sich dieser Bildungserfolg nicht in gleichem Maße auf ihren Anteil beispw. in der dualen Ausbildung niederschlägt.
 
Das gilt in besonderem Maße für Frauen, die häufiger als die männlichen Jugendlichen einen höheren Schulabschluss erlangen, bessere Leistungen erbringen und trotzdem seltener in betrieblicher Ausbildung einmünden. Sie sind häufiger in schulischen Ausbildungsgängen, die nicht vergütet werden und eher geringere Chancen bieten anschließend nahtlos in eine Tätigkeit im erlernten Beruf überzugehen.
 
Oft sind das Berufsbilder mit einer geringen Entlohnung und kaum Aufstiegschancen, was sich hinterher als Falle für die jungen Frauen herausstellt sobald sie Beruf und Familie unter einen Hut bekommen müssen. Das gilt für alle Frauen, jedoch sind jene mit sog. MH neben der Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt, auch aufgrund ihrer Herkunft und sozialen Lage mehrfach von Diskriminierung betroffen.
 
Auch heute im Jahr 2016 sind die Berufs- und Lebenschancen von Frauen und Männern ungleich verteilt. Das ist trotz des erheblichen Anstiegs des Bildungs- und Qualifikationsniveaus, einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie gesetzlich verankerten Regelungen zur Gleichstellung der Geschlechter nach wie vor der Fall.
 
So erfahren Junge Frauen mit MH die größten Benachteiligungen auf dem Ausbildungsmarkt. Sie haben – wie junge Frauen ohne MH auch – bessere Schulabschlüsse als männliche Jugendliche.
Obwohl der Übergangserfolg allgemein stark von der schulischen Qualifikation abhängt, erreichen diese jungen Frauen sehr viel seltener den Einstieg in eine betriebliche Berufsausbildung als junge Männer mit MH und schlechteren Schulabschlüssen.
 
Mit Abstand am erfolgreichsten sind junge Männer deutscher Herkunft. Gesellschaftliche und familiäre Geschlechtsrollenstereoptypen, die die jungen Frauen schon auf ihrem schulischen Bildungsweg behindern, haben noch einmal einen negativ verstärkenden Einfluss bei der Berufswahl und bei der Einmündung in das Ausbildungssystem. Betriebliche Ausbildung findet zum großen Teil in Branchen statt, die nicht zum Spektrum der von Frauen häufig gewählten Berufe gehören. Junge Frauen bekommen einen Ausbildungsplatz nicht, weil sie Frauen oder auch Mütter sind bzw. werden können. Oder sie bemühen sich nicht um eine Ausbildung, weil sie annehmen, dass sie keinen Erfolg haben werden. Die geschlechtsspezifisch segmentierten Strukturen im dualen Ausbildungssystem verringern die Chancen der Frauen beträchtlich.
 
Viele Studien stellen fest, dass junge Menschen mit MH geringere Chancen auf eine qualifizierende Berufsausbildung, auf ein Abitur oder den Besuch einer Hochschule haben, das ist nicht mit den Kategorien der ethnischen Herkunft erklärbar. Es ist vor allem der sozioökonomische Status der Eltern, der den Erfolg der Jugendlichen im Bildungssystem beeinflusst. Das gilt allerdings nicht für Jugendliche mit türkischen und italienischen MH.
 
Dennoch erklärt das nicht ausreichend die Diskrepanz beim Übergangserfolg in die Berufsausbildung zwischen Jugendlichen mit und ohne MH. Weitere Faktoren liegen im Selektionsprozess der Betriebe bei der Vergabe der Ausbildungsplätze. Dabei ist die Haltung und Einstellung der sog. Gatekeeper entscheidend. In großen Unternehmen werden standardisierte Verfahren und i.d.R. gut geschultes Personal eingesetzt. Gerade in Kleinen und Mittleren Betrieben fehlen hierfür die Ressourcen, so dass hier z.B. Vorurteile zum ausschließenden Faktor werden können.
 
