Kristina Mohr – Saxophonistin, Clownin, Psychologin

Essen, 28.10.2012

„ich sammle kirchen. für meine töne“

Guten Abend die Damen!

Ich bin gebeten worden, heute vor Ihnen eine Tischrede zu halten zu der Frage „Was ist mir heilig“? Vielen Dank dafür, liebe Frau Haun-Frieling.

Was ist mir heilig? Mir ganz persönlich?

Mir sind 6 Begriffe eingefallen:

Zeit

Raum

Freiheit

Zugehörigkeit

Körperliche Unversehrtheit

Bildung und Selbstbestimmung für die Frau.

Zeit.

Ich habe ein Leben geschenkt bekommen mit der Aufgabe, wie ich meine, Saxophon zu spielen und Kreativität zu verbreiten. Und damit Menschen zu bewegen.

Ich versuche das also als Saxophonistin und als Clownin, gelegentlich auch als Trainerin für Clownerie.

Als Mensch. Als Frau, als werdende Tante, Freundin, Tochter, Schwester, Kollegin und auch als beauftragte Künstlerin.

Mir geht es immer um Tiefe UND Leichtigkeit. Und um Heilung.

Ich möchte nicht auf Kosten anderer arbeiten.

Das ist mir heilig.

Und dazu brauche ich Zeit.

Selbst zu gestaltende und oft chaotische Zeit.

Ich arbeite mit mir als Resonanzwesen in der Welt, muss deshalb Zeit für meine Bedürfnisse haben.

Wenn ich Druck und Angst habe, suche ich Orte der Ruhe auf – und da komme ich auf das 2. Wort:

Raum.

Raum in der Natur.

Eigenen Raum zu Hause.

Sicheren Raum.

Großen Raum.

Weiten Raum.

Im Besonderen große akustische Räume.

Hier im Ruhrgebiet Industriedenkmäler.

Überall: Museen, Stadthallen, Kirchen – Kirchenräume.

Das ist das, worauf ich in den letzten Monaten, wenn ich an diese Rede in diesem Kreis gedacht habe, immer wieder zurückgekommen bin: Der Kirchenraum.

Für mich seit ca. 13 Jahren ein zurückeroberter Raum.  Am Gründonnerstag 1999 bin ich von den Kirchenglocken hereingerufen worden.

Seitdem suche ich das Gespräch mit Gott – oder wie sie heißt.

Mit dem Saxophon im Kirchenraum.

Der Klangraum als zweite Stimme, wenn ich meine Töne in die Welt schicke. (Und ein Saxophon kann laut!)

Für mich die Möglichkeit, alle mir wichtigen Begriffe vereint zu leben:

Zeit nehmen

Raum füllen

Zugehörig sein, mit Gott und allem

Frei sein – zu spielen oder nicht, oder was und wie. Ein Kanal zu sein, mich anheim zu geben.

Meine körperliche Unversehrtheit wieder erlangen.

Im Schutz des großen Raums, vor Gott – geliebt und gewollt wie ich bin.

Als Frau.

Als freie Frau.

Sicher und geborgen.

Und glücklicherweise gebildet – ohne diese Bildung hätte ich den Weg, glaube ich, nicht gefunden.

Mein Studium der Psychologie war ein Geschenk – und erst letztens, als ich bei einer Beerdigung spielte, hörte ich wieder einmal das, was ich in der humanistischen Psychologie erfuhr; was ich im Gespräch mit einem katholischen Klinikseelsorger erfuhr, als ich nicht mehr weiter wusste und krank war:

Das Leben ist ein Geschenk.

Und

Wir sind nur zu Gast auf dieser Welt

Und

Auch ich bin ein geliebtes Kind Gottes!!!

1999 kehrte ich durch die Glocken gerufen zurück – nach vielen Jahren meines Fluches auf Gott und einem abgewandten Leben.

Und wurde zum Abendmahl eingeladen.

(Wie wir hier zum Frauenmahl).

Ich nahm an.

Ich nahm an, dass ich zugehörig bin.

Seitdem erspiele ich mir den Glauben: Ich habe in Kindergottesdiensten, aber auch vor Erwachsenen als Clownin oder als Saxophonistin im Kirchenraum gespielt und tue es immer noch gerne.

Sting hat mal gesagt: Ich heile mich und damit die Welt.

Und ich merke, wie heilig mir der Kirchenraum geworden ist – da er mir Sicherheit durch körperlichen Abstand zu den Menschen und Geborgenheit durch die Steine der großartigen Architektur gibt.

Die Sehnsucht…

Ich liebe das Sax,

Wie es

Die Himmelsleiter

Emporsteigt

Zu

Den Sternen.

Demnächst spiele ich in Essen-Werden. Am 9.8.2013 in der Stiftskirche „Maria in der Not“ in Stoppenberg… – ich sammle nämlich Kirchen, für meine Töne.

Ja, und ich träume davon, täglich in einer schönen Kirche „nebenan“ spielen zu dürfen.

1 x die Woche tue ich es in Essen-Rüttenscheid. Mittwochs um 11. Letztens erfuhr ich, dass unter dem Altarraum eine Praxis von HeilpraktikerInnen liegt. Als ich dort beim 10 jährigen Jubiläum vorbeischaute, staunte ich… Einige freuten sich, mich persönlich kennen zu lernen, da sie mir schon lange lauschten – mit großer Freude! Also habe ich doch Zuhörer/innen (oben kommt nämlich fast nie jemand).

RaumResonanzklänge las ich letztens in einer Fachzeitschrift für Neue Musik. Ein tolles Wort: RaumResonanzKlänge. Der Raum als zweite Stimme. Ich bin also gar nicht allein.  Ich habe oft gesagt, ich spiele jetzt „solo“. Nenee! Gelegentlich habe ich das Gefühl, die historischen Energien im Raum zu transformieren… wie es mir eine Frau letztens nach dem Zuhören sogar bestätigte.  Mich Schamanin nannte.

Das sind große Worte, ich weiß. Aber oft habe ich mir in meinen stummen Fragen nach dem Sinn meines Lebens gesagt: Und wenn du nur da stehst und spielst. Als Frau in der Kirche. Das ist gut – du tust es für alle Frauen!

Herzlichen Dank für Ihr Zuhören.

[Kristina Mohr behält sich das Urheberrecht an der selbst erstellten und veröffentlichten Tischrede vor. Eine textliche Veränderung, Vervielfältigung oder Verwendung in anderen Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung nicht gestattet.]

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