Monika Goldmann – Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft e.V.

Neue Chancen für Frauen nach der Flucht
Tischrede beim Frauenmahl in Dortmund am 17. Februar 2017
Monika Goldmann, Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft e.V.

Vielen Dank für die Einladung, dass ich heute hier in diesem wunderbaren Raum und bei diesem großen Treffen engagierter Frauen sprechen darf.
In Dortmund leben heute etwa 9000 geflüchtete Menschen und mehr als ein Drittel davon sind Frauen. Aber wo sind sie? Wir sehen sie in der U-Bahn mit Kinderwagen und oft mit Kopftuch – Wir hören vielleicht von traumatischen Erfahrungen der Frauen im Krieg während der Flucht und von sexuellen Übergriffen in den Flüchtlingsheimen. Aber wir hören nichts davon, dass auch Informatikerinnen, Ärztinnen, Ingenieurinnen, Lehrerinnen und Betriebswirtinnen gekommen sind. Dass viele dieser Frauen im Heimatland berufstätig waren, dass sie wieder arbeiten möchten, und dringend ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten wollen, um nicht länger von öffentlicher Fürsorge abzuhängen.
Wieder einmal waren es die altbekannten Stereotype: Frauen werden reduziert auf ihre Rolle als Mutter – zuständig für die Familie und/oder – sie sind Opfer. Es macht mich manchmal fassungslos.
Wir wollten das Schweigen nicht hinnehmen. Wir – das sind Frauen aus dem Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft, die in unterschiedlichen Organisationen arbeiten –. Wir wollten verhindern, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Denn in den letzten 20 Jahren konnten viele geflüchtete Frauen, aber auch Migrantinnen, die nicht auf der Flucht nach Deutschland gekommen sind, mit oft guten Qualifikationen nicht beruflich Fuß fassen und haben sich entweder in ihre Familien zurückgezogen oder haben unqualifizierte, schlecht bezahlte Jobs im Reinigungsgewerbe oder in der Gastronomie angenommen.
Ich selbst bin ja seit knapp zwei Jahren endgültig aus der Sozialforschungsstelle ausgeschieden, an der ich viele Jahre zu neuen Formen von Arbeit in einer zunehmend globalisierten Welt, zu Veränderungsprozessen in Unternehmen und zu Geschlechterfragen gearbeitet habe. Nun hatte ich ein erstes Jahr mit vielen Reisen und vielen Begegnungen mit Menschen, die ich lange vernachlässigt hatte, hinter mir. Und mir war klar, ich wollte nicht nur privatisieren, sondern etwas tun – mich engagieren, nicht das Gleiche wie früher –etwas Neues drängendes, aber auch etwas, wo ich meine Erfahrungen nutzen konnte.
Und da war es: Ich hatte schon lange mehr über die geflüchteten Frauen in Dortmund erfahren wollen, ich habe recherchiert und es hat mich sehr stutzig gemacht und schließlich geärgert, dass nichts von Ihnen zu hören war.
To make a long story short – lange Rede kurzer Sinn: ich habe mich mit einigen Frauen zusammengeschlossen und wir- das dffw – das Grone Bildungszentrum, das Gleichstellungsbüro der Stadt Dortmund und Kompetenzzentrum Frau und Beruf haben unser Projekt „Betriebliches Mentoring für qualifizierte geflüchtete Frauen“ entwickelt.
Wir mussten nicht lange suchen, denn innerhalb von wenigen Wochen hatten wir die erste Gruppe von etwa 15 geflüchteten Frauen zusammen, die in ihren Heimatländern studiert hatten, teilweise schon lange auch in Führungspositionen berufstätig waren und jetzt erst einmal dabei waren, deutsch zu lernen.
Unser Ziel war, dass sie bereits in dieser Zeit, eine berufliche Perspektive entwickeln können.
Dazu haben wir Unternehmen gefunden, die ihnen in einer Hospitation oder einem Praktikum einen Einblick in die Arbeit in einem deutschen Betrieb ermöglichten und die ihnen eine Mentorin an die Seite stellte, die sie begleitete.
In unserem großen Dortmunder Netzwerk haben wir viele Mitstreiter und -streiterinnen gefunden. Das Ganze ist dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter zu Ohren gekommen und sie wollten das Projekt fördern! Wir haben in kürzester Zeit einen Projektantrag geschrieben und haben beispiellos schnell eine Förderzusage erhalten. So können wir jetzt seit September zwei Jahre lang zwei weitere Gruppen aufbauen und mit den geflüchteten Frauen sowie mit Unternehmen, Schulen und Krankenhäusern gemeinsam an beruflichen Perspektiven arbeiten können
Mein Engagement ist keineswegs uneigennützig: Ich hatte schon lange den Eindruck, dass wir im Dortmunder Forum zwar die Vielfalt und Chancengleichheit von Frauen und Männern fördern, dass wir aber doch eine eher homogene Gruppe waren: weiß, deutsch und mit zu wenigen Migrantinnen oder jungen Leuten bei unseren Mitgliedern.
Hier sah ich meine und unser aller Chance hier etwas zu verändern!
Und wir alle verändern uns mit den Erfahrungen, die wir in diesem Projekt machen.-

Ich habe ja nun wirklich in vielen internationalen Projekten gearbeitet, aber es ist doch noch etwas anderes vor Ort plötzlich mit völlig anderen kulturellen Erfahrungen konfrontiert zu werden, zu lernen, Verhaltensweisen, die ich befremdlich oder unhöflich empfand, erst einmal zu verstehen, ohne sauer zu werden. Den Balanceakt zu vollbringen, meine eigenen Vorannahmen und Vorurteile zu erkennen und zu revidieren, aber nicht völlig kritiklos andere Verhaltensweisen zu akzeptieren sondern die eigenen Grenzen neu zu definieren. Nehmen sie z.B. nur das Kopftuch: Ich habe es immer als frauenunterdrückend abgelehnt. Jetzt habe ich es mit Frauen zu tun, die diese Ablehnung absolut nicht verstehen und die bei allem, was sie in unserem für sie völlig fremden Land lernen müssen, wo sie sich anpassen müssen, nicht auch noch ihr Kopftuch ablegen wollen, das sie als Teil ihrer Religion ihrer Identität oder auch nur ihres verlorenen Lebens in ihrem Heimatland betrachten. Welche Haltung entwickele ich dazu und wie streite ich darüber mit meinen feministischen Freundinnen??
Ich bin dabei, unendlich viel zu lernen und bin den geflüchteten Frauen und meinen Projektkolleginnen ebenso wie den vielen Unterstützern aus den Unternehmen zutiefst dankbar, dass wir uns gemeinsam auf diese Reise mit diesen vielen Unwägbarkeiten gemacht haben.
Also nicht nur neue Chancen für die geflüchteten Frauen sondern auch für uns hier und heute!!

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