Irene Tokarski – Geschäftsführung und theologische Leitung Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e.V.

Tischrede beim Frauenmahl in Zwochau am 25 Mai 2018
Irene Tokarski – Geschäftsführung und theologische Leitung Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e.V.

„Kommt, alles ist bereit!“

Sie haben sich für heute Abend die Frage gestellt, welche Kreise haben wir gezogen in 10 Jahren und welche können und sollten wir noch ziehen? Für diese Suche habe ich Ihnen einen Text mitgebracht, den die Frauen aus Slowenien für den nächsten Weltgebetstag ausgewählt haben – und er passt zu dem, was wir gerade tun: Es ist die Einladung zum großen Festmahl bei Lukas 14,13-24. (und übrigens ist das auch der Text für den Frauensonntag): Kommt, alles ist bereit!

Viele kennen sicher diese Geschichte. Aber zur Erinnerung erzähl sie nochmal mit eigenen Worten:

Ein feiner Pinkel will eine Fete machen, zu der die Schickeria eingeladen ist, die Schönen und die Reichen. Das ist so eine typische Gelegenheit, um zu sehen, wer gerade in ist, und um gesehen zu werden, um geschäftliche Kontakte zu pflegen, um zu netzwerken. Zuerst gibt’s dafür eine Save the Date-Einladung, wie das heute heißt, und als alles fertig ist, schickt er seinen Assistenten los, um alle zu erinnern, dass das Fleisch schon auf dem Grill liegt und für die Veggies natürlich auch das Grill-Gemüse.

Und dann – so steht’s im Text – haben plötzlich alle was Besseres vor: Der eine verheiratet sich gewinnbringend, der andere hat sich ein Grundstück im Musikviertel in Leipzig gekauft und verhandelt mit einem Wohnungsbauunternehmen, ein dritter hat seine Dieseltransporter abgestoßen und sich fünf Elektroautos gekauft, und so weiter…

Kurz um: aus der Fete wird nichts, schlechtes Timing, richtig dumm gelaufen. Aber vielleicht liegt´s auch an der Performance von unserm Schickimicki?
(Das fragen wir uns ja manchmal in der kirchlichen Arbeit auch: Warum kommt denn bloß keine??)

Und dann passiert etwas sehr merkwürdiges, very strange: Unser feiner Pinkel überlegt es sich anders, er kommt ab vom Hype Event. Und er ändert sich selbst und lässt seinen Plan vom gesellschaftlichen Erfolg fallen…. Und er kommt vielmehr auf eine unglaubliche Idee: Wir  könnten die Aktion Occupy Heaven nennen. Haben Sie sicher schon mal gehört: Da gab´s mal vor ein paar Jahren die Bewegung Occupy Wallstreet, die wollten das internationale Finanzzentrum Wallstreet besetzen. So ähnlich Occupy Heaven: Wir erobern den Himmel. Ach ja, und unser feiner Pinkel ist gar kein feiner Pinkel mehr. Er hat einen vollen U-Turn hingelegt: Das hat man früher Bekehrung oder Umkehr genannt

Und er macht das totale Gegenteil von vorher: Er schickt seinen Assistenten los und lädt alle abgewrackten Typen ein, alle, die draußen stehen: die Arbeitslosen, die Schulabbrecherinnen, die aus der Psychiatrie, die Junkies, die Schwulen und Lesben natürlich.
Jetzt wird es noch spannender, denn als die ganzen Looser eingesammelt sind, kommt der Assistent und verkündet: Es ist noch Platz.

Also kommt die vierte Einladungsrunde: Nun sind die von den Grenzen und Mauern und Zäunen dran, von denen gibt es ja immer mehr, das Mauern bauen ist ja wieder voll in Mode: also Migranten, Asylbewerber, sogar Illegale, auch Knackis und, und, und…

Das Reich Gottes ist kein Hype- Event, bei dem frau ihr kleines Schwarzes ausführt – und den man in antiker Manier mit einer Gegeneinladung bei nächster Gelegenheit beantwortet. Es ist kein Anlass, bei dem man wichtige Kontakte für weitere Zusammenarbeit knüpft oder von den entscheidenden Personen gesehen wird. Im Himmelreich schaut man nicht vorbei, um zu netzwerken, sondern genau dann, wenn man oder frau nichts mehr zu erwarten hat, und vielleicht alles auf eine Karte setzt. Denn eines macht unsere Geschichte ganz klar:

Im Reich Gottes gibt es nur unbezahlbare Plätze, und zwar gerade für die, die nichts zu bieten haben: Die zu Lauten oder die zu Leisen, die Komischen und Anstrengenden, die Verqueren und die Langweiligen, kurz für alle, auf die niemand zählt und mit denen keiner rechnet. Denn genau darum geht es Jesus bei dieser Nummer: Rechnet euch nicht den Gewinn aus, den ihr mit euren Einladungen macht, sondern schafft Platz für die, die draußen stehen: Ausgeschlossen von Gesellschaften, die nur auf sich selber schauen und  nicht begreifen, dass sie vom Fremden beschenkt und bereichert werden. Denn was wir ohne Berechnung aus Gastfreundschaft miteinander teilen, vervielfacht sich, wie in der Brotvermehrung.

Gastfreundschaft hat immer etwas Unverhofftes und Überraschendes: Ein unerwarteter Besuch, eine Bitte um außerordentliche Hilfe, die Zumutung bei jemandem unangemeldet vor der Tür zu stehen, es hat  etwas, das die üblichen Grenzen überschreitet und eine ungewohnte, peinliche, vielleicht zunächst auch beängstigende  Nähe hervorruft. Gastfreundschaft sprengt die Berechnung und Abwägung, sie beginnt genau da, wo wir den ersten Impuls der Abwehr gegen die Zumutung der Fremdheit überwinden – und  teilen! Dann ist Gastfreundschaft geglückt!
Was hat das nun alles mit den Kreisen zu tun? Ganz einfach: Um Kreise zu ziehen brauchen Sie Platz.

Es ist noch Platz,
das heißt zum einen Gastfreundschaft – wie ich es schon ausgeführt habe, bereit Zumutungen anzunehmen und auszuhalten, Fremdheit überwinden.
Es heißt auch, höflich zu sein, das kommt nämlich vom Hof, also zuvorkommend und respektvoll.
Und es heißt, großzügig zu sein, nicht verbissen, aber auch nicht gleichgültig, spontan Lösungen zu suchen und nicht Probleme. Großzügig auch mit mir selbst.
In den letzten beiden Jahren seit ich –nach zwanzig Jahren – wieder in Deutschland lebe, habe ich gemerkt, wie Deutschland enger geworden ist.
In dieser Zeit brauchen wir eine großzügige Kirche, eine gastfreundliche und eine höfliche Kirche, die Platz schafft, die sich weit macht, dann können Sie Kreise ziehen.

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