Munise Cuma-Oğuzay – BFmF e.V.Köln

Rede zum Frauenmahl in Krefeld am 26.10.2014 in Krefeld

Frauenmahl „FRAU MACHT POLITIK“
Munise Cuma-Oğuzay
Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V. Köln

I. Grußworte
Sehr geehrte Frau Christa Müller, Frau Katrin Meinhard und Frau Almut Schwarz,
bei Ihnen möchte ich mich herzlich für die Einladung bedanken – vor allem, weil Sie bereits damit ein politisches Statement setzen, indem Sie Musliminnen zu Wort kommen lassen.
Gerade, weil es um Politik und gesellschaftliche Beiträge geht; denn sprechen und nicht „gesprochen werden“; das dürfte der Wunsch vieler muslimischer Frauen in Deutschland sein. Vielen Dank also, dass Sie das Engagement des Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen nicht nur erkannt haben, sondern ihm hiermit eine Fläche bieten.

Liebe Zuhörerinnen,
wie Sie gehört haben, komme ich vom Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen in Köln – kurz BFmF e.V. Ich komme also in Stellvertretung vieler starker Frauen – ob das eine leichte Aufgabe sein wird? Eine herausfordernde Aufgabe ist es allemal!
Und kann ich allen meinen Kolleginnen – in ihrer kulturellen, sozialen und Kompetenzen betreffenden Vielfalt – gerecht werden? Sicherlich nicht; und das ist gut so! Denn davon lebt unsere tägliche Arbeit und wächst unsere Reichweite.

II. Geschichte des BFmF e.V.
BFmF e.V. wurde im Jahre 1996 als Selbsthilfeprojekt von „einer Hand voll“ muslimischer Frauen in multikultureller Zusammensetzung gegründet. Das Ziel, sich gegenseitig zu helfen und zu bilden, erweiterte sich sehr bald darauf, auch andere Frauen und Familien bei ihren Bildungs-, Erziehungs- und Integrationsbemühungen zu unterstützen, weil sich immer mehr Frauen mit unterschiedlichem kulturellen wie religiösen Background von der Idee angesprochen fühlten.
Von Anfang an waren die Frauen des BFmF e.V. für ein Miteinander der verschiedenen Völker und Religionen, für das Selbstbestimmungsrecht aller Menschen, für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie gegen jegliche Art von Diskriminierung, Rassismus und Gewalt. Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern sind die Querschnittsaufgabe für BFmF e.V., vor allem weil sich unsere Realität entlang dieser Rahmenlinien gestaltet.
Als Hauptinitiatorin erhielt Frau Erika Theißen im Jahr 2011 den Bundesverdienstorden, weil sie „uns so zeigt, wie Integration in unserem Land möglich sein kann“, so die Worte von Ministerpräsidentin Frau Hannelore Kraft.

III. Angebote und Ziele des BFmF e.V.
Der gemeinnützige, eingetragene Verein BFmF e.V. ist ein interkulturelles Zentrum der Stadt Köln. Er ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und Träger zweier anerkannter Bildungswerke: des Muslimischen Frauenbildungswerks Köln (nach § 23 WbG-NRW) und des Muslimischen Familienbildungswerks Köln (nach § 15 WbG-NRW); außerdem noch:

  • der freien Jugendhilfe gemäß § 75 KJHG
  • einer Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle
  • einer Migrationsberatungsstelle für erwachsene Zuwanderer
  • einer Integrationsagentur
  • der Zielgruppenträgerschaft für Arbeitsgelegenheiten (AGH)
  • von Integrationskursen gefördert durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
  • eines Arbeitslosenzentrums
  • einer ALG II-Beratungsstelle
  • einer Kindertagesstätte.

Dabei sind Multikulturalität, Unabhängigkeit und Offenheit bei Wahrung der islamischen Identität die Prämissen unserer Arbeit. Wir engagieren uns dafür, dass Mädchen und Frauen, aber auch Familien vor allem mit Migrationshintergrund, durch Bildung und Beratung gestärkt werden. Mit unserer Arbeit wollen wir das friedliche Zusammenleben und die Toleranz in unserer Gesellschaft fördern.
 
Wir wollen…

  • mit unserer Einrichtung eine Lücke schließen und besonders Mädchen und Frauen, aber auch Familien mit Migrationshintergrund, entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse fördern.
  • Migrantinnen die Möglichkeit bieten, das gesellschaftliche Angebot, insbesondere im Hinblick auf Ausbildung und Berufstätigkeit, besser nutzen zu können.
  • Frauen und Kinder darin unterstützen, eine dialogfähige Persönlichkeit zu entwickeln, die selbstbewusst gegen Diskriminierung sowohl von gesellschaftlicher als auch von innerfamiliärer Seite vorgeht.
  • die Allgemeinbildung von Mädchen und Frauen ausbauen.
  • die Familien in ihrem Zusammenhalt stärken und Fähigkeiten einzelner Familienmitglieder hervorheben.
  • Väter und Mütter in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützen.
  • Kindern Spiel- und Freizeitmöglichkeiten und eine Atmosphäre des Angenommenseins vermitteln.
  • Kinder in ihrer kognitiven Entwicklung und schulischen Leistungsfähigkeit fördern.
  • Gesprächspartnerinnen sein für MultiplikatorInnen als Fachfrauen zum Thema Islam und Leben muslimischer Familien.
  • einen Beitrag leisten zur interkulturellen Öffnung, zu Toleranz und Völkerverständigung in unserer Gesellschaft.


