Leni Breymaier – Landesbezirksleiterin von ver.di Baden-Württemberg

Göppingen, 13.04.2013

Liebe Frauen,

vielen Dank für die Einladung zu diesem Frauenmahl. Es ist eine große Ehre für mich hier sprechen zu können. Ich genieße schon den ganzen Abend die, wie ich jetzt nach dem Hauptgang gesichert sagen kann, vortrefflichen Speisen, die netten Gespräche an meinem Tisch, aber auch die liebevollen Details, mit denen der ganze Abend umrahmt ist. Herzlichen Dank an die Veranstalterinnen für so viele gute Gedanken in der Vorbereitung.

„Ihr sollt das Leben in Fülle haben – was das gute Leben für Frauen ausmacht“ ist das Thema aller Tischrednerinnen. Für mich als Gewerkschafterin steht hier freilich ganz oben die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern, wie sie heute Abend schon mehrfach angeklungen ist. Ich glaube, ganz unabhängig von allen Tarifverhandlungen brauchen wir hier auch eine gesellschaftliche Debatte. Eine Debatte darüber, was Dienstleistungsarbeit, die ja überwiegend von Frauen verrichtet wird, eigentlich wert ist. Ist es gesellschaftlich wertvoller, ob ein kaputtes Auto repariert wird oder ob ein kaputter Mensch repariert wird?

Schlussendlich geht es darum, von der eigenen Erwerbsarbeit im Währenden leben zu können, aber auch die großen Lebensrisiken abgedeckt zu wissen, nämlich krank zu werden, erwerbslos zu werden und alt zu werden. Aus Hungerlöhnen werden Hungerrenten, das gilt eben auch für die Frauenerwerbstätigkeit. Man kann die Entwicklung, die uns hierher geführt hat, sicherlich historisch betrachten. Schließlich wurde die Zuverdienerinnen-Ehe erst 1977 abgeschafft. Bis dahin stand im § 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuches „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Damit waren die Rollen klar. Der Schwabe hat gerne gesagt: Meine Frau hat es nicht nötig zu arbeiten. Und nicht nur der Schwabe. Daraus resultierte, wenn Frauen überhaupt erwerbstätig waren, waren sie Zuverdienerinnen. Daraus resultiert das heute immer noch gültige Ehegattensplitting. Ich glaube, wirkliche Gleichberechtigung werden wir erst dann haben, wenn wir die bezahlte und unbezahlte Arbeit für Männer und Frauen gleich aufteilen. Frauen leisten heute zwei Drittel der unbezahlten Arbeit, also Pflege, Kindererziehung, Haushalt, Elternsprecher etc. Dafür haben die Männer zwei Drittel der bezahlten Arbeit. Wenn es so ist, dass Männer zur Zeit eher Vollzeit und um die 40 Stunden arbeiten und Frauen eher 20 Stunden arbeiten, dann müssen wir diese Zeiten zusammenzählen: 40 + 20 = 60 : 2 wären 30 Stunden für beide. Beide hätten Zeit für die bezahlte Erwerbsarbeit und beide hätten Zeit für die gesellschaftlich notwendige, unbezahlte Arbeit. Dann haben auch beide ein Leben in Fülle. Zeit für die Erwerbsarbeit, Zeit für das Ehrenamt und Zeit für sich selber.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Ich werde das heutige Frauenmahl in guter Erinnerung behalten. Danke für diesen sehr inspirierenden Abend.

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