Gisela Kalbitzer

Hannover-Bothfeld, 25.10.2013

Emmy Danckwerts 

Emilie Antoinette Luise Eleonore Danckwerts – kurz –
Emmy Danckwerts stammt aus einer Pastorenfamilie.

Sie wurde am 27.Februar 1812 (vor 200 Jahren) in Müden an der Aller geboren und wuchs mit acht Geschwistern auf.

Nach dem Tod des Vaters blieb ihr, wie vielen Zeitgenossinnen, nur das Los,
sich bei Verwandten als Gehilfin zu verdingen, während ihre Brüder studierten.
Sie litt unter ihrer „dürftigen“ Lage.   

In der Zeit bis 1845 war ihr das lutherische Bekenntnis wesentlich geworden und die Zugehörigkeit zur Lutherischen Kirche hatte für sie große Bedeutung erlangt.

1845 hörte sie vom wenige Jahre zuvor gegründeten Diakonissenhaus in Kaiserswerth und ist fasziniert von diesem Weg der evangelischen Sozialarbeit.
Ihr Entschluss nach Bethanien in Berlin zu gehen erscheint auffallend spontan.

Berlin steht noch immer unter dem Einfluss der Märzrevolution,
als Emmy Danckwerts  am 06.Oktober 1848 in Bethanien eintrifft.

Die Ankunft bringt ihr zunächst eine große Enttäuschung:
Man hatte ihr geschrieben,
dass ihr der Religionsunterricht für die Kinder  anvertraut werden würde.
Das hätte sie gern getan.

Aber nun hat man andere Pläne mit ihr.

Sie ist heftig erschrocken, dass sie Apothekerin werden soll.

Sie hält sich selbst gar nicht für fähig, sich die erforderlichen Kenntnisse anzueignen.
Sie zögert mit ihrer Zustimmung und
schließlich überlässt sie sich dem Leiten Gottes.

Gemeinsam mit ihrer jüngeren Mitschwester Aurelie von Platen soll sie auf das reguläre Apothekerexamen vorbereitet werden.

Der leitende Pastor Schulz hat zu diesem Zweck einen Verwandten engagiert,
der sich bislang bei schlechter Bezahlung durch die schwierige  Revolutionszeit gebracht hatte.

Es ist Theodor Fontane.

Dieser ist zwar seinen politischen und literarischen Fähigkeiten mehr zugetan als dem Apothekerberuf und hätte anfänglich Bedenken in einem Diakonissenhaus könne von ihm das „Singen in einem höherem Ton“ verlangt werden.

Dann aber gestaltet sich alles bestens.

Der ungewöhnliche Unterricht ist denkbar gut geeignet, Emmy über den anfänglichen Schock hinweg zu helfen.
Am 22. November 1849 bestehen beide Schwestern vor einer außerordentlichen Prüfungskommission ihr pharmazeutisches Examen, wobei Emmy geradezu das Erstaunen der Examinatoren erregt.

Fontane schreibt unter anderem über  Emmy Danckwerts:
„Es war eine ganz ausgezeichnete Dame, klug, treu, zuverlässig,
ein Typus jener wundervollen Mischung von Charakterfestigkeit und Güte.
Durchdrungen von der Pflicht der Unterordnung  war sie zugleich frei selbst dem gefürchteten Schulz, den sie gewöhnlich Konrad von Marburg nannten,
bezeigte sich voll Mut, immer wissend, wie weit auch ihr ein Recht zur Seite stünde.
Dabei ganz Hannoveranerin, mit allen Vorzügen, freilich auch mit bestimmten kleinen Schwächen.

Unter vielen klugen und charaktervollen Damen, die das Glück ich gehabt habe kennenzulernen, steht sie mit in der ersten Reihe.
Während ich den Lehrer spielen sollte, habe ich viel im Umgang mit den Menschen gelernt. Sie war hervorragend.“

Am 10.Oktober 1849, mit 37 Jahren, wird Emmy Danckwerts als Diakonisse eingesegnet.

Sie hat nicht lange die Leitung der Anstaltsapotheke inne.

Die Oberin stellt sie in der  Krankenpflege auf der Männerstation an.

Von Jan. bis Okt. 1853 wird sie zur Leitung der Frauen- und Kinderabteilung des städtischen Krankenhauses nach Potsdam ausgesandt.

Anschließend kehrt sie noch einmal auf die Männerstation und in die Apotheke des Mutterhauses zurück.

Das ist bis jetzt schon ziemlich viel Bewegung in ihrem Leben.

Erst das Jahr 1855 bringt ihr eine längerfristige Tätigkeit.

In einem Schlösschen in Erdmannsdorf in Schlesien war notdürftig mit Spendenmitteln ein Krankenhaus gegründet worden, dessen Leiterin Emmy wird.

Dort ist die Anfangszeit sehr schwierig und die Zustände schlimm.

Die Matratzen sind schmutzig und völlig unbrauchbar.
Kinderbetten fehlen ganz, dabei sollen gerade Kinder aufgenommen werden.

Da leistet die  Fürstin Reuss eine große Hilfe.
Und auch das preußische Königspaar.
Emmy schreibt:
„ Ich werde nie vergessen, mit welche inniger Freundlichkeit sich der König bei einem Besuch nach dem Ergehen der einzelnen Kranken erkundigte.
Er leerte mehrmals seine goldgefüllten Hände.“

Erst langsam bessert sich die Lage des Krankenhauses.
Als 1859 in Hannover das Komitee des neu gegründeten Henriettenstiftes über die Besetzung des Amtes der Oberin beriet, lenkte Emmys Bruder Carl , der zu diesem Zeitpunkt Hilfspredigerpastor an der Kreuzkirche ist, den Blick auf seine Schwester.