Der gesellschaftliche Diskurs mit negativen Zuschreibungen und einer defizitären Wahrnehmung von Migranten hat einen erheblichen Einfluss im Auswahlverfahren in Unternehmen. Sie kommen seltener in die Situation ihr gegenüber von ihren Fähigkeiten und Kompetenzen zu überzeugen, da sie es trotz erheblicher Bewerbungsbemühungen seltener in ein Vorstellungsgespräch schaffen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie z.B. nur aufgrund ihrer Zweisprachigkeit eingestellt wurden um neue Kunden zu gewinnen und am Ende die Ausbildung als Jahrgangsbeste abgeschlossen haben. Sie konnten also von ihren Kompetenzen und Fähigkeiten überzeugen, wenn sie die Chance erhalten haben. Dann spielen Zeugnisse und Schulleistungen eine eher nachrangige Rolle.
 
In der Integrationspolitik in Deutschland galt lange das Mantra Integration beginnt mit dem Spracherwerb, darauf folgt eine solide schulische oder berufliche Ausbildung, dann in einen (hoch-)qualifizierten Job endet. Quasi als Selbstläufer, der am Ende zur gesellschaftlichen Teilhabe führt. Auch wenn das gelingt, bedeutet es nicht, dass sozialer Aufstieg zur gesellschaftlichen Akzeptanz führt. So verlassen zunehmend mehr (Hoch-)Qualifizierte Deutschland und versuchen im englischsprachigen Raum, der traditionell auf Einwanderung eingestellt ist, ihr Glück. Interessant dabei ist die hohe Mobilitätsbereit-schaft gerade der jungen Frauen mit MH.
 
Der Anteil der Studierenden mit türk. MH an den Hochschulen hat sich in den letzten Jahren verdoppelt und liegt nunmehr bei 8,4%. Diese und andere positive Entwicklungen wie die Steigerung des Anteils junger Frauen an der Ausbildung, die Zunahme bei den erworbenen Schulabschlüssen gehen sind nicht Erfolge der Integrationspolitik, die die letzten 50 Jahre verschlafen hat, sondern individuelle Erfolge und die Unterstützung aus den Communities, Lehrer*innen, Nachbarn und nicht zuletzt der Eltern.
 
Der Anteil der Kinder mit MH beträgt in Großstädten bei unter 6-Jährigen bis zu 40%. Es ist Zeit soziale Probleme nicht mehr zu ethnisieren oder auf die vermeintliche Kultur und Religion abzuwälzen. Es ist Zeit die Realitäten eines Einwanderungslandes zu akzeptieren und die Systeme darauf auszurichten. Marginalisierung und Ausgrenzung haben soziale Ursachen, so müssen auch die Lösungen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ansetzen:
Berlin ist die Hauptstadt der Kinderarmut. Viele Kinder werden täglich von der Berliner Tafel ernährt, gerade Familien im Alg-II-Bezug und Alleinerziehende (150.000) sind davon massiv betroffen. Zwar ist in den letzten Jahren die Erwerbslosigkeit in Berlin zurückgegangen, aber die Zahl der Langzeitarbeitslosen und –leistungsbezieher*innen ist immer noch zu hoch. Hier brauchen wir qualifizierende Maßnahmen, die eine bessere Beschäftigungsfähigkeit von Langzeiterwerbslosen herstellen und sie in den ersten Arbeitsmarkt integrieren.
 
• Wir brauchen mehr Betreuungsmöglichkeiten, damit gerade für Alleinerziehende die Vereinbarkeitsfrage gelöst werden kann und Kinder aus armen Familien eine gute Versorgung und Förderung von Anfang an bekommen.
• Wir brauchen Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Berufsrückkehrer*innen und Alleinerziehende damit der Wiedereinstieg gelingen kann.
• Wir brauchen mehr Teilzeitausbildungsplätze und Führungsstellen in Teilzeit.
• Wir brauchen mehr Ausbildungsbetriebe. Hier müssen wir einerseits die Betriebe in die Verantwortung nehmen und sie andererseits dabei unterstützen.
• Wir brauchen eine Ausbildungsinitiative für Geflüchtete, denn nur mit einer Teilhabe am Arbeitsmarkt wird die gesellschaftliche Integration gelingen.
• Der Öffentliche Dienst (Hauptverwaltung und Bezirke) muss wieder deutlich mehr ausbilden und dabei die Berliner Vielfalt unter den Auszubildenden und den Beschäftigten abbilden.
 
