Lisa Inhofen – Journalistin

Bonn, 09.10.2011

Wie schön, dachte ich, als ich am Tag der Deutschen
Einheit morgens in der Kreuzkirche saß und als Journalistin an dem besonderen
Gottesdienst teilnehmen durfte. Vielleicht haben Sie ihn in der Übertragung in
der ARD gesehen, mit den Kameraschwenks auf unsere Bundeskanzlerin, wie sie
immer wieder die Augen schloss – sicher, um bei voller Konzentration der
wunderbaren Musik lauschen zu können, oder auf unseren Bundespräsidenten mit
seiner jungen, hübschen Frau – wirklich ein schönes Paar.

Für die Mitwirkenden, vor allem für die Gemeinde waren
die Vorbereitungen schon sehr aufregend gewesen, es gab auch ein wenig Unmut,
weil die Gemeindeglieder bis auf wenige ja von diesem hoch offiziellen
Gottesdienst ausgeschlossen waren. In ihrer eigenen Kirche! Das ist schwer,
aber so ist das nun mal, und solche Ereignisse kommen ja auch höchst selten
vor.

Mein Unmut an diesem Morgen bezog sich auf etwas anderes,
etwas, was mich schon viele Jahre immer wieder aufs Neue mit Kirche hadern
lässt. Ich erfuhr, dass es hinter den Kulissen um die Frage , wie die
Geistlichen in die Kirche einziehen werden, einige Irritationen gab, denn der
Kardinal und der Metropolit sollen angeblich abgelehnt haben, mit einer der
beiden Frauen, die alt-katholische Pfarrerin Henriette Crüwell und Gisela Thimm
von der ev. methodistischen Kirche, an ihrer Seite einzuziehen . Ich konnte
nicht überprüfen, ob das stimmte, aber vorstellen konnte ich es mir schon. Was
wäre gewesen, habe ich mich gefragt, wenn Margot Käßmann noch
EKD-Ratsvorsitzende gewesen wäre. Nikolaus Schneider jedenfalls zog einträchtig
Seite an Seite mit Kardinal Meisner in die Kirche ein.

Diese Männerkirche, dachte ich, als ich dann die Drei vor
dem Altar sah. Die beiden weiblichen Kirchenvertreterinnen durften lediglich am
Ende des Gottesdienstes bei den Fürbitten mitwirken. Was auch seine Richtigkeit
hatte: Sie waren ja aufgrund ihrer Stellung auch nicht so wichtig.

Schon als Kind, aufgewachsen in einem katholisch-konservativen, aber nicht strenggläubigen Haushalt, haben mich die
patriarchalisch- hierarchischen Strukturen in der Kirche sehr gestört. Wie
enttäuscht war, ich als ich mit vier, fünf Jahren erfuhr, das Christkind ist
kein Mädchen, sondern ein Junge. Mit Mitte 20 bin ich konvertiert. Katholisch
und Frau sein – das konnte ich mit meinen Überzeugungen nicht mehr länger
vereinbaren. Seitdem bin ich evangelisch. Und von meinen damaligen
idealistischen Vorstellungen von unserer ev. Kirche längst kuriert.

Sicher, hier sitzen viele Frauen am Tisch, die ordiniert
sind und die gleichen Rechte und Pflichten haben wie ihre männlichen Kollegen.
Manche Theologen, so habe ich gelesen, warnen schon vor einer Feminisierung des
Pfarrberufs. Wie lustig. Denn nur ein Drittel der evangelischen Pfarrer sind
weiblich, davon arbeitet ein Großteil in Teilzeit. Wir können ja hier einmal
die Probe aufs Exempel machen.

Aufgrund überholter Leitbilder begegnen ihnen auch heute
noch, so ist jedenfalls meine Erfahrung, einige Männer und auch Frauen immer
noch mit mehr Misstrauen und Vorurteilen als mit Vertrauen und Solidarität.

Und schaue ich mir die Leitungsgremien unserer Kirche an,
dürfte der Anteil der Frauen noch weit unter einem Drittel liegen. Da sieht es
nicht viel besser aus als in den meisten anderen Bereichen unserer
Gesellschaft. Selbst hier in Bonn, eine Stadt mit einem ungewöhnlich hohen
Anteil an gut ausgebildeten und im speziellen in unserer evangelischen Kirche
sehr aktiven Frauen gab es bisher noch keine Superintendentin! Damit will ich
natürlich nichts gegen Eckart Wüster sagen, den ich sehr schätze.

Wo jetzt sein Name fällt: Eigentlich ist es doch egal,
mögen viele von Ihnen jetzt vielleicht denken, ob Mann oder Frau das Sagen
haben. Hauptsache, der- oder diejenige machen ihre Sache gut und werden ihr
gerecht. Stimmt vom Grundsatz. Aber ich meine dennoch, gerade dort, wo viele
wichtige Entscheidungen getroffen und die Weichen für die Zukunft gestellt
werden, fehlt oftmals die weibliche Sicht der Dinge.

Und ich glaube fest daran, die Welt wird erst dann freier
und gerechter, wenn Mann und Frau gleichermaßen als Ebenbild Gottes gelten und
so auch handeln können. Doch bis dahin ist es nach wie vor ein weiter Weg. In
unserer Gesellschaft und in anderen noch viel mehr ist für viele immer noch der
Mann Gott ebenbildlich und die Frau hat zu schweigen – obwohl Paulus das ja
niemals gesagt hat, sondern es in seinen Brief vor dem Hintergrund der
damaligen Wertevorstellungen und Lebensumstände redaktionell eingefügt worden
ist.

„Die Kirche soll Modell für das gleichwertige und
partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen sein."
Das sind keine Worte aus berufenem evangelischem Munde, sondern aus dem Papier
zum Wort der deutschen Bischöfe „Zur Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft"
von 1981. Ungefähr die Zeit, als ich konvertierte. Seitdem sind 30 Jahre
vergangen.

Meine Vision: In 30 Jahren ist das Wort Paulus‘ an die
Galater in unseren christlichen Kirchen endlich gelebte Realität: Hier ist
nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann
noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.

Vielleicht bringt uns ein Abend wie dieser ein Stückchen
auf diesem Weg weiter.

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