Braunschweig 12.11.2012
Meine sehr verehrten Damen, liebe Freundinnen,
Ich begrüße Sie alle ganz herzlich. Da Sie so zahlreich erschienen
sind, nehme ich mir die Freiheit Ihnen eine gewisse Neugier und
multireligiöses Interesse zu Unterstellen.
Mein Name ist Mona Al-Masri. Ich bin vor ca. 30 Jahren hier her
eingewandert, bin verheiratet und habe zwei hier geborene, erwachsene
Kinder. Ich wuerde gern einige wenige Worte zu meiner Vergangenheit
und meinen kulturellen Wurzeln verlieren.
Ursprünglich komme ich aus Syrien, dem Land in der die Wiege des
Juden- und Christentums und des Islams liegt. Wie Sie ja alle wissen,
leidet dieses Gebiet zur Zeit unvorstellbar.
Paulus wurde dort im arabisch-nabatäischen Damaskus zum Christentum
bekehrt, im Korb über die Mauern Damaskus gerettet und hat dann das
Christentum nach Europa gebracht. Daraus entstand die größte religiöse
Gemeinschaft der Welt. Es gibt ein Sprichwort, das sagt: „Jeder Mensch
hat zwei Heimaten, seine eigene und Syrien“. Der syrisch- arabische
Kulturraum umfasst ein Gebiet genannt "Bilad Al-Scham" oder „Levante“,
zu dem das heutige Palästina, Libanon, Jordanien, Syrien und Teil des
Iraks gehören. Dieses Gebiet besitzt offensichtlich mehr als 10.000
Jahre Kulturtiefe von den Sumerern bis zur phönizisch-arabischen
Mittelmeer-Zivilisation an der heutigen syrischen Küste. In
dieser Kultur der 3 Religionen entstand zwangsläufig mit der Zeit eine
besondere Toleranzkultur des Zusammenlebens. Zuletzt durch und unter
der 1400-jährigen islamischen Herrschaft.
Es war kein Zufall, dass ich selbst als Kleinkind in einer
multireligiösen Gesellschaft zuhause war. Ich bin in einer Gegend der
heute zerbombten Stadt Homs (in der Mitte Syriens) aufgewachsen, die
zu 50% von Christen bewohnt war. Meine Geschwister und ich feierten
ständig mit den christlichen Nachbarskindern die religiösen
(islamische, genauso wie christliche) Festtage zusammen. Kirchengang
war eine normale Sache. Die Schulklasse die ich in der Oberstufe
besuchte, bestand aus 18 muslimischen- und 18 christlichen
Schülerinnen. Uns hat nur die Religionsstunde getrennt, ansonsten
waren wir ein Herz und ein Seele.
Der Islam stützt sich auf und bestätigt laut dem Koran
das alte- und neue Testament, Sure 3:4bis5. (Die jüngeren sollen ja
die älteren in der Morgenlandkultur respektieren). Laut Koran Sure 2:136,
darf ein Muslim keinen Unterschied zwischen den Gottesgesandten Moses,
Jesus und Mohammed als dem letzten machen (genau wie Lessing es
beschrieben hat). Das War die Grundlage des Überlebens aller anderen
Religionen 1400 Jahre lang unter islamischer Herrschaft.
Nun bin ich ein Migrantin in dieser Gesellschaft die Ihren Aufstieg
und Erfolg, Religions-unabhängig bewiesen hat (Aufklärung). Der
Aufstieg meiner Ur-Kultur war dagegen Religions-basiert.
Mit der Formulierung dieses Unterschieds komme ich zur Ursache und zu
einer möglichen Lösung der Integrationsschwierigkeiten.
Die modernen Aufnahme-Gesellschaften in Europa erwarten von den
muslimischen Migranten eine ähnliche Lockerung ihrer Religiösen Gebote
im Gesellschaftsleben wie sie es selbst erfahren haben.
Die Haupt-Differenzen mit den muslimischen Migranten liegen in der Haltung
zur Frau, Partnerschaft und Familie (Fast alles dreht und streitet
um uns Frauen).
Die ur-christlich-jüdischen Familien- und Moralvorstellungen, die noch
im heutigen Islam erhalten geblieben sind, werden daher als fremd im
modernen Europa empfunden. Wenn sich aber der Papst zu
Familie, Verhütung und Abtreibung aus katholischer Sicht äußert,
unterscheidet er sich nicht sehr von einem muslemischen Gelehrten.
