Frauenmahl am 13.06.2014
Liebe Schwestern,
„Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“ (Psalm 91, 1.2)
Diese Losung wurde mir in die Wiege gelegt. Es ist die Tageslosung meines Geburtstages. Lange kannte ich sie gar nicht. Erst vor einigen Jahren, als ich in Herrnhut zu Besuch war, bekam ich sie geschenkt – schwarz auf weiß sozusagen. Ich dachte und fühlte: Ja klar. Stimmt für mich, für mein Leben, für meine Zuversicht, für mein Gottvertrauen.
Vielleicht geht es Ihnen ja auch oft so. Da gibt es so eine Grundstimmung, die immer wieder durchkommt. Mit fortschreitendem Alter immer besser erkennbar. Manche von uns mögen es wie ihre ganz eigene Lebensmelodie empfinden, andere für ein Farbenspiel, das immer wieder erscheint und nicht wenige als ein Grundgefühl, welches immer wieder, besonders in schwierigen Situationen, hervortritt. Bei mir ist es so etwas wie Zuversicht. Kein blinder Optimismus, sondern eine zuverlässige Gewissheit, am Ende ist eben Licht und nicht Dunkelheit. Das gilt nicht nur für das Leben an sich, sondern für viele kleine Ereignisse.
In der Vorbereitung auf diese kleine Rede ist mir klar geworden, dass das, neben Methodenkompetenz und Fachwissen für mich die dritte Kraft ist, auf die ich mich seit vielen Jahren in der Politik stütze. Daher kann ich für mich sagen, Politik und Glaube, das passt, das gehört für mich zusammen.
Ist das überraschend bei einer Sozialdemokratin? Na, jedenfalls nicht so selbstverständlich wie bei einer Christdemokratin vermutlich. Schon ein Blick auf die 150-jährige Geschichte der Sozialdemokratie zeigt, dass Kirche und Sozis aus kämpferischem Abstand erst im Laufe der Jahrzehnte zusammengefunden haben. Anlässlich des Katholikentages in Regensburg ist gerade ein Buch erschienen mit dem Titel: SPD und Kirche. Von Gegnerschaft zu Gemeinsamkeiten. Meine Erachtens haben dabei viele mit Zuversicht und Gottvertrauen geholfen.
Helmut Schmidt hat mal erklärt, mit der Bergpredigt könne man keine Politik machen, aber vielleicht in ihrem Geist. Das denke ich auch. Und mit mir viele. Als Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit und Soziales bin ich für zwei große Gruppen unserer Gesellschaft zuständig: Für Ältere und für Menschen mit Behinderungen. Sicher brauchen beide je nach persönlicher Situation Schutz und Hilfe, aber ebenso wichtig ist es, dass wir ihre Rechte, angefangen bei den Menschenrechten, achten und sichern. Wenn Inklusion gelingen soll, dann ist das nicht nur eine Veränderung für Menschen mit Handicaps, für uns alle wird sich viel ändern. Mein Bild einer inklusiven Gesellschaft ist eines, das menschlicher ist, mit einem respektvolleren Umgang untereinander und Achtung von Vielfalt. Es ist Zeit, dass wir damit beginnen! Ich bin, sie werden jetzt nicht überrascht sein, ZUVERSICHTLICH!
Meine Zuversicht stützt sich dabei nicht nur auf „mein“ Gottvertrauen. Wir sind viele. Viele, die den Wert eines Menschen nicht auf sein Erwerbspotenzial in Euro reduzieren, viele, die den Sinn des Lebens nicht auf Karriere und Aufstieg beschränken, sondern einen umfassenderen Anspruch an ihr Leben haben. Ihr Menschenbild ist oft ein christliches oder fußt auf einer anderen Religion.
Wir sind viele. Und einige, besonders jene, die unter Ausgrenzung leiden, sind ungeduldig. Ich verstehe das. Und deshalb möchte ich mit meiner kleinen Tischrede Mut machen, nicht zu gemächlich zu werden, nicht die Bedenken so hoch zu stapeln, dass das gute Ziel aus dem Blick gerät: Eine menschliche Gesellschaft.
Übrigens – zu menschlicher Gesellschaft noch eine kleine sozialdemokratische Anmerkung: In unserem Grundsatzprogramm heißt es, „wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“. Das ist doch ein weiteres gutes Stichwort für das heutige Frauenmahl.
Nun habe ich mich gar nicht zum Thema Essen und Gemeinschaft geäußert. Darüber zu sprechen, wäre eine weitere Rede – aber nicht mehr meine.
Sicher ist sie kein Zufall, die Losung für den heutigen Tag mit der ich schließen möchte:
„Bewahre mich, Gott; denn ich traue auf dich.“ Psalm 16,1