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Gleichberechtigung

Mehrheit der Frauen sieht Defizite

„Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer gab sich am Dienstag in Berlin selbst überrascht von den Ergebnissen, die eine Allensbach-Umfrage im Auftrag der Frauenzeitschrift zutage gefördert hat: „Das tönt ja wie in den 1970er Jahren.“ Zwei von drei Frauen finden, dass für die Gleichberechtigung noch einiges getan werden muss. 61 Prozent der befragten Frauen ziehen aus ihrer Unzufriedenheit den Schluss, Frauen müssten sich wieder stärker organisieren, um ihre Interessen durchzusetzen.

Der Allensbach-Umfrage im Auftrag der Frauenzeitschrift zufolge finden 39 Prozent der Frauen zudem, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht genug für sie einsetzt. In der generellen Zufriedenheit mit der Arbeit der Kanzlerin unterschieden sich Frauen in ihrer Einschätzung aber nicht merklich von den Männern, sagte Allensbach-Chefin Renate Köcher, als sie die Ergebnisse vorstellte.

Trotz der Unzufriedenheit mit der faktischen Berücksichtigung von Fraueninteressen in der Politik denkt aber heute immerhin jede zweite Frau (52 Prozent), dass eine Frau sich in der Politik durchsetzen kann. Es liege nahe, die stetige Steigerung dieses Wertes mit dem Aufstieg Angela Merkels zur ersten deutschen Kanzlerin zu verbinden, sagte Allensbach-Chefin Köcher.

Insgesamt sehen Frauen ihre Chancen durchaus differenziert: Besonders ungünstig bewerten sie ihre Situation bei der Bezahlung und in kirchlichen Zusammenhängen. Hier glauben nur elf beziehungsweise 14 Prozent, dass die Gleichberechtigung verwirklicht sei. Am besten stehen Frauen nach eigener Einschätzung in Ausbildung, Schule und Studium da: 79 Prozent sehen die Gleichberechtigung in diesen Bereichen verwirklicht.

Mehrheitlich gilt dies auch für Partnerschaft und Ehe, bei der Berufswahl und in der Sexualität. Kindererziehung und Hausarbeit schneiden dagegen schlecht ab: Nicht einmal jede dritte Frau meint, dass die Aufgaben gleich verteilt sind. Die Kritik am Stand der Gleichberechtigung steige wieder, bilanzierte Schwarzer, nachdem das Thema jahrelang kaum Konjunktur gehabt habe.

Die Fortschritte bei der Emanzipation würden von den Frauen heute kritischer gesehen als vor sieben Jahren, sagte Allensbach-Chefin Köcher, die mit der jüngsten Umfrage zum vierten Mal seit 1996 im Auftrag von „Emma“ tätig war. Sie erklärt die Aufs und Abs anhand der Themen, die gerade Konjunktur haben. Im Jahr 2008, als die Unzufriedenheit noch höher war als heute, stand die Rückständigkeit Deutschlands bei der Kinderbetreuung politisch im Fokus, in den beiden vergangenen Jahren die geringe Zahl von Frauen in Führungspositionen.

Wenig überraschend ist die unterschiedliche Sicht von Frauen und Männern, wobei laut Köcher Männer aus dem Osten Deutschlands durchgängig „näher an der Einschätzung der Frauen liegen“ als Männer aus dem Westen. Beim Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten für Männer und Frauen ziehen indes beide Geschlechter fast gleich. 85 Prozent der Bevölkerung sprechen sich dafür aus, was Schwarzer als Indiz dafür wertete, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern nicht länger als Frauenthema behandelt werden dürfe.

Überraschend erschien den Meinungsforschern auf den ersten Blick die niedrige Zustimmung für die Quote für Führungspositionen. Sie steht trotz der Debatte der beiden vergangenen Jahre bei den Frauen mit 24 Prozent Zustimmung auf dem letzten Platz bei der Frage nach Maßnahmen zur Förderung im Beruf. Schwarzer bilanzierte, die Quote sei eine Frage für die Eliten. Die Mehrheit der Frauen nenne vor allem naheliegende Verbesserungen: Teilzeitjobs für Väter und Mütter, bessere Kinderbetreuung oder Haushaltshilfen. (Ev. Pressedienst/Bettina Markmeyer, 27. August 2013)