Heidi Rosenstock

Darmstadt, 18.5.2014

Wir wollen hier auf Erden….“keine Willkür in der Sprache dulden, denn alle Dinge sind durch das Wort gemacht“, so sagt schon Konfuzius.

 Als hätte er über Jahrtausende vorweg schon voraus gesehen, wie wortreich eine christliche Kirche ist, zuweilen verschwenderisch und oft nachlässig.

Im Anfang war das Wort, so übersetzt Martin Luther den ersten Satz des Johannesevangeliums, so beginnt Goethe seinen Prolog im Faust, wohlwissend, dass „Logos“ mit Weisheit, Vernunft, Tat übersetzt werden kann. Hätten die beiden klugen Männer „Logos“ mit Weisheit und Vernunft übersetzt, wir hätten schon längst tatsächlich eine vernünftige frauengerechte Sprache.

Irgendwann ist mir  in Gottesdiensten eine merkwürdige Diskrepanz zwischen Inhalt und Sprachverhalten aufgefallen. Da war von Freiheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit die Rede, aber sie galt offenbar nur den männlichen Gottesdienstbesuchern. Diese Widersprüchlichkeit  habe ich zunehmend als Störung empfunden.

Unsere deutsche Sprache ist generisch, das heißt für Frauen wird die weibliche Form benutzt, für Männer die männliche. Da über Jahrhunderte hinweg die männliche Formulierung an männlichen Wertvorstellungen orientiert war, werden diese unreflektiert weiter vermittelt. Die offiziellen und autorisierten Veröffentlichungen der Kirche zur Gottesdienstsprache beharren in der Regel unverändert auf männlicher Schreibweise, und  nimmt so Rücksicht auf Tradition, und macht Frauen sprachlich unsichtbar.

Wichtig dabei ist, dieses Verhalten hat eine Wirkungsgeschichte in Bezug auf die Rolle der Frauen in Kirche und Gesellschaft, wird aber immer noch als marginal angesehen:“ Ihr seid doch immer mitgemeint.“

Doch, nicht genannt ist weniger wert!

Unbestritten ist, es gab biblisch: Prophetinnen, Apostelinnen, Hirtinnen und Jüngerinnen.

Gelernt hatte ich schon in der Konfirmandenstunde, dass der biblische Gottesname nicht ausgesprochen  werden darf. Gott ist viel mehr, als wir mit unserer Sprache ausdrücken können. Doch in unseren Gottesdiensten wird Gott meist mit Vater oder mit Herr angeredet. Zuweilen ist dabei noch unklar, welcher Herr gemeint ist. 

Als Mitglied der Synode und später in der KL , hatte ich Gelegenheit  Gesetzesvorlagen und Andachten auf frauengerechtes Sprachverhalten zu überprüfen. Mein Hinweis auf ein gerechteres Sprachverhalten, stieß in der Regel auf offene Ablehnung. 

Stolpersteine gab es einige. Einfache Stolpersteinchen waren: Verbesserungen zu verharmlosen und lächerlich zu machen. Ein öffentlicher Häresievorwurf in einer kirchlichen  Synode  ist eher ein Felsbrock.

Ich war mir immer sicher, Änderungsprojekte im Hinblick auf eine gerechte Sprache brauchen eine lange Entwicklungszeit. Vor allem braucht es Menschen, die die Frage für sich beantworten: „Soll ich die Sprache schützen oder die Frauen“?

Durch die konsequente Benutzung  von frauengerechter Sprache hat sich die Rolle der Frauen in der Kirche langsam geändert. Diese Wirkung braucht Zeit.

 Dazu möchte ich 3 Beispiele erzählen. Eine erste vorsichtige Wirkungsgeschichte inklusive Stolpersteinen geht so:

1971 endlich war es soweit: Theologinnen sollten  ordiniert werden, konnten ohne Einschränkungen Pfarrerin werden. Ein Synodaler stellte dazu den Antrag bitte nur mit 75% igen Gehalt, denn die männlichen Pfarrer müssten zur Haushaltführung eine Hilfe bezahlen, Frauen könnten selber waschen und kochen. Stolperstein? Immerhin wurde dieser Antrag knapp abgelehnt.

Späteres Beispiel:

1987 beschloss der Ökumenische Rat der Kirchen eine „ Ökumenische Dekade der Kirchen in Solidarität mit den Frauen“ einzuberufen. In den Gemeinden sollten von Frauen gestaltete Gottesdienste gefeiert werden. Dazu sollten Liturgische Texte in frauengerechter Sprache entstehen, die den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden sollten.

 Einige theologisch vorgebildete Männer und Frauen haben in ehrenamtlicher Arbeit diese Texte erstellt.

Zu der Anfrage an die Kirchenverwaltung, diese Texte zu drucken und den Gemeinden zur Verfügung zu stellen, gab es die Antwort:“ Wir glauben nicht, dass sich die Gemeinden dafür interessieren“. Stolperstein? Die Vorlage wurde gedruckt, die Nachfrage wuchs von Jahr zu Jahr.

Weiteres Beispiel:

Anfang der 90-iger Jahre haben Frauen ganz selbst bewusst in der Synode den Antrag gestellt, dass ehrenamtliche Frauen ohne eigenes Einkommen für ihre Arbeitszeit in der Synode eine Aufwandsentschädigung bekommen sollten. (Schließlich hatten sie Kinder-und Altenbetreuung zu organisieren)  Antwort eines Kirchenbeamten:

„Wenn sich das die Frauen nicht leisten können, gehören sie nicht in die Synode.“ Stolperstein? Dem Antrag wurde stattgegeben.

Ein eindrucksvolles Beispiel, wie Inhalt und Sprache sinnvoll übereinstimmen will ich hier beschreiben:

Wenn in einer christlichen Trauerfeier der Gottesname „ die Ewige“, oder „der Ewige“ im Gebet verwendet wird, (wie in der jüdischen Tradition üblich) kann sich der Blick weiten vom Tod weg, hin zum ewigen Leben. Das ist im Sinne unserer christlichen Botschaft und für die Trauernden tröstlich.

Doch die großen Kirchenveranstaltungen mit festlichen Gottesdiensten sind sprachlich gesehen nach wie vor eine männliche Veranstaltung. Hier gibt es die Chance Botschaft und Sprache aufeinander abzustimmen. Wenn dies gelingt, kann so ein Gottesdienst besonders stimmig und feierlich sein.

Heute, 2014 gibt es genügend Literatur: Es gibt die neue Bibelübersetzung: „Bibel in gerechter Sprache“ und es gibt eine große Anzahl von gelungenen Veröffentlichungen zu liturgischen Texten in frauengerechter Sprache.

Dass  sie selbstverständlich Eingang finden in unsere Gottesdienste, darauf warte ich noch. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Ich gebe zu, es“ wurmt“ mich, wenn es nicht gelingt. Martin Luther hat dazu in seinen Tischreden ein Rezept für uns alle hier:

„ Wer einen Wurm im Gewissen  hat, halte sich an den Trost des göttlichen Wortes, danach so esse und trinke er(sie) und trachte nach Gesellschaft und Gespräch christlicher Leute, so wird’s besser werden. „ Amen, so sei es.“ 

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