Gabriele Zull – Kultur- und Sozialbürgermeisterin, Göppingen

Göppingen, 13.04.2013

Liebe Frau Janz-Spaeth, liebe Frau Lindner, liebe Frauen,

„Willst du eine Rede hören, dann wende dich an einen Mann, willst du Taten sehen, dann geh zu einer Frau.“

Dieser Satz stammt von der gerade verstorbenen Margarete Thatcher, die im Nachruf einer großen Tageszeitung als „vergöttert und gehasst“ tituliert wird.

Ich würde es so sagen: „Willst du beides haben – Reden und Taten -, dann geh zum Göppinger Frauenmahl.“

Die heute Abend gestellten Fragen sind große Fragen für 7 Minuten. 5 Gedanken hierzu – teils politisch, teils sehr persönlich:

1.    Frauen sind stark!

Was zeichnet uns Frauen aus in dieser Gesellschaft der Umbrüche?

Frauen sind stark – stark im sozialen Umgang mit anderen Menschen,  stark in ihrem Gerechtigkeitsempfinden und stark im Einsatz für Schwächere.

Frauen haben oft eine hervorragende Ausbildung, eine hohe Motivation und Verbindlichkeit in ihrem Tun und Handeln und klare Zukunftsvorstellungen. Dennoch sind sie in Entscheidungsfunktionen weit in der Unterzahl.

Deutschland befand sich im Internationalen Vergleich, was Frauen in Vorstandspositionen betrifft, im Jahr 2010 hinter Russland, China und Brasilien.

Frau Thatcher hat recht, Frauen TUN unheimlich viel in unserer Gesellschaft, ohne sie ginge nichts. Ohne sie würde beispielsweise unser gesamter Kindergarten-, Grundschul- und Pflegebereich zusammenbrechen. Frauen tragen dort sehr viel Verantwortung für unsere Gesellschaft, nur werden sie leider nicht entsprechend bezahlt.

Unwahrscheinlich viele Frauen sind ehrenamtlich engagiert – gerade im Bereich der Kirchen. Sie bringen sich mit großem Engagement zusätzlich zu all dem, was sie tagtäglich an Verpflichtungen haben, in unsere Gesellschaft ein. Ohne ihren Einsatz wäre vieles in unserer Stadt nicht möglich und unsere Gesellschaft wäre um vieles ärmer.

Sie müssten das nicht, aber schon Hermann Gmeiner wusste: „Alles Große in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er muss.

2.    Mut zum „Mitmischen“

Frauen gehören selten zur Spezies „Veni, vidi, vici – ich kam, sah und siegte.“ Sie stellen ihre Stärken meist ungern selbst dar. Umso mehr wünsche ich mir Unterstützung für alle Frauen und Mädchen, die Verantwortung für diese Gesellschaft übernehmen wollen – egal in welchem Alter, mit welchem sozialen oder kulturellen Hintergrund und an welcher Stelle.

Das Motto unseres Jugendgemeinderates heißt „Misch mit“. Auch Frauen sollten überall dort, wo sie gerade sind – egal ob im Beruf, im Kindergarten, in der Schule oder in einem Ehrenamt – mitmischen und sich einmischen. Veränderung kann man nur dort wirklich einfordern, wo man auch bereit ist, selbst daran mitzuwirken.

Deshalb wünsche ich mir auch in der Kommunalpolitik, die die Bürgerinnen  und Bürger unserer Stadt oft unmittelbarer und direkter betrifft als die Landes- oder Bundespolitik, noch mehr Frauen – vor allem auch in den männerdominierten Parteien. Nächstes Jahr besteht hierfür wieder die Chance, wenn ein neuer Gemeinderat und Kreistag gewählt wird. Dabei wird gerade auch eine Aufwandsentschädigung für Kinderbetreuung während der Sitzungstermine diskutiert.

3.    Leben in Fülle

Was gehört nun zu einem „Leben in Fülle“ für Frauen? Ganz sicher die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten und Talente mit den gleichen Chancen wie Männer in unsere Gesellschaft einbringen und leben zu können.

Und wie schaffen wir das?

Es ist unsere Aufgabe in der Politik, durch hohe Qualität im Bildungsbereich  gleiche Chancen zu schaffen und in jeder Altersstufe gute Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung zu ermöglichen. Eine intensive Sprachförderung bereits von kleinsten Kindesbeinen an ist extrem wichtig.

Beim Girls Day in zwei Wochen werden Mädchen mit typischen Männerberufen vertraut gemacht – die Berufswahl soll auf individuellen Fähigkeiten und Interessen und nicht auf Rollenbildern basieren.

