Kristiane Voll – Pfarrerin, Assessorin im Evangelischen Kirchenkreis Lennep

Wermelskirchen 19.11.2011

Ich stehe hier als Gemeindepfarrerin und stellvertretende
Superintendentin und damit als jemand, der nicht „nur“ für Gemeinde einsteht,
sondern auch auf der mittleren Ebene, der des Kirchenkreises, leitende Aufgaben
übernommen hat. Beide Ämter – das der Gemeindepfarrerin und das der
stellvertretenden Superintendentin – sind gewählte Ämter. Das ist mir wichtig –
auch in Blick auf die Zukunft von Kirche, denn ich schätze und liebe „meine“
evangelische Kirche nicht zuletzt wegen ihres demokratischen Wesens. Ich
wünsche und erhoffe mir, dass dieses Element unserer Kirche nie mehr verloren
geht, auch wenn die Zeiten schwieriger geworden sind und wohl weiter werden.

Als Pfarrerin habe ich den Auftrag zur öffentlichen
Verkündigung des Evangeliums, zur Verwaltung der Sakramente – also Taufe und
Abendmahl – und zur Seelsorge. Dazu kommen als weitere Handlungsfelder die
Diakonie, Erziehung und Bildung sowie die Ökumene. Neben dem Gottesdienst ist
mir die Seelsorge ein großes Herzensanliegen. Das ist schon von meinem
Studienbeginn 1984 an so gewesen und hat später vor allem darin seinen Ausdruck
und seine Prägung bekommen, dass ich von 1998 für sieben Jahre eine
Sonderdienststelle als Pastorin für Trauerbegleitung für den Kirchenkreis
Köln-Rechtsrheinisch inne hatte.

Die Seelsorge genießt im Kanon der kirchlichen Aufgaben
und Handlungsfelder nicht nur innerkirchlich , sondern auch allgemein nach wie
vor – Gott sei Dank – eine hohe Akzeptanz. Kirche traut man und frau Seelsorge
zu. Trotzdem hat sich die Seelsorge auch in den zurückliegenden verändert; sie
ist in ihrer Bedeutung – nicht unbedingt in ihrer Wahrnehmung – kleiner
geworden. Im Konzert aller möglichen Anbieter und Anbieterinnen für das
„Wohlergehen, das Gesunden und Heil-Werden der Seele“ ist die Kirche eine
Anbieterin von mehr oder weniger vielen.

Fragt man Pfarrerinnen und Pfarrer nach ihrem Selbstbild,
dann kommt auch hier der hohe Stellenwert der Seelsorge rüber. Allerdings
bedauern oder klagen eben dieselben, dass sie zu wenig Zeit und Raum für
Seelsorge haben, weil andere Bereiche wie z.B. Verwaltung, Sitzungs- und
Gremienarbeit zu viel an Zeit und Energie beanspruchen. Dazu kommt – und diese
Situation wird sich in Zukunft noch weiter verschärfen –, dass Gemeinden und
Pfarrbezirke aus finanziellen und bald auch personellen Gründen immer größer
werden; so gibt es in städtischen Kontexten inzwischen oft ein Verhältnis von
3.000 zu 1; natürlich hat das unmittelbare Folgen für die Seelsorge.

Seelsorge ist den Pfarrerinnen und Pfarrern qua
Kirchenordnung zugeschrieben (Artikel 49,1 der KO). Damit ist noch nicht
gesagt, wie sich Seelsorge vollziehen soll. Und genau darin – im „Wie“ – sehe
ich eine große Krux und damit auch eine große Herausforderung für die Zukunft:
Der Dienst der Seelsorge liegt nicht nur, sondern vor allem in der
Verantwortung der dienstgebenden Einrichtung – also z.B. der Kirchengemeinde.
Die Kirchengemeinde wird geleitet durch das Presbyterium; es besteht aus
gewählten „Laien“-Vertretern und -Vertreterinnen seiner Gemeinde sowie den
Pfarrern bzw. Pfarrerinnen; neben Finanzen und Gottesdienst ist das
Presbyterium auch für die Ordnung der Seelsorge in seiner Gemeinde
verantwortlich.