Dabei müssen wir auch immer die Frauen fest im Blick haben. Denn Armut ist weltweit zu 70% weiblich. Trotz partieller Fortschritte ist die Arbeitswelt weiterhin auf die männliche Lebensführung ausgerichtet. Vor allem Alleinerziehende Frauen sind nicht nur heute, sondern auch im Alter auf Grund ihrer von atypischer Beschäftigung geprägten Erwerbsbiographie von Altersarmut betroffen. Dieser Umstand sollte angefangen von der schulischen und beruflichen Bildung und in den späteren Erwerbsverläufen im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf den reellen Bedarfen von Frauen umstrukturiert werden.
 
Wir sollten Kinder nicht auf ihre Migrationsgeschichte reduzieren, sondern ihnen den Weg an die Bildungsspitze eröffnen und mehr Lehrer*innen mit Migrationshintergrund an die Schulen bringen. Alle Lehrkräfte sollen für den Umgang mit Vielfalt ausgebildet werden. Mehrsprachigkeit müssen wir als Chance sehen. Willkommensklassen für geflüchtete Kinder dürfen nur eine erste Ankommensstation vor dem Wechsel in die Regelklassen sein. Wir brauchen zudem eine geschlechtersensible Erziehung, die traditionelle Rollenbilder hinterfragt und allen Kindern und Jugendlichen neue Chancen eröffnet. Für Diskriminierung darf an Berlins Schulen kein Platz sein.
 
Wir erwarten aber, auch im Hinblick darauf, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und die Zahl der Geflüchteten im letzten Jahr enorm gestiegen ist, dass die Gesellschaft und insbesondere die Institutionen sich endlich darauf einstellen müssen.
 
Wie sieht es um die Chancen und Rechte aus? Frauen mit Kopftuch in der Schule?

Wovor haben wir so große Angst, dass wir es nur durch ein Kopftuchverbot aufhalten können?
Was manifestiert sich im Kopftuch, welche Ängste und Stereotypen? Welche Ideologien / verfassungswidrigen Haltungen und Einstellungen haben Lehrer*innen insgesamt an Schulen?
Was unternehmen wir gegen Lehrer*innen, die Schüler*innen mit ihren rechten Ideologien indoktrinieren? Schüler*innen wegen ihrer Herkunft diskriminieren? Wie sieht es mit Richter*innen aus? Bei der Polizei? In der Politik? AFD
• Und wenn wir weiter schauen, uns nicht Minderheiten betrachten, sondern den Blick
erweitern auf Frauen mit Migrationshintergrund – die mehrheitlich kein Kopftuch tragen?
• Diskriminierung allgemein, geht auch ohne Kopftuch
• Dann sehen wir, dass Diskriminierung allgemein, auch bei Frauen ohne Kopftuch eine Realität im Alltag der Frauen ist.

Die Generation der Mütter hat lange Jahre in der Industrie und vielen anderen Branchen gearbeitet, nun sind sie mit vergleichsweise sehr geringen Renten im Ruhestand und haben erhebliche gesundheitliche Probleme. Pflege wird zunehmend mehr ein relevantes Thema, das in weiten Teilen von Töchtern und Schwiegertöchtern unter Zuhilfenahme von zumeist ambulanten Pflegediensten in der Familie aufgefangen wird. Diese Pflegenden Angehörigen werden im Alter selbst erheblich von Altersarmut betroffen sein, wenn wir heute keine Qualifizierungsangebote für diese Frauen auflegen. Erste Ansätze haben wir in Berlin mit dem Modellprojekt „Brückenbauer*innen“ geschaffen, das sollte in die Regelstrukturen implementiert werden.
Gerade im Bereich der Pflege stecken für Migrant*innen viele Potenziale in Bezug auf eine Ausbildung und Beschäftigung, die m.E. nicht im erforderlichen Maße angegangen werden.
• Wir brauchen mehr Frauen in der Politik, gerade Frauen mit sog. MH. In einer Zeit, die gerade für uns Frauen mit der Erstarkung rechter und frauenfeindlicher Parteien so bedrohlich ist, dass viele Errungenschaften gefährdet sind, wenn wir nicht darüber wachen müssen wir Frauen über alle Grenzen hinweg uns solidarisch verbünden.
 
Liebe Frauen, lasst uns Banden bilden!
 
Vielen Dank für Ihr Interesse.

Veröffentlicht auf der Homepage der Evangelischen Akademie zu Berlin www.eaberlin.de
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