In den Jugendtreffs werden spezielle Angebote für Mädchen gemacht, die deren Persönlichkeit und Selbstwertgefühl stärken und die Stelle der Straßensozialarbeit wurde bewusst paritätisch mit einer Frau  und einem Mann besetzt.

Auch die Förderung und gelebte Integration von Frauen mit Migrationshintergrund ist wichtig: Göppingen wurde als einer der ersten Orte als „Ort der Vielfalt“ ausgezeichnet – Wir sehen Vielfalt als Chance!  An den KiTas werden Deutschkurse für Migrantinnen angeboten, in denen auch Themen wie Erziehung, Gesundheit oder Politik behandelt werden. Die Stadtbibliothek hat eine Schreibwerkstatt speziell für Frauen mit Migrationshintergrund durchgeführt, deren Werke in der Kulturnacht vorgestellt werden.

Und schließlich geht es natürlich um das große Schlagwort unserer Zeit, die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das bedeutet konkret bedarfsgerechte und vielfältige Kinderbetreuungsangebote in KiTa und Schule, flexible Arbeitszeitmodelle für Frauen  und Männer, Fortbildungen und Kontakt zum Arbeitgeber auch während der Elternzeit und vieles mehr.

Diese Liste ließe sich unendlich erweitern, aber dann wäre ich auch unendlich über meinen 7 Minuten Zeit.

Ich wünsche mir, dass auch und gerade die Kirchen und Glaubensgemeinschaften in unserer Stadt zu all den genannten Themen mitten in unserem Alltag ihre Stimme erheben und wir so gemeinsam an einem Strang ziehen. Menschen brauchen Klarheit statt Beliebigkeit. In einer Welt, in der sich Meinungen – übrigens auch und gerade in der Politik – oft wie das Fähnchen im Wind drehen, ist es umso wichtiger, dass die Kirche klar vermittelt, wofür sie steht.

4.    Echte Chancengleichheit

Dafür, dass es Frauen wirklich gelingt, Verantwortung in der Familie und im Beruf zu übernehmen, ist aus meiner Sicht auch noch ein starkes Umdenken in unserer ganzen Gesellschaft nötig. Eine „voll berufstätige“ Mutter ist keine Rabenmutter und der nicht „voll berufstätige“ Vater kein Weichei, wie dies immer noch oft – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – gedacht wird. Unserem Sohn tut der präsente Vater jedenfalls sehr gut. Und wenn die Mama dann wie heute Morgen 5 Stunden mit zum Fussballturnier geht und – unter vielen Männern – zuschaut, findet er das auch klasse.

Warum gibt es denn nur 5 % Frauen unter den Bürgermeistern?

Wenn Sie mich fragen, auch deshalb, weil es wenig Männer gibt, die bereit sind, solche Frauen praktisch zu unterstützen und zwar nicht nur durch 2 Monate Elternzeit sondern mit jahrelangem echten Zeiteinsatz für die Familie und die Kinder.

Und solange manche Arbeitgeber flexible Arbeitszeitmodelle und Teilzeitarbeit nur für Frauen denken und Männer bei solchen Wünschen um die Karriere oder sogar um den Arbeitsplatz fürchten müssen, sind wir noch lange nicht am Ziel.

5.    Chancen sehen und ermutigen!

Manchmal haben Frauen Tendenzen, eher das „Aber“ und die möglichen Hindernisse auf dem Weg zu sehen. Bei meiner Bewerbung um das Amt des 1. Bürgermeisters sagten mir vor allem Frauen, was schwierig sein wird und wo es Steine auf dem Weg geben könnte. Viele Männer meinten einfach, mach das – du kannst das!

Rein nach dem Erfahrungswert hatten die Frauen ja Recht – bisher hatte es noch keine Frau auf dem Posten gegeben. Aber warum sollte es nicht ein erstes Mal geben?

Mach das, du kannst das! Unser Ziel sollte es sein, andere Frauen zu ermutigen und zu unterstützen, ihren Träumen nachzugehen und diese auch tatsächlich zu leben.

„Denn wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“ (Henry Ford). Wagen wir einmal mehr und gehen wir Wege, die vor uns vielleicht noch niemand oder nicht viele gegangen sind.

Und wie sagte David richtig in Psalm 37,5: „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“ Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen allen auf Ihren ganz individuellen Wegen durch das Leben!

Herzlichen Dank an Frau Janz-Spaeth und das Team der vier verantwortlichen Organisationen, dass Sie dieses Frauenmahl in unserer schönen Stadtkirche ermöglicht haben, und Ihnen allen vielen Dank, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben.

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