Der damalige Hofprediger Gerhard Uhlhorn, der die Gründung der Stiftung verantwortlich betreibt, holt daraufhin Erkundungen in Bethanien ein.

Am 20.Oktober verlässt Emmy Erdmannsdorf.
Die Aussicht nach Hannover zurückzukehren ist in mehrfacher  Hinsicht eine Freude für die zukünftige Oberin.

„Die Rückkehr in mein geliebtes Hannover war stets das Ziel meiner Wünsche“,
schreibt sie in diesen Tagen an Königin Marie.

Am 04.November wird sie in Herrenhausen dem Königspaar und dem Komitee vorgestellt.

Am 01.Januar 1860 kommt endlich die Nachricht, dass das Jägersche Haus an der Wilhelmstraße als künftiges Anstaltsgebäude  gefunden sei.

In den Monaten Februar und März reist  Emmy Danckwerts per Eisenbahn und Postkutsche durch Deutschland bis in die Schweiz und Frankreich.
Im Winter sind ihre Stationen auch Kaiserswerth, Köln, Göttingen, Stuttgart, Darmstadt und Straßburg.
Sie geht über  Konfessionsgrenzen hinweg und besucht auch katholische Einrichtungen.

Sie ist nicht von allen Häusern gleichermaßen beeindruckt.
So sieht sie, wie sich Schwestern in einem Krankenhaus rar machen und die Arbeit an Patienten Stubenmädchen überlassen.

Für die Henriettenstiftung entscheidet sie sich in eigener Verantwortung für die Leitungsmodell von Haus Bethanien in Berlin.
An der Spitze die Oberin, als Berater der Pastor.

Bei ihrem Amtsantritt erfreut sich Emmy Danckwerts noch einer robusten Gesundtheit.

Das Henriettenstift ist das erste Diakonissenhaus des königreichs Hannovers.

Für Spenden muss mühsam geworben und die Öffentlichkeit erst mit der Diakoniesache bekannt gemacht  werden.
Es gibt auch grundsätzliche Vorbehalte gegen die Gründung einer solchen Anstalt.

Am 27. Juni 1860 wird das Haus in der Wilhelmstraße feierlich mit einem Festgottesdienst eingeweiht.

Die Leitung der Oberin in dieser schweren Anfangszeit würdigt später der Verfasser des 5.Jahresberichtes.
Wie zuvor Fontane charakterisiert er Emmy Danckwerts  als unbeirrbar entschieden: “ Ihr dankt das Haus eine sichere Gründung und feste Ordnung.
Sie hat ihm von Anfang an ein bestimmtes Gepräge aufgedrückt.
…denn das gehörte zu den Grundzügen ihres Wesens,…
…was sie that ganz zu thun, mit raschem Entschluss und voller Entschiedenheit.
Wankelmuth und Schwanken kannte sie nicht.“

Mit klarem Blick die Verhältnisse überschauend, ruhig abwägend, ersah sie sich ihren Weg und ging ihn unbekümmert um das Gerede der Menschen.
Die Gabe des Regierens eignete ihr in seltenem Maße und wenn sie nach außen oft schroff erschien, so wusste doch jeder, dass dahinter ein Herz voller Liebe zu finden war.

In den ersten Jahren konnten in dem Haus in der Wihelmstrasse insgesamt 74 Kranke gepflegt werden.

Um die anfänglich leeren Betten zu füllen, errichtete man ein „Abonnement für Dienstboten“. Eine Krankenversicherung bei der die Herrschaften bei der bei der Anstalt einzahlten und die dann bei Bedarf kostenlos die Krankenversorgung übernahm.

Aber schon nach kurzer Zeit wurde erkennbar, dass das Haus den pflegerischen Anforderungen nicht lange gewachsen sein würde.

An ihrem Geburtstag, dem 14.April 1861 legte Königin Marie den Grundstein des Anstaltsgebäudes am Misburger Damm, heute Marienstraße.

Während der zweijährigen Bauzeit zehrte die Arbeitsüberlastung an Emmy.

Kaum ist da Haus in der Wilhelmstraße hergerichtet, steigt die Zahl der Patienten, die Zahl der Arbeitskräfte reicht aber kaum aus.

Die Last der Begleitung des Neubaus und was noch dazu kommt fordern die ganze Kraft der Oberin.

Sie hat auch noch mit anderen Widrigkeiten zu kämpfen.  Und sie kämpft.
Aber ihre Konstitution leidet.

Im Sommer 1862 muss sie eine Badekur in Bad Lippspringe antreten, von der sie aber nicht wesentlich gebessert nach Hannover zurückkehrt.

Sie ist erst 50 Jahre, sie hat so viel bewegt, sie hat sich an große Aufgaben herangetraut und sie war auch noch mutig.
Wobei ihr der Glaube ein Rückhalt ist und war.

Aber jetzt trägt sie sich mit Todesgedanken.

Im Oktober 1863 wird das neue Haus eingeweiht.
Emmy Danckwerts muss noch viele kräftezehrende Auseinandersetzungen und ständige Überbeanspruchungen von allen Seiten  überstehen.

Seit 1864 ist es ihr unmöglich Treppen zu steigen. Und das mit 52 Jahren.

Am Sonntag Lätare, dem 26.März 1865 übergibt sie die Leitung des Hauses an Schwester Anna Focke.
Mit ihr hatte sie die letzte Zeit die Aufgaben der Oberin vom Bett aus wahrgenommen.

Schwere Kämpfe liegen noch vor ihr,
doch der Herr hat vor innerer Anfechtung bewahrt und sie reichlich durch Wort und Sakrament, das sie noch oft auf ihrem Krankenbett feiert, getröstet.

Am 12.April 1865, am Mittwoch der stillen Woche, stirbt Emmy Danckwerts.

                                                     

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