Marion Dammann – Landrätin Landkreis Lörrach

Basel, 23. Oktober 2015

Sehr geehrte Damen!

Als Grenzgängerin ist man im Dreiländereck schon aufgrund der Landesgrenzen in die Schweiz oder nach Frankreich unterwegs. Aber auch beruflich und persönlich sind immer wieder Grenzen zu überschreiten.

Als Landrätin stehe ich im Spannungsfeld zwischen dem Landratsamt und den Betrieben, den Mitgliedern des Kreistages, den Damen und Herren Oberbürgermeistern und Bürgermeistern der Städte und Gemeinden, der Bürgerschaft, aber auch der Entscheidungen der Landes- und Bundesregierung.

Als Juristin und Amtsträgerin hatte ich auch immer wieder persönliche Grenzen zu überschreiten, die u. a. auch mit der Anerkennung und Wertschätzung einer Frau im Beruf und Amt zusammen hängen. Hierzu möchte ich drei Beispiele nennen:

Als junge Justiziarin wurde ich von meinem Vorgesetzten einem Verhandlungspartner als die neue Verhandlungsführerin vorgestellt. Als dieser aussprach, dass er nicht mit einer jungen Frau verhandle, stand mein Chef auf und ging aus dem Raum.

Ein anderes Beispiel war, als ich zu einer Veranstaltung als Baubürgermeisterin eingeladen war, die Veranstalter mich aber trotz namentlicher Vorstellung nicht beachteten. Als der Veranstaltungsbeginn immer näher rückte und der Veranstalter sich darüber beklagte, dass ich angeblich noch nicht anwesend sei, machte ich mich nochmals bemerkbar und die Person sagte, sie habe sich mich ganz anders vorgestellt – größer und kräftiger.

Als Landrätin begegne ich oft der Meinung, dass dieses ein ausschließlich repräsentatives Amt sei, obwohl ich eine Behörde und Betriebe mit insgesamt ca. 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leite. Wenn Personen dann an Verhandlungen oder Bürgerinformationen teilnehmen, bekomme ich gesagt: „… Ah, das können Sie auch!“

Scheinbar ist der Blick auf eine Frau immer noch nach dem Motto „schwach – hübsch – dumm“ ausgerichtet. Diese Grenzen überwinde ich immer wieder und ersetze die Begiffe mit „stark-hübsch-intelligent“. Denn auch wenn gut aussehende Frauen im Mittelalter als Hexen verbrannt wurden, besteht heute kein Grund der Selbstverleugnung.

Als Behördenleiterin, Vorsitzende des Kreistages, Aufsichtsratsvorsitzende und in ähnlichen Positionen gilt es, die eigenen Potenziale auszuschöpfen, Selbstvertrauen und Mut zu zeigen und vor allen Dingen zu den eigenen Wertvorstellungen und Überzeugungen zu stehen. Weiterhin ist erforderlich, authentisch und glaubhaft zu sein, die Vielseitigkeit zu zeigen und vor allen Dingen psychische und physische Belastbarkeit zu haben, um Grenzen überschreiten zu können.

Frauen haben in der Geschichte immer wieder gezeigt, dass sie das gesamthaft können, und zwar auf allen Erdteilen. Die Beobachtung der ein oder anderen Frau und ihrer Verhaltensweise gibt mir jedoch das Gefühl, dass Simone de Beauvoir Recht gehabt haben könnte, als sie sagte „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“.

Gerade in der noch jüngeren Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Frauen in Deutschland im Zweiten Weltkrieg und danach Familie und Beruf vereint haben und auch in Führungspositionen gefunden werden konnten. Der gesellschaftliche Druck hat sie jedoch zurückgedrängt in rechtlich, wirtschaftlich und sozial schwächere Positionen und zum Teil reduziert auf die Familie und den Haushalt. Heute vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, der gerade in unserer Region schon stark spürbar ist, erinnert man sich an die Personalressource Frau und versucht, ihre Position zu stärken, indem sich die Unternehmen als attraktive Arbeitgeber zertifizieren lassen, Angebote zur Kinderbetreuung oder für die Versorgung der älteren Generation unterbreiten und Verbesserungen bei der Sozial-, Kranken- und Rentenversicherung anbieten.

Ein weiteres Beispiel sind diejenigen Frauen aus den Krisen- und Kriegsgebieten, die heute als Flüchtlinge bei uns ankommen und nach neuen Lebensperspektiven unter schwierigsten Bedingungen aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, ihres kulturellen Hintergrundes und Verständnisses, des Verlustes ihrer Heimat und damit auch einem Stück ihrer Identität suchen. Sie lassen sich von den Kriegsinstrumentarien wie Vergewaltigung und Demütigung nicht abhalten, in eine Zukunft ohne Angst, Unterdrückung und Gewalt zu fliehen und die Zukunft zu gestalten.

In meinem Aufgabenbereich kann ich mich für gewaltfreie und friedliche Konfliktlösungen auf allen Ebenen von Entscheidungsprozessen einsetzen, Partizipation und gleiche Rechte einfordern, mitgestalten und umsetzen, kommunikative und empathische Kompetenzen ebenso einsetzen wie psychosoziale Ressourcen, um die täglich sich zeigenden Grenzen in ganz unterschiedlichen Arbeits- und Lebensfeldern zu überwinden. Ich arbeite daher nach dem Motto, Grenzen sind dazu da, überwunden zu werden und Probleme zu lösen. Dieses gewinnt vor dem Hintergrund des schon erwähnten Flüchtlingsstroms besondere Bedeutung. Die ankommenden Menschen sind eine Chance, unsere Gesellschaft bunter und bereichernder werden zu lassen. Doch müssen wir auch für unser demokratisches Staatsverständnis eintreten. Als Landrätin ist es derzeit die größte tägliche Herausforderung im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung, Versorgung und Integration, die sich zeigenden Grenzen zu überwinden und die Herausforderungen Lösungen zuzuführen. Dabei freue mich auf Ihre Unterstützung und wünsche einen schönen Abend.

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