IV. Was ist denn das Besondere am BFmF e.V.?
BFmF e.V. spricht, wie schon erwähnt, viele unterschiedliche Frauen mit ebenso vielen wie unterschiedlichen Bedürfnissen an, sodass das Angebot sich entsprechend erweitert.
So wurden im Laufe der Zeit die Räumlichkeiten vergrößert und es ist im BFmF e.V. gelungen, über 60 Frauen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen und zusätzlich weitere auf Honorarbasis.
Die Erweiterung konnte und kann nur dadurch stattfinden, dass wir sowohl auf Ehrenamt als auch Professionalität bauen können, wodurch Besucherinnen und Teilnehmerinnen erfolgreiche und qualifizierte „Migrantinnen“ als Vorbild erleben können.
Auch wenn BFmF e.V. sich seit der Gründung bis heute von einer kleinen Selbsthilfeeinrichtung zu einer bedeutenden sozialen Anlaufstelle mit Modellcharakter entwickelt hat, so ist der Verein immer noch vom Gedanken des „Self-Empowerment“ durchdrungen. Denn sowohl die Geschäftsführung als auch der Vorstand, die Bereichsleiterinnen und die weiteren Mitarbeiterinnen betrachten sich nach wie vor als „Zielgruppe“. Von Zielgruppe zu Zielgruppe – von Herz zu Herz! Das ist es wahrscheinlich auch, was unsere Angebote und Projekte so authentisch und erfolgreich macht.

V. Muslimische Frau macht also auch Politik! (Schluss)
So schließt sich der Kreis der Frage: Was hat BFmF e.V. mit dem Thema „Frau macht Politik“ zu tun? Denn Politik machen, bedeutet keinesfalls nur, eine politische Agenda zu haben.
Als die Anfrage kam, habe ich mich zunächst nämlich etwas orientierungslos gefühlt: Wir sind doch ein gemeinnütziger Verein, der Bildungs- und Sozialarbeit leistet. Wir machen im BFmF e.V. doch keine Politik (im Sinne von Parteiarbeit) – welchen Beitrag kann ich denn beim Frauenmahl leisten?
Und das war mein Stichwort: Wir leisten nämlich schon einen wichtigen Beitrag, und zwar für die gesamte Gesellschaft!
Neben den Angeboten, den geschaffenen Arbeitsplätzen und der Atmosphäre des Empowerments setzen wir auch Zeichen und hinterlassen unsere Spuren in der Geschichte Deutschlands.

Als muslimische Frauen sitzen wir in Köln in verschiedenen Arbeitskreisen und politischen Gremien – und mischen einfach mit!
Wir bilden eine Brücke zwischen Minderheiten und der Mehrheitsgesellschaften.
Wir fördern Partizipation und Integration, auch wenn die Begriffe in den letzten Jahren noch so inflationär verwendet worden sind. Das macht die Themen nicht unwichtiger und die Arbeit nicht unwesentlicher!
Wir bieten Vorbilder auf der einen Seite und auf der anderen verändern wir den Blick auf die muslimische Frau. Genau zum richtigen Zeitpunkt – wie ich finde, denn es wird Zeit, dass das Bild der unterdrückten, ungebildeten und stimmlosen Muslimin gegen die vielfältige Realität eingetauscht wird!

So bin ich also zu dem persönlichen Schluss gekommen, dass wir doch Politik machen, und zwar aus der Verpflichtung gegenüber der Gesamtgesellschaft und aus den Bedürfnissen der einzelnen Individuen heraus.
Wir nehmen die Zielsetzungen der Politik wahr und verfolgen sie bei unserer täglichen Arbeit, wenn wir z.B. genehmigte Projekte realisieren. Zudem nehmen wir der Politik einiges ab und vieles vorweg, wenn wir Musliminnen Arbeitsplätze und verantwortungsvolle Positionen bereitstellen – zu einer Zeit, in der es in Deutschland noch nicht selbstverständlich ist.
Alles, was wir als Menschen und besonders als Frauen jeden Tag machen – darunter fällt es, zur Arbeit zu gehen bzw. gehen zu können/zu dürfen –, ist politisch, ist Politik. Und jede Handlung und jedes Wort im Wesentlichen eine Wahl.
Es ist schön, eine Stimme und eine Wahl zu haben und sich diese nicht nehmen zu lassen – egal, von wem!

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