Aus dem EFiD-Newsletter vom März 2025: Pastorin Susanne Paul aus dem EFiD-Präsidium spricht über die Herausforderungen der neuen politischen Landschaft, den feministischen Rollback und queere Gottesdienste unter Polizeischutz. | Interview: Anne Lemhöfer
Frau Paul, nach der gemeinsamen Erklärung von katholischer und evangelischer Kirche zu den mit der AfD verabschiedeten Migrationsplänen der CDU war von vielen Seiten zu hören: Das geht nicht, die Kirchen sollten sich nicht politisch äußern. Was denken Sie dazu?
Meiner Meinung nach ist die ganze Diskussion darüber, wie politisch Kirche sein darf, obsolet. Das Evangelium selbst ist politisch. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als politisch zu sein. Der Mensch hat Würde, so steht es in der Bibel. Und wenn diese Menschenwürde nicht geachtet wird, hat das nun mal politische Konsequenzen. Ich fan d das Statement der Kirchen zur Brandmauer daher sehr angebracht. In dem Moment, als ich gelesen habe, dachte ich: „Ach Mensch, Kirche, danke!“ Gefreut hat mich außerdem, dass es ökumenisch war.
Nun wird Friedrich Merz aller Voraussicht nach der nächste Bundeskanzler. Wie sehen Sie die Rolle der Kirche in den kommenden vier Jahren?
Es war ein ganz verrückter Wahlkampf. Alle haben so getan, als sei die Migration das einzige Problem, das wir haben. Klimaschutz und die soziale Frage haben praktisch keine Rolle gespielt. Die Kirchen müssen jetzt mithelfen, das Thema soziale Gerechtigkeit wieder in den Blick zu rücken und dazu beitragen, dass die aufgeregten Diskussionen um Migration sachlicher werden. Sie müssen jetzt die Stimmen der Vernunft.
Was ist mit anderen Themen wie dem Paragraphen 218?
Wie das gelaufen ist, das ist echt zum Schreien. Ich fürchte, das ist vergossene Milch und sehe keine Chancen, dass die nächste Koalition daran etwas ändert. Wir müssen jetzt einfach dran bleiben am Thema, trotz allem.
Wie steht es um frauenpolitische Themen? Wo stehen wir in Sachen Chancengleichheit?
Da ist ein Rollback zu verzeichnen, das sieht man zum Beispiel gut an den so genannten Tradwifes – Frauen, die im Internet dafür werben, sich nur noch den Kindern und dem Ehemann zu widmen, weil der einzige Sinn in ihrer Mutterrolle liegt. Ein bisschen wie früher die Dr. Oetker-Werbung, die verkündete `Im Leben einer Frau gibt es nur zwei Fragen. Was ziehe ich an? Und was koche ich heute?“
Man kann es fast nicht ernst nehmen…
Das kann man ironisieren, ja, aber wir sehen neben dieser verqueren Ideologie weltweit ein Erstarken von toxischen Männlichkeitsbildern. Und die weiterhin schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgt bei manchen Frauen für das Gefühl, dass sie jetzt die Schnauze voll davon haben. Diese scheinbar heimelige Familienwelt ist dann Eskapismus pur. Das nutzen gerade rechte Christen aus. Frauen sollten natürlich grundsätzlich die Wahl haben, wie sie leben wollen. Wobei gegen ein reines Hausfrauendasein ja meist auch finanzielle Gründe sprechen. Ein solches Lebensmodell muss man sich leisten können.
Sehen Sie weitere Rollbacks?
Ja, zum Beispiel beim Thema Diversität. Ich bereite den kommenden Kirchentag in Hannover mit vor, und wir können queere Gottesdienste nicht mehr ohne Polizeischutz anbieten. Bald haben wir in Deutschland einen Kanzler, der sagt: Es gibt nur zwei Geschlechter. Gut möglich, dass eine neue Regierung das Selbstbestimmungsgesetz rückgängig macht.
Wie kann sich EFiD da einbringen?
Wir haben eine starke Rolle als Dachverband, in dem öffentliche Positionen einzelner kirchlicher Organisationen gebündelt und sichtbar werden. Beim Selbstbestimmungsgesetz etwa wurden wir als einziger kirchlicher Verband für das Beratungsgremium angefragt. Wir müssen jetzt einfach mit anderen zusammen Netzwerke bilden um Schlimmeres zu verhindern. Anders geht es nicht.