Die Bundesrepublik Deutschland ist gegenüber den Religionen dem
Grundgesetz nach ein neutraler Staat. Tatsächlich entstehen aus der
Sicht der Muslime diskriminierende Gesetzte, die auf Grund des
religiös-bedingten äußeren Erscheinungsbildes juristische Grundlagen
zur Verbannung einer Beachtlichen Masse von muslimische Frauen aus dem
Gesellschaftssystem schaffen. Damit wird, wenn auch ungewollt,
gesetztlich legitimiert diskriminiert (also in meiner Gestalt so, passe ich wohl nicht im System).
Letztlich wird manche Muslima genötigt einen Teil ihres Körpers zu zeigen als Vorbedingung zur Berufsausübung. (somit wird eine essentielle persönliche-intime Grundfreiheit verletzt).
Letztlich ist dies selbstverständlich eine Frage des Blickwinkels. Um Ihnen den vieler Muslima etwas verständlicher zu machen, würde ich gern die Bedeckung der Scham und Brüste als Beispiel heranziehen. Wer würde sich wohl damit fühlen, in einem anderen Land seine Brüste öffentlich zu entblößen, weil dies dort üblich ist?
Der Islam (wie das Christentum) gestaltet sich sehr facettenreich. Es
fängt mit extrem liberalen und reduzierten, eine Art „Islam-Light“ Versionen an
und geht hin zu streng konservativen Versionen, die jede kleine
religiöse Regel oder Brauch kopieren und bewahren. Der deutsche Staat
tut sich schwer diese Vielfalt zu überblicken und wählt oft die
reduzierteste Islam-Light Version zum gewünschten Vorzeige-Islam, da
diese ein Entwicklung erfahren hat, die der westlichen Aufklärung am
nächsten kommt.
Europa als erfolgreiche Weltkulturmacht fällt es schwer einen
gleichberechtigten Dialog mit anderen Religionen und Kulturen zu
führen. Die durch den Islam übernommene Ur-Jüdisch-Christliche
Familienmoral wird im modernen Europa als Rückschrittlich
zurückgewiesen.
Der demografische Wandel in den Industrieländern, besonders in
Deutschland, macht zwangsläufige Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland nötig. Viele davon könnten Muslime sein aufgrund der Bevölkerungsexplosion in den islamischen Ländern.
Die deutsche Gesellschaft, als nicht Einwanderungs-orientierte, könnte
damit im Nachteil gegenüber denen des angelsächsischen Sprachraums
sein. Dort hat offensichtlich die Kolonialgeschichte attraktivere
multikulturelle Umgebungen für Auslesefachkräfte geschaffen. Zu
bemerken ist, dass die Werte der Religion und Familie in den
Vorstellungen solcher Fachkräfte wie oft auch bei deutschen
Bildungsbüregern hoch angesehen sind.
Ich bin froh, dass ein solcher Abend zustande gekommen ist, und bin
der Initiatorin sehr dankbar. Es scheint mir sehr essentiell, dass die
Kirche solche Veranstaltungen durchführt und leitet. Denn die Seele
dieser Gesellschaft, trägt historisch bedingt das Christentum in
sich. (dass die CDU noch die größte Volkspartei ist, ist doch kein Zufall).
Dieser religiöse Dialog, geführt durch Sie als höchste religiöse
Instanz ist sehr wertvoll und unersetzbar. Das benötigte Klima und die
Grundbedingungen für ein reibungsloses Zusammenleben mit anderen
Religionen und Kulturen kann nur durch Ihre aktive Beteiligung
geschaffen werden. Damit wird ein überzeugender Grundkonsens,
ausgehend von der Gastgeber Gesellschaft, festgelegt. Das ist für ein
sicheres Zusammenleben unerlässlich. Ich hoffe, dass durch Ihren
konstruktiven Schritt, eine bessere Zukunft für ein friedlicheres und
fruchtbareres Gesellschaftsleben in der Zukunft dieses Landes bewirkt
wird. Ich danke Ihnen herzlichst für Ihre Einladung und Ihre
Aufmerksamkeit.