In den zurückliegenden Jahrzehnten ist die Seelsorge –
und dazu haben die Pfarrer und Pfarrerinnen nicht unwesentlich selbst mit
beigetragen – immer den Ordinierten „zugeschoben“ worden. „Über Seelsorge redet
man nicht!“: so ein allgemeiner Konsens, ein „ungeschriebenes“ Gesetz. „Das machen
unsere Pfarrer. Die sind dazu ausgebildet.“, und denen guckt man dabei nicht in
den Suppentopf; das scheint beiderseits nicht gewollt zu sein.

In der Tat ist es ja auch schwierig, Seelsorge als
„außenstehendes“ Leitungsorgan wahrzunehmen. Denn immer wieder haben wir als
Pfarrerinnen und Pfarrer die Verschwiegenheit, die Schweigepflicht oder auch
das Beichtgeheimnis zu wahren. Über viele Dinge kann gegenüber Dritten aus
gutem Grund nicht gesprochen werden. Das ist richtig und gut so – ja, das ist
das Lebenselexier der Seelsorge. Wenn Schweigepflicht und Beichtgeheimnis nicht
gewährleitet wären, dann ginge die Seelsorge sofort kaputt.

Nichtsdestotrotz habe ich die Vision und die Hoffnung,
dass Seelsorge auch für die Zukunft gut gegründet werden kann und lebendig ist.
Das wird allerdings meines Erachtens nicht dadurch erreicht, dass man alles
„einfach“ wie bisher weiterlaufen lässt, sondern dazu braucht es den Mut zu
neuen Schritten – und dies auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Dazu eine Skizze,
die keine Vollständigkeit beansprucht:

Es braucht Presbyterien oder die entsprechenden leitenden
Gremien, die sich als „Laien“, als nicht ausgebildeten Theologinnen und
Theologen, für das Feld Seelsorge so fit machen lassen wollen, dass sie
Seelsorge in ihrer Gemeinde mit strukturieren, konzipieren und zukunftsfähig
entwerfen wollen. Das bedarf einer Bewusstseinsänderung in vielen Presbyterien
dahin, dass das Selbstbewusstsein der Presbyter und Presbyterinnen wächst, die
Struktur – nicht die Seelsorge selbst – mit gestalten zu wollen und zu können.
Also zugespitzt gesagt: die Seelsorge und deren Gestalt nicht den Pfarrern
zuschieben: „Die machen das schon! Da hab´ ich ja sowieso keine Ahnung von.“,
sondern: „Dazu habe ich mir Ahnung angeeignet. Ich habe meine Gemeinde mit
ihren Bedürfnissen und Notwendigkeiten für Seelsorge wahrgenommen. Und nun will
ich mit helfen, der Seelsorge im Konzept unserer Gemeindearbeit eine
entsprechende Gestalt zu geben.“

Dann braucht es ein Zweites: Es braucht Pfarrer und
Pfarrerinnen, die sich auf Seelsorge hin befragen lassen und die offen sind,
gemeinsam mit so genannten Laien eine Struktur von Seelsorge für ihre Gemeinde
zu entwickeln.

Aller guten Dinge sind drei. Last not least braucht es
Offenheit für neue Formen und Möglichkeiten der Seelsorge. Dazu nur einen Punkt
zur Anregung: zumeist wird Seelsorge in der Form des Dialogs, manchmal auch als
Trialog in Gesprächen mit Paaren oder Eltern verstanden. Dass es die
Möglichkeit der Gruppenseelsorge gibt, wird nur relativ am Rande gesehen, und
bis dato gibt es dazu nach meiner Wahrnehmung auch relativ wenig an Aus- und
Fortbildungsmodulen. Aber genau dahin ließe sich der Blick auch lenken. Dann
können Gesprächskreise für Trauernde z.B. solche Gelegenheiten der
Gruppenseelsorge bieten.

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